Oase im zerbombten Viertel

Sarajevo

Sarajevo. Bis Mitte der neunziger Jahre war Sarajevo Kriegsschauplatz. Die serbische Armee hatte die bosnische Hauptstadt eingekesselt und beschossen. Eine junge Generation aus Muslimen, Orthodoxen und Katholiken erlebte Grausamkeit und Zerstörung, und sie besitzt bis heute wenige Zukunftsperspektiven. Das evangelikale Kairos-Center versucht, das zu ändern.

Wie eine Oase in der Wüste sieht das von Baptisten betriebene Kairos-Center in Sarajevo aus. Der Altbau saniert, ein schicker Neubau angefügt, alles in einem frischen rosa gestrichen. Zwei Häuser weiter steht die ausgebrannte Ruine eines katholischen Nonnenkonvikts, dem Gebäude auf der anderen Strassenseite fehlt seit einem Granateneinschlag immer noch das Dach. Dieses Stadtviertel am Hang hatte die serbische Armee während des Bürgerkriegs erobert und kontrolliert.

Bibliothek und Bibelgesellschaft

Das Kairos-Center in dem frisch renovierten Haus dient als geistliches Zentrum. Ursprünglich hatte hier nur die Baptistengemeinde – die älteste auf dem Balkan – ihren Versammlungsraum. Heute beherbergt es auf seinen 600 Quadratmetern zusätzlich die Zentrale der bosnischen Bibelgesellschaft, eine englischsprachige Bibliothek, die kleine Bibelschule der Baptisten, Übernachtungsmöglichkeiten für bis zu 40 Gäste und Mitarbeiter sowie Küche und Cafeteria.

Was junge Leute brauchen

In der 400.000-Einwohner-Stadt, die vor allem mit dem Wiederaufbau beschäftigt ist und in der deutsche Soldaten zusammen mit anderen Nationen im Rahmen des SFOR-Einsatzes versuchen, ein neues Aufzüngeln ethnischer Konflikte sofort zu ersticken, kümmert sich kaum jemand um junge Leute. Das ist Tomislav Dobutovic aufgefallen, dem Pastor der Baptistengemeinde, der mit seinen 28 Jahren selbst noch Teil der jüngeren Generation ist. Deshalb hat er die Arbeit des Kairos-Zentrums begonnen und Angebote geschaffen. Englisch-Unterricht zum Beispiel, an dem derzeit 120 Schüler teilnehmen. Oder Sportgruppen, die sich künftig auch im ehemaligen Olympia-Zentrum treffen werden. Berufsbildende Seminare, die die Chancen auf dem desolaten Arbeitsmarkt erhöhen. Durch die Angebote kommen viele Menschen ins Kairos-Center, die ansonsten ihren Fuss nicht über die Schwelle eines evangelikalen Hauses setzen würden.

Zentrum mit Modellcharakter

Die Mitarbeiter vertiefen die entstehenden Beziehungen mit ihren Gästen durch Gespräche im Café des Zentrums. In einer wöchentlichen Studiengruppe steht die Botschaft der Bibel im Mittelpunkt, was vor allem mit den teilnehmenden Muslimen zu heissen Diskussionen führt. Wenn sich junge Leute für ein Leben als Christ entscheiden, werden sie auf Wunsch in die Gemeinde aufgenommen. Tomislav Dobutovic ist so ermutigt von der grossen Nachfrage, die das Kairos-Center erlebt, dass er die Gründung weiterer solcher Zentren für Bosnien und andere Balkanstaaten ins Auge fasst.

Deutscher “Geburtshelfer“

Ohne Hilfe von aussen wäre das Zentrum in Sarajevo schwer in die Gänge gekommen. Der Löwenanteil zur Finanzierung des Gebäudes stammt aus einer Kollekte, die bei der Evangelisation Pro Christ 2000 gegeben wurde und von der 133.000 Euro an das Kairos-Center gingen. Den Kontakt hergestellt hatte der Balkan-Beauftragte der Europäischen Evangelischen Allianz, Johannes Neudeck (Puscine/Kroatien). Der aus Mannheim stammende evangelische Theologe sitzt dem christlichen Werk “Hilfe konkret“ vor und arbeitet seit mehr als acht Jahren im ehemaligen Jugoslawien. Infolge seines Engagements sind insgesamt rund 230.000 Euro alleine nach Sarajevo geflossen. Für die grossen Herausforderungen, vor der die Christen in der bosnischen Metropole stehen, ist das allerdings noch viel zu wenig.

Tomislav Dobutovic ist inzwischen so etwas wie ein evangelikaler Botschafter seiner Region. Und dass man Sarajevo im Jahr 2003 wieder zu einem Übertragungsort von Pro Christ machen wird, ist angesichts der Geschichte des Kairos-Zentrums fast schon Ehrensache.

Datum: 10.09.2002
Autor: Marcus Mockler
Quelle: idea Deutschland

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