Trösten und Freude bringen

Dort wo Europa am dunkelsten ist

Der 26. April 1986 hat das Leben von Millionen Menschen in Osteuropa für immer verändert. Ihr Lebensraum wurde infolge des Reaktorbrands in Tschernobyl verstrahlt, mit schwer wiegenden Folgen bis heute.
Knaben aus armen Familien, für die Geschenkübergabe im besten Gewand
Dürftig versorgt: Intensivstation in der Ukraine
Die Fenster sind mit Plastik abgedeckt
Hier gibt’s gewöhnlich nicht viel mehr als Brot.

Vor Weihnachten haben einheimische Mitarbeiter des Schweizer Hilfswerks ‚Licht im Osten’ (LIO) 22'000 Pakete und 47 Tonnen Lebensmittel in der Ost- und Westukraine verteilt. Im Gebiet Shitomir unweit von Tschernobyl waren auch 22 Schweizerinnen und Schweizer bei der Verteilung der Weihnachtsgeschenke für arme Familien, Waisenkinder und behinderte Menschen zugegen. Hier der LIO-Bericht:

Ein Team reiste in die verstrahlten Grenzzonen zwei und drei von Tschernobyl, etwa 100 km vom ehemaligen Kraftwerk entfernt. Tschernobyl und die Folgen davon waren denn auch das Hauptthema. Die Menschen sind gezeichnet von Krankheiten und Leiden. Schilddrüsenkrebs und Leukämie treten viel häufiger auf. Ein Arzt schätzte, dass vor Tschernobyl vielleicht in fünf Jahren zwei Fälle von Schilddrüsenkrebs auftraten, heute zählt man 70-80 pro Jahr. Medikamente oder notwendige Operationen können sich die wenigsten leisten.

Geschwächte Immunabwehr nach Tschernobyl

Das Immunsystem ist geschwächt, Cäsiumablagerungen in Knochen und Krebserkrankungen nehmen zu. Selbst der Chefarzt eines Zentralkrankenhauses ist auf fremde Hilfe angewiesen. Diese deckt aber nur die geringsten Bedürfnisse ab. Staatliche Hilfe wird wegen fehlender Mittel laufend gekürzt. In dieser Gegend ist kaum jemand wirklich gesund.

Die Umstände, in denen viele Familien leben, sind kaum beschreibbar. Eine Mutter mit drei Kindern konnte ihre Wohnung nicht mehr bezahlen. Nun lebt die vierköpfige Familie in einer Hütte, die mehr einer Bretterbude gleicht als einem Wohnhaus. In einem anderen Haus wohnen Flüchtlinge aus Tschetschenien. Statt Glas klebt Plastik in den Fensterrahmen. Die Temperaturen waren um die Null Grad - für die Jahreszeit eher warm.

Armut im Dorf

In einem Dorf legen die Kinder täglich einen Schulweg von 12 km zurück, meist zu Fuss. Die Menschen besitzen ein Stück Land, eine Kuh, vielleicht ein Schwein und ein paar Hühner. Wer ein Pferd mit Wagen besitzt, ist bereits wohlhabend. Die Böden sind verseucht von Tschernobyl und somit auch die entsprechende Nahrung, die die Menschen und die Tiere zu sich nehmen.

Die verteilten Weihnachtsgeschenke lösten bei den Kindern grosse Freude aber meist stilles Erstaunen aus. Plüschtierli wurden zärtlich an die Wange geschmiegt. Die Tränen einer Mutter, die auf dem Tisch neben einer Krume Brot plötzlich Mehl, Teigwaren, Suppe und andere Lebensmittel sah, waren ein stummer Ausdruck von Dankbarkeit und Freude.

Schwer behindert – und hellwach

Ein 15-jähriger schwer behinderter Junge lag auf einem Feldbett im kleinen Wohnzimmer. Er konnte weder sitzen noch gehen. Aber geistig war er hellwach und verwickelte die Gäste sofort in ein lebhaftes Gespräch. Er erzählte, dass er in einem Inserat gelesen hatte, dass Haare zu kaufen gesucht seien. Nun liess er seine Haare wachsen, um so etwas Geld zu verdienen. Not macht erfinderisch. Seine Freude über den Besuch und das Geschenk waren offensichtlich. Doch nach einer Weile schickte er die Besucher weg zu anderen Kindern. Es war beeindruckend, wie der Junge trotz eigener Sorgen an andere denkt!

Die Weihnachtsfreude kam nicht nur im Geschenk, sondern auch in den Gesprächen über das Weihnachtsgeschehen zum Ausdruck. Meist endete der Besuch mit einem Gebet des einheimischen Pastors, der uns begleitete, für die Menschen und ihre Nöte. Für viele Menschen wurde der Glaube an Gott zu einer verlässlichen Kraftquelle. Eine alte Frau, die in einem abgelegenen Dorf in einer ärmlichen Hütte wohnt, hatte menschlich gesehen alles verloren. Aber sie sprüht vor Lebensfreude und Dankbarkeit, die wie sie sagte, im persönlichen Glauben an Gott zu finden sind.

Der Einsatz wurde abgerundet mit Besuchen in Waisenhäusern, von Schulklassen und in einem Heim für behinderte Kinder. Die Weihnachtsgeschenke und Lebensmittel sowie Kleider und Schuhe aus der Schweiz können die Not nicht wirklich lindern. Doch es war offensichtlich, wie das kleine Zeichen der Liebe die Menschen verändert hat.

Hilfswerk Licht im Osten: www.lio.ch

Datum: 22.01.2004

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