Menschen wichtiger als Money: Ost- und Westeuropa müssen einander zuhören lernen

Kirche in Georgien
Orthodoxe

Laut dem orthodoxen Theologen Grigorios Larentzakis muss die europäische Einigung weitergehen. Er hoffe, dass schliesslich alle Länder mit europäischen Wurzeln zur EU gehören werden, sagte Larentzakis am Freitag vor den Medien in Zürich.

Auch Armenien und Georgien sollten in die EU aufgenommen werden; Kirchen aus diesen Gebieten gehören heute bereits zur Konferenz Europäischer Kirchen (KEK).

Der Einigungsprozess erfordere ein verstärktes gegenseitiges Kennen- und Verstehenlernen der west- und osteuropäischen Kulturen, sagte Larentzakis in einem Vortrag anlässlich der Jahrestagung des Instituts ‚Glaube in der Zweiten Welt’ (G2W).

Einigung nicht nur ökonomisch

Grigorios Larentzakis, der auch in der KEK mitarbeitet, macht nach eigenen Angaben derzeit die Erfahrung, dass auch Politiker zu begreifen beginnen, dass die Einigung Europas nicht nur auf ökonomischer Basis erfolgen kann.

Er plädierte daher für ein neues Verständnis des Begriffs Ökonomie. Das Wort bedeute eigentlich Haushaltführung und beinhalte so neben der wirtschaftlichen Dimension auch eine menschliche. Eine Wirtschaft könne ohne menschliche Werte aber nicht gut funktionieren.

Die andere Kultur kennenlernen

Religion dürfe also nicht Privatsache bleiben, sondern müsse im Einigungsprozess eine tragende Rolle spielen. Larentzakis verwies darauf, dass heute auch die Unterstützung der Kirchen bei der Lösung aktueller Probleme wieder stärker gefragt sei als zu einer Zeit, wo man ihnen nur noch „Weihrauch und Mystik“ überlassen habe.

Laut Larentzakis müssen im Westen über die Orthodoxie sowohl Ideal- wie auch Zerrbilder abgebaut werden. Umgekehrt müssten Menschen in den östlichen Kulturen die westeuropäische Kultur verstehen lernen. Einen Anfang in diesem Prozess kann Larentzakis etwa in einem Programmteil eines Weiterbildungskurses für Gymnasiallehrer sehen. Auf der pädagogischen Ebene sei hier noch vieles zu tun.

Einheit in der Vielfalt pflegen

Diese Bemühungen müssten erfolgen, weil es gelte, ein Europa zu bauen, dass Einheit in der Vielfalt kultiviere. Die unterschiedlichen Kulturen und Glaubensverständnisse müssten sich gegenseitig als Bereicherung begreifen. Noch gebe es viele Missverständnisse. Organisationen wie etwa das Institut G2W könnten die Funktion von Brückenköpfen zwischen Ost und West übernehmen.

Falsches Signal

Ein falsches Signal sende dagegen die Trägerschaft der Universität München aus, die aus Kostengründen über die Schliessung der orthodoxen Fakultät nachdenke, die sie neben der katholischen und der evangelischen führt. Hier würde auf Kosten der Zukunft gespart, sollte es wirklich so weit kommen, sagte Larentzakis, der als Fachmann für die kirchlichen Aspekte der EU-Erweiterung nach Osten und Südosten gilt, gegenüber den Medien.

Die theologische Fakultät der Universität Graz (wo Larentzakis lehrt) bemüht sich dagegen um einen positiven symbolischen Akt, wenn sie am 18. Juni dem ökumenischen Patriarchen Bartholomaios die Ehrendoktorwürde verleiht. Der Patriarch habe sich vor allem durch seine Bemühungen um den Dialog der Orthodoxie mit dem Europäischen Parlament verdient gemacht.

Institut ‚Glaube in der Zweiten Welt’ (G2W): www.kirchen.ch/g2w/

Datum: 11.05.2004
Quelle: Kipa

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