«Jeder Mensch kann Design in der Natur erkennen»

Siegfried Scherrer

Der Mikrobiologe Siegfried Scherer ist überzeugt, dass es einen Schöpfer des Lebens gibt. Warum, erklärt er im Interview.

Professor Scherer, 150 Jahre nach Darwin ist die Frage nach dem Ursprung des Lebens keine Frage mehr. Oder doch?
Siegfried Scherer:
Es ist ein grosser Irrtum, wenn wir glauben, wir wüssten, was Leben ist. Es gibt unglaublich viele Fragen allein auf der wissenschaftlichen Ebene. Und ich habe den Eindruck, je mehr wir erforschen, desto mehr Fragen kommen auf.

Die Evolutionstheorie kann hier nur auf eine bestimmte Art Fragen antworten. Denn nur, weil ich biologisch erklären kann, was und wie der Mensch ist, weiss ich noch lange nicht, was der Mensch wirklich ist. Wir sind ja viel mehr als eine Ansammlung von Molekülen. Woher kommt der Geist, was ist die Seele?
Hinzu kommt, dass die Evolutionstheorie erhebliche Lücken aufweist, selbst an den Stellen, die man naturwissenschaftlich untersuchen kann. So wissen wir zum Beispiel nicht, wie durch einen natürlichen Prozess biologische Information neu entstehen können sollte.

Ist damit Darwins allgemein anerkannte Theorie zur Entstehung des Lebens hinfällig?
Sagen wir es so: Einerseits sind viele Erkenntnisse Darwins bis heute gültig. So lässt sich beispielsweise auf der mikrobiologischen Ebene im Laboratorium Evolution im Kleinen beobachten. Und es ist gar nicht so einfach zu beantworten, wie weit eine solche Evolution denn nun gehen oder nicht gehen kann.

Für Charles Darwin war es zu seiner Zeit wohl eine nahe liegende Erklärung, dass sich die Prozesse, die er im mikrobiologischen Bereich beobachtet hatte, auch auf die Entstehung des Lebens im Gesamten übertragen liessen, wenn nur die Zeiträume lang genug wären.

Die entscheidende Frage bei all dem ist aber, ob durch Evolutionsprozesse etwas gänzlich Neues, also neue Konstruktionen und ein Zuwachs an Information entstehen kann. Auf der Makroevolutions-Ebene kann ich persönlich eine Entstehung neuer Arten nicht erkennen.

Da sind Sie nicht allein. Immer mehr Wissenschaftler weltweit scheinen sich zu fragen, ob die Entstehung des Lebens allein natürliche Ursachen hat.
Dass erhebliche naturwissenschaftliche Schwächen der Evolutionstheorie existieren, haben in der Tat einige Wissenschaftler inzwischen bemerkt. Etliche von ihnen haben sich der Intelligent Design-Bewegung angeschlossen. Und die hat wirklich starke, sachliche Argumente. Mit denen fordert sie die Evolutionsvertreter heraus, indem sie sagt: «Ihr versprecht viele Dinge, die ihr nicht halten könnt. Lasst uns einmal darüber reden.»

Dennoch sind kritische Anfragen an die Evolutionstheorie in der Regel unerwünscht. Wieso eigentlich?
Hier kommen mehrere Faktoren zusammen. Zunächst einmal ein ganz menschlicher: Wenn ich eine Theorie aufgestellt habe, dann möchte ich, dass sie stimmt. Keiner gibt gerne zu, dass er falsch liegt.

Was aber viel schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass es bei der Frage nach Evolution oder Schöpfung um fundamentale, existenzielle Sinnfragen geht. Es ist auch für einen Wissenschaftler eine wichtige Frage, ob er von einem Gott geschaffen wurde oder ob er das Produkt eines Naturprozesses ist. Und immer, wenn weltanschauliche Dinge im Hintergrund stehen, wie es bei der Evolutionstheorie leider oft der Fall ist, kommt es schnell dazu, dass man den anderen nicht mehr gelten lassen will. Man stellt plötzlich Absolutheitsansprüche bis dahin, dass überhaupt keine Kritik mehr erwünscht ist.

Und holt zum Gegenschlag aus: Die Intelligent Design-Bewegung, so Kritiker, sei im Grunde nichts anderes als ein sich wissenschaftlich gebender religiös motivierter Kreationismus. Stimmt das?
Das ist eine Unterstellung. Der Kreationismus schliesst jede andere Deutung als eine Schöpfung durch Gott von vorneherein kategorisch aus. Das tun Intelligent Design-Vertreter nicht. Viele von ihnen rechnen ausserdem mit längeren Entstehungszeiträumen als die Mehrheit der Kreationisten. Die religiöse Motivation ist für Intelligent Design-Vertreter nicht der Ansatz ihrer Forschung, sondern die wissenschaftliche Sachlage. Längst nicht alle ihre Vertreter sind Christen oder anderweitig religiös verankert.

Es ist einfach so, dass immer mehr Wissenschaftler auf der rein naturwissenschaftlichen Ebene auf Phänomene stossen, die sich rein materialistisch nicht erklären lassen, sondern vielmehr auf einen intelligenten Designer des Lebens hinweisen.

In diesem Zusammenhang hört man immer wieder das Schlagwort von «nicht reduzierbaren Mechanismen». Was genau ist das?
Ein solcher Mechanismus hat eine sehr komplexe Struktur, die aus vielen Teilen aufgebaut ist. Und wenn ich nur eins dieser Teile wegnehmen würde, ginge die gesamte Funktion verloren. Unser Blutgerinnungsmechanismus ist zum Beispiel ein solcher nicht reduzierbarer Mechanismus.

Von diesen komplexen biologischen Maschinen gibt es unzählige in unserem Körper. Und es ist sehr schwierig, die natürliche Entstehung einer solchen Struktur evolutionistisch zu erklären, weil diese sich nicht durch Selektion entwickeln kann, weil alles auf einmal da sein muss, um auch nur die minimalste Funktion zu ermöglichen. Allein die Existenz solcher Mechanismen stellt eine ernsthafte naturwissenschaftliche Anfrage an die Evolutionstheorie dar, die uns hier bislang eine Antwort schuldig bleibt.

Francis S. Collins, der Direktor des Human-Genom-Projekts, nennt die DNA «die Sprache Gottes». Inwieweit stärkt die Genom-Forschung die Annahme eines intelligenten Schöpfers?
Als man in den 1950ern die DNA entdeckte, dachte man: «Jetzt wissen wir, wie genetische Information codiert wird und bald können wir auch erklären, wie sie entstanden ist.» Das war dumm. Okay, fairerweise muss man sagen, dass das damals erstmal eine gewisse Logik zu haben schien, weil man dem Phänomen genetischer Information auf einer erklärbaren materiellen Stufe näher gekommen war und es daher nahe liegend war zu glauben: «Jetzt haben wir es!»

Doch im Laufe der Jahre stellte sich heraus, dass man durch die Entdeckung der DNA und der Makromoleküle eben auch die evolutionären Entstehungsprozesse viel kritischer beleuchten konnte.

Heute wissen wir: Die DNA ist nicht das Leben. Der Mensch ist nicht bloss ein DNA-Molekül, der Mensch ist eine Ganzheit. Das war eine der ganz grossen Enttäuschungen der Genom-Forschung, dass wir eben immer noch nicht wissen, was der Mensch ist, bloss weil wir seine Gene lesen können. Stattdessen haben sich viele, viele weitere fundamentale Fragen aufgetan.

Und woher kommt nun die Information?
Als Naturwissenschaftler muss ich sagen: Ich weiss es nicht. Als Christ aber sage ich: Gott ist ein genialer Schöpfer! Diese Informationen kommen aus seiner Hand.

Als Naturwissenschaftler wissen Sie es nicht?
Naturwissenschaftler haben sich darauf geeinigt, mit ihren durchaus beschränkten Methoden nach natürlichen Ursachen für beobachtbare Phänomene zu suchen. Das ist unser Job. Und wenn ich diese nicht finde, darf ich als Naturwissenschaftler nicht zwingend darauf schliessen, dass ein Gott seine Hand im Spiel hatte. Da kann ich nur sagen: «Ich kann es auf Grund der Faktenlage nicht experimentell belegen. Ich könnte zwar die These aufstellen. Aber ob sie wahr ist oder nicht entzieht sich der letzten naturwissenschaftlichen Erkenntnis – das bleibt eine Glaubenssache.»

An dieser Stelle hat die Intelligent Design-Bewegung in der Vergangenheit sicher Fehler gemacht, weil einige ihrer Vertreter sie inklusive des Rückschlusses auf Gott als eine naturwissenschaftliche Alternative zur Evolution dargestellt haben. Das ist sie aber nicht, sobald sie die rein die natürlich-naturwissenschaftliche Argumentationsschiene verlässt. Das muss klar formuliert werden, sonst gibt es Probleme.

Andererseits ist die Naturwissenschaft nicht der Nabel der Welt, dass sollte jedem Naturwissenschaftler klar sein. Es gibt andere Wissenschaften – wie zum Beispiel die Philosophie – die gute und logische Argumente für einen Schöpfer liefern.

Nehmen wir einmal an, die naturwissenschaftliche Forschung findet in Zukunft weitere Daten, die für die Existenz eines Schöpfers sprechen. Kann das allein Menschen überzeugen, wenn es um die Frage nach Gott geht?
Das glaube ich nicht. Der Mensch ist nicht so. Wenn ich bedenke, das Menschen gesehen haben, wie Jesus Tote auferweckt hat – da müsste die Sache doch eigentlich geklärt sein, oder? Ist sie aber nicht.

Wenn jedoch an dieser Stelle der Zweifel eines Menschen sitzt, glaube ich, können ihn die Argumente des Intelligent Design dazu führen, dass er weitere Fragen stellt. Hinzu kommt, dass jeder Mensch die intuitive Fähigkeit besitzt, Schönheit, komplexe Strukturen und Design in der Natur zu erkennen. Dazu muss man kein Biologe sein.

Jeder, der eine Blume oder einen Schmetterling sieht, spürt, dass hier etwas im Spiel ist, das den Naturprozess übersteigt. Es ist ein intuitives Wahrnehmen der Schöpfungsherrlichkeit. Meiner Meinung nach ist es das, was in der Bibel im Römerbrief gemeint ist, wo es heisst, dass wir Gottes Existenz an der Schöpfung wahrnehmen können.

Natürlich kann man diese Art des Erkennens in sich abtöten oder zurückdrängen, aber dennoch ist sie in jedem Menschen als Möglichkeit vorhanden. Darum sprechen selbst meine Kollegen aus der Biologie von den «Wundern der Evolution» und den «Wundern der Natur», von Strukturen, die genauso aussehen, als wären sie mit einer Absicht konstruiert worden.

Glaube und Wissenschaft sind also keine Gegensätze?
Wer glaubt, muss nicht seinen Verstand an der Garderobe abgeben. Und doch ist Glaube nicht einfach nur verstandesmässiges Erkennen. Ich hatte früher viel mit geistig behinderten Menschen zu tun, die rein intellektuell nicht viel erfassen konnten und die trotzdem einen ganz tiefen Glauben hatten. Glaube ist in dem Sinne nicht abhängig von Wissen, Intelligenz und Verstand, er ist viel grösser.

In der Bibel im Hebräerbrief steht im elften Kapitel: «Durch den Glauben erkennen wir, dass die Welt durch Gottes Wort erschaffen worden und dass das Sichtbare aus dem Unsichtbaren entstanden ist.» Letzten Endes kann ich das Schöpfungshandeln Gottes nicht einfach auf naturwissenschaftlichen Weg erschliessen. Der Glaube begreift auf einer anderen Ebene. Das Zentrum des christlichen Glaubens ist die Auferstehung Christi und von daher geht es zu Christus als dem Schöpfer. Das sollten wir nicht vorschnell mit naturwissenschaftlichen Fragen vermischen, sondern den Kern des Glaubens im Zentrum behalten.

Link zum Thema: Mehr über Gott erfahren

Datum: 12.12.2008
Autor: Sabine Müller
Quelle: Neues Leben

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