Wie christliche Lehrer dem Druck auf die Schule begegnen können

Matthias Kägi

Der Primarlehrer und Heilpädagoge Matthias Kägi appelliert an seine Kollegen, ihre geistlichen Ressourcen einzusetzen, aber nicht alles perfekt machen zu wollen. Kägi arbeitet zu 50 % als Vernetzer in der Pädagogikarbeit der Vereinigten Bibelgruppen (VBG).

Bausteine: Matthias Kägi, was fordert nach Ihrer Erfahrung heutige Lehrpersonen vor allem heraus?
Matthias Kägi: Wenn eine Lehrperson ihre Aufgabe im christlichen Sinne als Dienst an werdenden Menschen versteht, dann ist dieser Beruf sehr schön, aber auch sehr anspruchsvoll. Man ist in der Begegnung mit Kindern täglich, stündlich und minütlich als ganzer Mensch mit seiner ganzen Präsenz gefordert. Viele geraten damit schon bald an den Rand ihrer Kräfte. Ein Versagen kann nicht so leicht als Teilversagen wahrgenommen werden, sondern viel eher als Versagen des ganzen Menschen. Das ist bedrohlich. Da ist die Gefahr gross, die Vision zu vergessen und sich auf die Forderungen zu konzentrieren, die von aussen an einen herangetragen werden.

Wie kann eine Lehrperson diesen Teufelskreis durchbrechen?
Sie muss einsehen, dass dieses Verhalten zum Verlust der eigenen Identität und Motivation führt. Sehr zu denken gegeben hat mir der Austausch mit Lehrern aus England anlässlich der EUReca-Konferenz diesen Sommer. In diesem Land werden alle Schulen jährlich geprüft und die Leistungen mit einer Rangliste in der Zeitung veröffentlicht! Das erzeugt einen derartigen Druck, dass eine junge Christin, die ihre Lehrerlaufbahn voller Enthusiasmus begonnen hatte, schon nach einem Jahr eingestehen musste, dass ihr einziges Ziel in der Schule sei, ihre Kinder durch die Examen zu bringen!

Was kann eine christliche Pädagogikarbeit Lehrerinnen und Lehrern geben?
Mein zentrales Anliegen ist, dass Christen, die als Lehrer und Lehrerinnen arbeiten, die Freude und Überzeugung für ihren Beruf behalten und so auch als „ansteckende Christen“ in den Schulen bleiben. Ich glaube, dass die Botschaft von Jesus Christus – wahre Liebe – damals wie heute zentral ist, und dass deshalb die Schule wahre Christen nötig hat. Also Menschen, die sich bewusst sind, dass sie nicht selber die Liebe erzeugen müssen, sondern dass sie sich diese Liebe von Christus schenken lassen müssen und dürfen, und dass sie sich in ihrem Handeln von ihm leiten lassen wollen. Es sind Christen, die nicht nur einen „erlösten Eindruck machen“ (Nietzsche!), sondern auch erlöst sind – von ihrer Angst um sich selbst, von ihren Sorgen ums Überleben, von der Bürde ihrer Schuld. Sie haben einen Halt, eine Orientierung, eine ansteckende Freude, die nicht aus äusseren Umständen kommt.

Ist „Liebe“ in der heutigen Schule nicht ein etwas heikler Begriff? Was meinen Sie konkret?
Doch – weil er so viel missbraucht worden ist, und weil er sofort die Assoziation zu sexuellen Übergriffen weckt. Wenn wir aber das Wort im biblischen Sinn verstehen, wird klar, wie zentral es im ganzen Leben und besonders auch in der Schule ist. „Wenn ich allen Glauben und alle Erkenntnis habe, aber keine Liebe, so bin ich nichts“ (Paulus). Wer hat das nicht selbst in der Schule erfahren! Welche Lehrer haben uns positiv beeinflusst? Doch jene, die liebevoll waren – und das heisst nicht etwa weich oder farblos oder grenzenlos. Aber wir waren ihnen wichtig, und sie haben uns ernst genommen.

Rechnen Sie da mit konkreten Auswirkungen?
Kürzlich erzählten an einer Tagung junge „Secondos“ von ihren Erfahrungen in der Schweizer Schule. Es fiel auf, dass alle ihren Erfolg auf eine Person zurückführten, von der sie besondere Zuneigung und Unterstützung erfahren hatten. Auch in meiner Arbeit als Heilpädagoge erlebe ich immer wieder, wie Kinder wieder aufblühen, die sich aufgegeben haben. Ich bete jeden Morgen darum, dass Gott mir die Liebe und die Weisheit gebe, den Kindern das zu vermitteln, was sie brauchen.

Was raten Sie den Lehrern und Lehrerinnen?
Widersteht der Versuchung, eure Kräfte als Alleskönner zu verheizen! Behaltet stattdessen den weiten Blick für die Vision, Gottes Liebe weiterzugeben – „wer an mich glaubt, aus dem werden Ströme lebendigen Wassers fliessen“, sagt Christus (Joh 7,38).

Website: www.bibelgruppen.ch/beruf_paed_index.html

Datum: 11.02.2004
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Bausteine/VBG

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