ICF Zürich vor dem Auszug

«Du lernst, mit dem Kiesel im Schuh zu laufen»

Im April muss ICF aus dem alten Güterbahnhof in Zürich West ausziehen – wohin ist noch unklar. Was läuft in der Zürcher Freikirche, die wie keine andere mediale Beachtung findet? Livenet hat sich mit ICF-Pressesprecher Dani Linder über die Entwicklung der letzten Jahre unterhalten.
Damit sich Familien wohl fühlen: Dani Linder in einem Kinderhüte-Raum, den ICF eingerichtet hat.
Celebration im ICF Zürich

Das 1996 gegründete ICF ist im Boomviertel Zürich West, in einer Halle im Maag-Areal, gross geworden. Seit Herbst 2011 ist die Freikirche im alten Güterbahnhof eingemietet. Dieser hat Wohnungen zu weichen und wird abgerissen. Die Freikirche muss auf Ende April nach bloss 16 Monaten bereits wieder ausziehen. Pressesprecher Dani Linder kann noch nicht sagen, wohin die Reise geht. ICF braucht nicht nur eine Halle für 1'000 Leute, sondern diverse Nebenräume (für 250 Kinder, Schulungen etc.) und in der Nähe auch Büroräume für mittlerweile 60 Angestellte sowie Parkplätze für die Familien. «Wir sind eine Belastung für jede Infrastruktur – wenn wir kommen, läuft etwas.»

Eine reformierte Kirche für ICF?

In der reformierten Landeskirche ist gelegentlich zu hören, eine der schwach genutzten Kirchen in der Stadt Zürich könnte ICF gegeben werden. Laut Linder dürfte es dem urban-poppig gestimmten ICF nicht leicht fallen, in einem alten sakralen Gebäude heimisch zu werden. Praktische Nutzungsprobleme und die Unterhaltskosten wären auch zu veranschlagen. Die ICF-Leitung träumt nach wie vor von einem Zentrum mit gemischter Nutzung inkl. Hotel, denn man erwarte infolge von ICF-Gründungen im Ausland, als Nächstes in Rom, mehr ausländische Gäste…

Eltern und Kids

'Max' und 'Gabi' (die beiden urbanen Zürcher, auf die ICF anfänglich seine Arbeit ausrichtete) sind im Jahre 17 der ICF-Zeitrechnung Eltern geworden. Wie wandelt sich die Jugendkirche? Laut Linder richtet sie sich auf Familien aus und bemüht sich um altersgerechte und sprachlich vielfältige Angebote. «Die Chinderchile ist massiv gewachsen.» Eltern kämen gern, weil die Infrastruktur stimme, vom Parkplatz über den Spielplatz bis zum Restaurant.

Der Familiengottesdienst beginnt sonntags um elf. Bereits zu Ende ist dann der «unplugged-Gottesdienst», für jene gestaltet, denen Worship nicht in den Ohren dröhnen soll. Nachmittags um fünf folgen die englische und die spanische, auf Portugiesisch übersetzte Celebration. Nach ihnen strömen die Jugendlichen in den Güterbahnhof für den 19-Uhr-Gottesdienst, mit dem ICF über die Schweizer Grenzen hinaus zum Markenzeichen geworden ist.

Multiple-Choice-Kirche…

«Ja, wir sind erwachsen(er) geworden», räumt Linder lächelnd ein. Der Zauber der ersten Sprünge ist verflogen. «Doch wir haben immer noch Lust, Neues zu wagen, durch weitere Standorte oder indem wir TV-Magazine gestalten, die uns angeboten werden.» Männer- und frauenspezifische Celebrations würden angedacht; Bewährtes suche man zu verfeinern. «Wer ICF besuchen will, hat eine krasse Auswahl.» Und diese Vielfalt werde genutzt und geschätzt. Von Beginn weg habe man mehr als einen Gottesdienst angeboten und von den Wünschen der Besucher her gedacht. «Wir sind bewusst eine Multiple-Choice-Kirche in einer Multioptionsgesellschaft.»

…neu auch online

Beim Aufwand für die Bühne spart ICF Zürich neuerdings; die grosse LED-Wand hat man gemietet und vermietet sie anderen Kunden in der Halle weiter. Seit Kurzem bietet ICF auch im Internet «Church» an: Man kann den Sonntag online verfolgen und mit Moderatoren chatten. Linder denkt, dass regelmässige Online-Besucher etwa aus einer Region Deutschlands zusammengebracht werden könnten, um eine Kleingruppe und mittelfristig eine Gemeinde zu gründen. «Wir glauben, dass es funktionieren könnte, und treiben es voran – bis zum Beweis des Gegenteils. Trial and Error.» Denn Gemeinden gründen sei die Weise, wie ICF Mission betreibe.

«Miteinander mehr bewegen»

Dafür werden Commitment und Spenden erwartet. «Wir sagen offen, worum es uns geht, was wir auf dem Herzen haben und wofür wir Geld brauchen. Wir sind geschaffen für einen Zweck, jeder einzeln, und können miteinander mehr bewegen als alleine.» Der Motor hinter allem sei nach wie vor der Wunsch, Menschen abzuholen, wo sie seien, und zu Jesus zu führen, sagte Linder, doch die Instrumente hätten sich geändert. «Hauptsache es passiert.» Neuerdings machen Hauptpastor Leo Bigger und Frau Susanna am Montagmorgen eine Beratungssendung auf Star TV. Berater nehmen Anrufe entgegen – «und da fassen Menschen Vertrauen, tun einen Schritt zu Jesus, kommen in die Kirche». 

Mit Filialen gewachsen

Zahlen zu Newcomers, Mitglieder und Ex-Mitglieder hat ICF nicht. Man zählt Besucher an den Wochenenden und weiss, wie viele in Smallgroups verbunden sind und Kurse besuchen. 2012 waren 1'450 Personen in 230 Smallgroups integriert. Nach dem Einbruch infolge der Umstellung auf geschlechtergetrennte G12-Gruppen im Jahr 2003 hat sich die Besucherzahl laut Linder stabilisiert und allmählich wieder zugenommen auf 2'800-3'000, die Zürcher Filialen Winterthur, Oberland, Brugg und Rapperswil und alle Altersgruppen eingeschlossen. «So viele waren wir noch nie.»

Das Jahresbudget von ICF Zürich geht mit den Filialen gegen 6 Millionen Franken. Wie zu Beginn entscheidet eine Handvoll Leiter, die das Leitungsteam bilden, über die Verwendung der Gelder; die anderen ICFler können mit den Füssen abstimmen. Verlag, Restauration, Mission und Sozialdiakonie wurden rechtlich ausgelagert. Weiterhin ist ICF nicht eingebunden in den Deutschschweizer Freikirchenverband VFG.

Mediale Breitseiten…

Die Stimmung beeinflussen auch Zürcher Medien, die sich auf ICF eingeschossen haben und die Freikirche an den Pranger stellen. ICFler würden dadurch irritiert und fragten sich, ob sie sich in der Schweiz für ihr Christsein rechtfertigen müssten, sagt Linder. «Doch irgendwann lernst du, mit dem Kiesel im Schuh zu laufen.» Aktuelles Beispiel: Aus dem Versäumnis eines Fotografen, für sein mit der ICF-Leitung abgesprochenes Fotobuch alle nötigen Einwilligungen der Fotografierten einzuholen, macht die Presse einen Zensurfall, als diese juristisch eine provisorische Verfügung erwirken und das Buch nicht erscheinen kann (NZZ-Titel: «Zensurversuche von Freikirchlern»).

…gegen die «umstrittene Freikirche»

Wie viel Augenmass Medien haben, zeigte sich im Januar: Eine Mutter, die für ihr Kind einen Kitaplatz suchte, fand auf der Liste der Stadt eine Kinderkrippe der ICF-nahen Stiftung ACTS. Dass die ACTS-Homepage das ICF-Logo nicht enthielt, ärgerte sie – «20 Minuten» nahm dies zum Anlass für eine Geschichte über die «umstrittene Freikirche» und fragte die Online-Leser, ob die Stadt eine «ICF-Krippe subventionieren soll». (Die meisten Leser klickten auf: «Nein, auch wenn die Kinder nicht mit der ICF-Doktrin in Berührung kommen».)  Laut Linder genügen christliche Kitas den umfangreichen kommunalen Anforderungen. Die Kita gebe es seit fünf Jahren, sagt der Jurist, der den Stiftungsrat präsidiert. Auch muslimische Kinder würden betreut und noch nie habe eine Mutter «Indoktrinierung» kritisiert.

Datum: 16.02.2013
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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