Gerangel um Quest

Die angebliche Angst vor der mangelhaften akademischen Bildung

Die 16 reformierten Landeskirchen im Konkordat wollen zusammen mit den Fakultäten in Basel und Zürich ein Quereinsteigerstudium aufgleisen. Doch nun stellt sich die Theologische Fakultät Zürich plötzlich quer. Braucht die Kirche gute Seelsorger und Prediger oder Akademiker im Pfarramt? Ein Kommentar von Fritz Imhof.
Prediger auf der Kanzel
Livenet-Redaktor Fritz Imhof

Den reformierten Kirchen in der Schweiz droht baldiger Pfarrermangel. Schon jetzt haben es Gemeinden schwer, gut qualifizierte Pfarrpersonen für eine Vakanz zu finden. Mit einem Quereinsteigerstudium (Quest) soll dem Mangel begegnet werden. Während die Berner Fakultät und mit ihr die reformierte Kirche Bern-Jura-Solothurn bereits ein solches Studium anbieten, tun sich die übrigen Landeskirchen, die in einem Konkordat zusammenarbeiten, schwer. Ein Studienkonzept, das notabene zusammen mit den Fakultäten erarbeitet wurde, ergab zwar die grundsätzliche Unterstützung aller 16 beteiligten Kantonalkirchen sowie der theologischen Fakultät Basel. Aber die Zürcher Fakultät stellt sich quer und verlangt wesentliche Nachbesserungen.

Die Hürden für Interessierte des Quest liegen hoch. So muss ein interessierter Ingenieur für das Pfarrerstudium bei Quest bereits einen Abschluss in Hebräisch und Griechisch haben, bevor er nur schon einsteigen kann. Und wenn er das vierjährige, zum Teil berufsbegleitende Studium absolviert und ins Pfarramt einsteigen kann, muss er sich noch fünf Jahre weiterbilden. Das ist aber für einzelne Kirchen noch nicht genug. Der Aargauer Kirchenrat zum Beispiel schlägt vor, dass auch Latein zu den Voraussetzungen für den Pfarrerberuf gehören muss, auch für Quereinsteiger.

Die Vernehmlassung und die vorausgehende Diskussion zeigt, dass zum Teil handfeste Interessen und Konkurrenzfurcht das Projekt bremsen. Vor dem Njet der Fakultät Zürich haben bereits deren Studenten massiv gegen Quest rebelliert und ihren Widerstand damit begründet, dass die künftigen Quereinsteiger-Kollegen weniger akademisch qualifiziert seien. Der Zürcher Pfarrverein andererseits monierte, dass sich zumindest in der Region Zürich weiterhin genügend Pfarrpersonen um eine freistehende Stelle bewerben würden. Die Kollegen im Aargauer Pfarrkapitel befürchten, ihre künftigen Kollegen wiesen weniger Kompetenzen auf als sie selber. Demgegenüber verlangt zum Beispiel der St. Galler Kirchenrat, auch Quereinsteiger einzustellen, die ihr Studium zum Beispiel an der Berner Fakultät absolviert haben.

Aus Sicht einer örtlichen Kirchgemeinde, die eine gute Pfarrperson braucht, erscheinen die Querelen etwas skurril. Die Gemeinden suchen einen Pfarrer oder eine Pfarrerin, die hohe Kompetenzen in Seelsorge und Predigt aufweist, Mitarbeitende ermutigen und zum eigenständigen Mitarbeiten anleiten kann, sich im Team konstruktiv verhält und selbst einen echten und frischen Glauben lebt. Man schätzt wohl die gute Ausbildung, aber vertiefte Kenntnisse in Patristik oder Dogmatik erscheinen in der Praxis zweitrangig. Gerade Pfarrpersonen, die schon bisher auf dem zweiten Bildungsweg diesen Beruf gewählt haben, stehen weithin in einem guten Ruf. Denn sie bringen viele Qualifikationen und eine Reife mit, die frisch Diplomierten und Ordinierten oft abgehen. Haben vielleicht die Studierenden an der Uni Zürich letztlich Angst, gegenüber den Quereinsteigern bei Stellenbewerbungen im Nachteil zu sein?

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Informationen zum Theologiestudium in der Schweiz

Datum: 09.05.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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