Ist der archäologischen Beweis für Salomos Tempel erbracht?

Die Schrift auf der Tafel ist für Wissenschaftler gut lesbar.

Jerusalem. Die Diskussion geht weiter. In Israel ist möglicherweise der bisher wichtigste archäologische Beweis für die Existenz des Salomonischen Tempels aufgetaucht (wir berichteten bereits darüber). Dies würde die Behauptung von Moslems widerlegen, auf dem Tempelberg in Jerusalem habe nie ein jüdischer Tempel gestanden. Nach Angaben israelischer Medien sind Geologen überzeugt, dass eine schwarze Steintafel mit einer zehnzeiligen Beschreibung von Reparaturarbeiten am Tempel aus dem 9. vorchristlichen Jahrhundert stammt. Die Inschrift schildert die Entlohnung von Bauarbeitern und entspricht den Angaben im 2. Buch der Könige (Kapitel 12, Vers 15f). Auftraggeber war König Joas, der in Juda von 840 bis 801 v.Chr. regierte. Während mehrmonatiger Untersuchungen stellten die Wissenschaftler des Geologischen Instituts der Bar-Ilan-Universität in Jerusalem fest, dass die Steintafel mehrere hundert Jahre im Freien an einer Mauer angebracht war. Das Israel-Museum, dem die Tafel zuerst angeboten wurde, bezweifelt die Echtheit des Fundes. Sollte die Tafel jedoch echt sein, wäre sie nach Ansicht von Gabriel Barkai, einem führenden Archäologen der Bar-Ilan-Universität, eine Sensation und könnte der bisher bedeutendste archäologische Fund in Jerusalem und Israel überhaupt sein.


KOMMENTAR

Sensation oder Fälschung?


Johannes Gerloff

Entweder ist es die Sensation der Jahrtausends oder eine der besten Fälschungen aller Zeiten: Ein schwarzer Stein, 20 mal 30 Zentimeter gross, auf dem altphönizische Schriftzeichen eingemeisselt sind. Wenn der Fund echt ist, wäre er der wichtigste archäologische Beweis für die Existenz des jüdischen Tempels von König Salomo. Dies würde die Behauptung von Muslimen widerlegen, auf dem Tempelberg in Jerusalem habe nie ein jüdischer Tempel gestanden. Die Inschrift auf dem Stein wird dem judäischen König Joas zugeschrieben, der im neunten Jahrhundert vor Christus gelebt hat. Das zehn Zeilen lange Fragment berichtet von der “Renovierung des Hauses” und erinnert an die Sanierung des salomonischen Tempels durch König Joas. Erwähnt wird die Aufforderung des Königs an die Priester, öffentliche Gelder für die Bauarbeiten zu verwenden, sowie der Kauf von Bauholz und behauenen Steinen. Ein Satz aus 2. Könige 12 Vers 16 wird vollständig zitiert: “Auch brauchten die Männer nicht Rechnung zu legen, denen man das Geld übergab, dass sie es den Arbeitern gäben, sondern sie handelten auf Treu und Glauben.” Wenn das Werk vollendet sei, so der letzte Satz der Inschrift, werde “der Herr sein Volk mit Segen schützen”.

Positive Karbontests

Mitarbeiter des Geologischen Instituts am Nationalen Ministerium für Infrastruktur des Staates Israel haben die Inschrift jetzt als authentisch bezeichnet. Karbontests hätten ergeben, dass die Sandsteintafel tatsächlich 2.800 Jahre alt sei. Shimon Ilani, Amnon Rosenfeld und Michael Dvorchik, der Cheftechniker des Instituts, legten erste Ergebnisse von elektromikoskopischen Untersuchungen vor. Die Forscher wollen winzige Goldtropfen auf dem Stein entdeckt haben, die nur durch einen Brand mit grosser Hitze entstanden sein können. Demnach könnte die Steintafel tatsächlich ein Teil des Salomonischen Tempels gewesen sein, der im Jahr 586 vor Christus von den Babyloniern zerstört wurde. Eine Artikelserie mit detaillierten Forschungsergebnissen ist in Arbeit.

Geheimer Fundort

Bislang geben die Wissenschaftler nicht preis, wo der Stein gefunden wurde. Anonymen Quellen der hebräischen Tageszeitung “HaAretz” zufolge soll er bei illegalen Grabungsarbeiten der Palästinenser auf dem Tempelberg gefunden worden sein. Später sei das Fragment dann bei einem Antiquitätensammler in Jerusalem aufgetaucht, der von Rechtsanwalt Yitzhak Herzog vertreten wird, einem ehemaligen Kabinettssekretär und Knessetkandidaten der Arbeitspartei. Der Antiquitätensammler soll den Fund dem Israel-Museum zum Kauf angeboten haben. Kuratoren des Museums wollten sich zwar nicht festlegen, dass die Inschrift eine Fälschung sei, lehnten das Angebot aber ab. Die Archäologin Eilat Mazar von der Hebräischen Universität in Jerusalem betont: “Der Markt ist voller Fälschungen von bester Qualität.”

Erste ausserbiblische Bestätigung eines biblischen Berichts

Gabriel Barkai, einer der führenden Archäologen der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan bezeichnete den Stein als Sensation, sollte er sich als echt erweisen. Möglicherweise handle es sich um den wichtigsten archäologischen Fund aller Zeiten in Israel, weil er die erste ausserbiblische Bestätigung ihrer Art eines biblischen Berichts sei. Hauptproblem bei der Verifizierung ist nach Ansicht Barkais die Tatsache, dass die Umstände und der Ort des Fundes im Dunkeln liegen. Abgesehen vom Indiz für die Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift wird dieser Fund als Untermauerung des jüdischen Anspruchs auf den Tempelberg gewertet. Führende moslemische Geistliche bestehen auf ihrer Behauptung, auf dem Haram a-Sharif, wie sie den Tempelberg in Jerusalem nennen, habe niemals ein jüdischer Tempel gestanden. Adnan Husseini, Direktor des islamischen “Waqf”, der Behörde, die den Tempelberg verwaltet, wies alle Vermutungen, die Tafel sei dort gefunden worden, als unbegründet zurück.

Muslime verweigern den Zugang

In den vergangenen Jahren haben Bauarbeiten der Muslime auf dem Tempelberg zu Kontroversen geführt. Neben verschiedenen Renovierungsarbeiten baute der Waqf vor allem eine grosse Moschee im Südosten des Plateaus, in den sogenannten Pferdeställen Salomos. Infolgedessen wölbte sich seit einigen Monaten die Südmauer aus herodianischer Zeit bedenklich nach aussen. Experten warnten vor einem Einsturz. Verschiedene Bauverbote der israelischen Regierung wurden von der muslimischen Verwaltung, die alleinigen Anspruch auf das Gebiet erhebt, missachtet. Führende Archäologen befürchten, dass Reste der jüdischen Tempel bewusst vernichtet werden. Seit Ausbruch des neuen Palästinenser-Aufstandes im September 2000 verweigern die Muslime allen Juden, auch Archäologen, den Zutritt zum Tempelberg. Aus Sorge um gewalttätige Proteste der islamischen Welt hat sich Israel bislang gescheut, die Anweisungen durchzusetzen.

Datum: 20.01.2003
Quelle: idea Deutschland

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