Die Kleinstadt Mejdelanjar mit ihren 18'000 Einwohnern liegt nahe der syrischen Grenze, je 55 Kilometer von Beirut und Damaskus entfernt. Vor 48 Jahren startete die Schule mit evangelischer Schweizer Trägerschaft im Ort. Die Schule weitet die Horizonte und ermöglicht den muslimischen Schülern, den Reichtum auch der nicht-arabischen Kulturen zu entdecken. Christen und Muslime, Frauen und Männer unterrichten einträchtig miteinander. Der deutsche Pädagoge Gottfried Spangenberg, in Mejdelanjar für die Bibliothek und die Finanzen zuständig, hielt sich im Februar in der Schweiz auf. Er schilderte in einem Vortrag in Bauma im Zürcher Oberland das Werden, den Charakter und das Umfeld der Schule. Vor 1956 hatten einige arabische Kinder im Nachbarort Anjar jene Schule besucht, die der Christliche Hilfsbund für die im Nahen Osten zerstreute Armenier-Minderheit betreibt. (1939 hatten sich Überlebende vom Musa Dagh in Anjar angesiedelt.) Da diese Arbeit im islamischen Umfeld geschieht, wagte der Hilfsbund, nachdem die Frau des Bürgermeisters dafür initiativ geworden war, den Schritt nach Mejdelanjar. Mit Erfolg. Derzeit belegen 460 Knaben und Mädchen die 1.-9. Klassen; ihre Zahl erreichte früher die 600-er Grenze, doch hat der libanesische Staat, mit den Zahlungen schon immer in Verzug, letztes Jahr seine Beiträge gar nicht geleistet. Der Betrieb musste verkleinert werden. Die Entwicklung der Schule verlief nach Gottfried Spangenberg in den unruhigen levantinischen Zeitläuften nicht immer wie geplant – „man macht, was gerade möglich ist“. Ihn freut besonders, dass Eltern, die einst selbst unterrichtet wurden, heute ihre Kinder schicken und das höhere Schulgeld zahlen: „Was wollen Eltern für ihre Kinder? Das Beste! Darum kommen sie zu uns.“ Schon den Kindergärtnern wird neben dem arabischen das lateinische Alphabet beigebracht und in der Folge Englisch unterrichtet. Die britische Organisation Bible Lands hat zwölf PCs gespendet – und ein Jahr später, wegen der Stromausfälle, einen Generator. Der Schulbetrieb wird auch von Schweizer Freunden des Hilfsbunds unterstützt. Spangenberg kauft, soweit es die Finanzen erlauben, geeignete Literatur aus allen Wissensgebieten ein. Wöchentlich können die Schüler ein Buch ausleihen. Die Bibliothek umfasst 1500 Bücher in Arabisch und Englisch. Auch Kochbücher – die Lieblingslektüre im Fastenmonat Ramadan. Die Bevölkerung Mejdelanjars hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen; so sind weitere Moscheen errichtet worden. Die Präsenz des übermächtigen Nachbarn Syrien im grenznahen Gebiet dürfte stabilisierend wirken. Ausserhalb des Orts steht eine islamische Mittelschule, eine Gründung der berühmten Al-Azhar-Moschee in Kairo. Einen Staat im libanesischen Staat bildet die schiitische Kampfbewegung Hisbollah, die im Unterschied zu den im Bürgerkrieg kämpfenden Milizen ihre Waffen nicht abgegeben hat. Sie herrscht aber eher in Norden der Bekaa-Ebene, einige Dutzend Kilometer weit entfernt. Hingegen stammte einer der (sunnitischen) Attentäter des 11. September aus der mittleren Bekaa, wo Mejdelanjar liegt. Fanatische Muslime machen in der Region von sich reden; eine Gruppe fordert Land zurück, das Armeniern vor 1940 gegeben wurde. Die Bilder, die Spangenberg von der ‚Evangelical Swiss School’ mitbringt, zeigen ein zwangloses Miteinander von Teenagern beiderlei Geschlechts. Neuerdings wagen es einzelne Burschen und Mädchen, in derselben Bank zu sitzen. Die Bilder vermitteln den Eindruck, dass Kopftuchträgerinnen problemlos mit Mädchen ohne Kopftuch verkehren. Diese Offenheit, eine Folge des christlichen Menschenbildes, wird im Ort geschätzt. Religionsunterricht gibt’s an der Schule nicht. Das Christentum kommt gleichwohl zur Sprache. Spangenberg fuhr mit zwei Oberstufenklassen nach Beirut, als das christliche Schiff Logos II mit seinem grossen Bücherangebot im Hafen vor Anker lag. Es gibt zwischendurch Begegnungen mit den armenischen Schülern von Anjar. Auch in Mejdelanjar wünschen die Kinder die Begegnung mit St. Nikolaus, und es gab auch schon ein Weihnachtsspiel. Spangenberg betont: „Wir bedrängen niemanden – wir bilden und informieren.“ Die religiösen und kulturellen Spannungen im Dreieck Jerusalem-Damaskus-Beirut sind täglich spürbar. Doch für viele Menschen in Mejdelanjar steht etwas Anderes im Vordergrund, sagt Spangenberg: „Die Schule hat dem Ort viel Gutes getan. Wir leben vom Vertrauen, das wir durch unsere angepasste Bildungsarbeit gewonnen haben.“ Dies lässt ihn hoffen, dass auch künftig aufgeheizte Emotionen sich abkühlen und ‚Unmutswellen’, wie er es nennt, geglättet werden können. Christlicher Hilfsbund im Orient: Bilder: Gottfried SpangenbergEin Schritt weiter: von den Armeniern zu den Arabern
Entwicklung nicht planbar – Flexibilität gefordert
Im Ramadan am liebsten… Kochbücher!
Von Spannungen nicht verschont
Ein Garten der Toleranz
www.hilfsbund.de
Datum: 09.03.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch