Frisch aus der Wüste: Blumen und Fische

«Die Wüste ist unser Daheim und unser Labor», meint Professor Yair Zarmi vom «Blaustein Institut for Desert Research».
Die «Albert Katz International School for Desert Studies» wurde durch eine Spende der Schweizer Katz-Familie errichtet
Yair Zarmi ist Direktor der «Albert Katz School» und Professor am «Departement of Solar Energy and Environmental Physics».

Die Negev-Wüste in Israel beginnt zu blühen. Das „Blaustein Institut for Desert Resarch“ züchtet eine Vegetation, die in extremen Trockengebieten überlebt und sogar Fischzucht ermöglicht. Professor Yair Zarmi gibt Einblicke in seine Arbeit.

„Die Wüste und Einöde wird frohlocken und die Steppe jubeln und blühen. Sie wird blühen und jubeln in aller Lust und Freude“, kündigte vor mehr als 2500 Jahren der Prophet Jesaja an. Sein Zeitgenosse Hosea pflichtete ihm bei: Israel solle wieder „blühen wie eine Lilie und seine Wurzeln sollen ausschlagen wie eine Linde». (1)

Solche Dinge sind heute zu sehen: Das «Blaustein Institut for Desert Research» (BIDR) bringt die Randregionen von Wüsten zum Blühen. Diese Forschungsarbeit in Treibhäusern und biotechnischen Laboratorien kann 1,3 Milliarden Menschen zugute kommen. So viele wohnen in diesen Gegenden. Neben Nutzpflanzen werden dort auch dekorative Wüstenpflanzen gezogen und Grundlagen der Fischzucht erforscht.

Das BIDR-Institut liegt gut 50 Kilometer südlich der Wüstenstadt Beersheba und ist der Ben-Gurion-Universität angegliedert. 65 Wissenschaftler, 60 technische und administrative Mitarbeiter und über 100 Studenten sind dort beschäftigt. Insgesamt leben rund 200 Familien in dem Ort «Midreshet Ben-Gurion».

Livenet.ch: Professor Zarmi, Sie wollen, dass die Wüste blüht und Pflanzen darin wachsen?
Professor Yair Zarmi: Das ist komplizierter. Richtige Wüsten wie die Sahara oder Gobi kann man nicht zum Leben erwecken. Aber mehr als eine Milliarde Menschen lebt an den Ausläufern von Wüsten. Sie pflegen meistens einen nomadischen Lebensstil. Inzwischen sind das aber so viele, dass die Natur dort nicht mehr alle ernähren kann. Wir befassen uns also nicht nur mit einem Problem des Negev, sondern mit Fragen, die sich auch in Zentralasien, Osteuropa, Afrika, Südamerika und vielen anderen Teilen der Welt stellen.

Wie können denn in solchen Gegenden Pflanzen wachsen?
Dazu machen wir viele Forschungen. Wir schauen zum Beispiel, wie Pflanzen unter Stress wachsen oder wie sie sich bei wenig Wasser und salzhaltiger Luft verhalten.


Arbeiten Sie in Treibhäusern, oder wie muss man sich das vorstellen?
Wir arbeiten in verschiedenen Bereichen des Gartenbaus und der Landwirtschaft. Alle gemeinsam ist, dass kein Wasser vergeudet wird. Die Treibhäuser zum Beispiel sind sehr gut abgedichtet, so dass kaum Feuchtigkeit verloren geht. In unseren Produktionsabläufen praktizieren wir eine Art Wasser-Recycling. Was für Fische und Algen verwendet wird, wird anschliessend woanders weiterverwendet.

Sie arbeiten auch mit anderen Ländern zusammen?
Ja, in über hundert Ländern wird geforscht, um die Wüstenbildung zu bekämpfen. Wir sind dazu einem Programm der Vereinten Nationen angeschlossen. Neben afrikanischen Ländern machen auch Jordanien und die Palästinenser dabei mit.

Wird die Sahara bald zu einem Blumengarten?
In der Sahara oder der Wüste Gobi kann man dieses Problem nicht beheben, sondern in den Regionen um diese Wüsten herum, in den Semi-Dehydrationszonen wie der Sahelzone oder bestimmten Gegenden in Osteuropa. Oder in Australien und Südamerika. In diesen Regionen leben über eine Milliarde Menschen. Dort gibt es in der Landwirtschaft, der Architektur und in Fragen des Lebensstils viel zu tun. Denn die nomadische Lebensweise, die dort oft noch praktiziert wird, stösst an natürliche Grenzen. Die Natur gibt heute nicht mehr genug her für alle.

Man muss also besser haushalten mit dem kostbaren Gut Wasser?
Eine Trockenzone ist nicht vollständig trocken wie eine Wüste. Auch im Sahel und im Negev fällt manchmal Regen. Oder in Teilen Brasiliens. Diese Regionen sind zwar nicht so fruchtbar wie in Europa, aber es gibt dort immerhin Wasser. Wenn man das klug nutzt, kann man Felder bewässern und Ernten einfahren.

Wann werden Sie einen grossen Erfolg sehen?
So ein Projekt geht nur sehr langsam voran und vor allem nur dank weltweiter Zusammenarbeit. Die reichen Länder müssen sich daran beteiligen. Israel selbst ist zu klein dafür. Aber wir können Wissens und Technik zum Ganzen beisteuern.
Was können Sie nun anpflanzen?
Das hängt vom jeweiligen Klima ab und von dem Wasser, das zur Verfügung steht. Tomaten wären jedenfalls nicht sinnvoll, weil sie zuviel Wasser verbrauchen. Aber man kann Fische züchten und das Wasser dann wiederaufbereiten für andere Zwecke. Ja, in Trockengebieten kann man zum Beispiel gut Fischzucht betreiben.

Fische aus der Wüste??
Ja. Es gibt im Negev Kibbuze, die mit Fisch handeln. In solchen Gebieten kann das durchaus Sinn machen; wie gesagt: im Gegensatz zu Tomaten. Mit denen würden wir gewissermaßen Wasser exportieren. Das wäre Verschwendung, denn Europa hat dafür selber genug Wasser. Aber wir können Fische züchten oder Algen als Proteinquelle. Das bringt den Leuten in Trockengebieten ein gutes Einkommen.

Algen aus Trockenregionen?
Ja, zum Beispiel als Lachsfutter. Der gezüchtete Lachs hat immer weisses Fleisch. Viele haben es aber lieber rosarot wie beim Wildlachs. Es hat zehn Jahre gedauert, bis wir herausgefunden hatten, was diese Fische in der Natur fressen: nämlich eine bestimmte Algenart. Ein Kibbuz züchtet die nun kommerziell und verkauft sie in die ganze Welt als Fischfutter. Seinen Anfang nahm das Ganze hier an unserem Institut.

Viele Länder mögen Israel nicht. Manche wollen es zerstören. Und hier setzt sich Israel für das Wohl der Welt ein ...
Ich hoffe, dass die wissenschaftliche Zusammenarbeit gleichzeitig auch dem Frieden dient. Ich denke, das gehört zum Wichtigsten in der Wissenschaft. Sie ist nicht politisch. Unsere 120 Studenten kommen aus aller Welt und recherchieren hier über spezifische Wüstenfragen. Wir haben Studenten aus Äthiopien, Namibia, Gambia, Südamerika, China, Thailand – einfach von überall her. Sie lernen einander kennen und arbeiten gut zusammen. Das verbindet sie.

Sind auch Studenten aus der Schweiz dabei?
Ja, einer. Die meisten kommen aber aus Ländern, in denen die Trockenheit ein Problem ist, wie China, Kasachstan, Turkmenistan, Südamerika oder Afrika. Aus Europa oder den USA stammen nur wenige.

Wird Ihrer Ansicht nach der Negev in einigen Jahren grün sein?
Ich denke, ja. Aber es dauert sehr lange. Man muss bedenken, dass vor hundert Jahren das ganze Land völlig öde war. Es gab kaum eine Vegetation hier. Wenn man heute Satellitenbilder anschaut, erkennt man rund um Tel Aviv viele grüne Bereiche. Im letzten Jahrhundert waren dort noch Sanddünen. Langsam, wirklich nur ganz langsam, werden die trockenen Gegenden Israels wieder zu Kulturland. Hundert Jahre hatte es gedauert, bis wir dort angekommen sind, wo wir heute stehen. Und auch alles Weitere wird Jahre brauchen. Aber es wird weitergehen.

(1) Jesaja 35,1.2 und Hosea 14,6

Weiterführende Links:
„Der Negev – Das Neue Israel“

Homepage des BIDR (Blaustein Institut for Desert Research)
http://bidr.bgu.ac.il/bidr

Datum: 04.09.2005
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

Werbung
Livenet Service
Werbung