Das Universum und Gott

Für Astrophysiker scheint die Entstehung und Entwicklung des Universums naturwissenschaftlich erklärbar zu sein. Dennoch bekennen sich gerade in jüngster Zeit viele Forscher als religiös. Für sie passen Gott und moderne Kosmologie zusammen.
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Geo Wissen

Für den Menschen ist der Kosmos seit jeher so überwältigend wie rätselhaft, dadurch aber auch eine Projektionsfläche für Sehnsüchte und Ängste. Und wer in das Weltall schaut - ob mit blossem Auge oder High-Tech-Teleskop - blickt in die Unendlichkeit, zum Anbeginn der Zeit.

In einer Spezialausgabe von „Geo Wissen“ wird darüber spekuliert, was das Universum im Innersten zusammenhält. Auf 180 Seiten atemraubende Fotos aus den Tiefen des Alls; entführt zu Forschern, die dem Rauschen des Urknalls lauschen - und dabei bisweilen ein göttliches Wirken spüren.

Unterschiedliche Wahrnehmung

Wenn der Heidelberger Astronom Klaus Meisenheimer das nächtliche Firmament betrachtet, so das „Geo-Magazin“, findet er den Anblick zwar faszinierend, doch sieht er nichts Göttliches im All. "Die Schwärze des Himmels, das Gefühl, unendlich weit sehen zu können, ist eine ausserordentlich schöne Erfahrung", sagt er, "aber mehr auch nicht."

Ganz anders erlebt sein ehemaliger Doktorand Eduard Thommes, der am Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg forscht, den Blick in das glitzernde Gefunkel. Er bekennt: "Wenn ich abends hinausgehe und in den Sternenhimmel schaue, dann spüre ich etwas Göttliches; ich fühle mich geborgen und geführt von einem persönlichen Gott." Obwohl die beiden Forscher von ihren gegenteiligen Auffassungen wussten, haben sie darüber nie miteinander geredet. Astrophysiker unterhalten sich eher über rationale Fragen, über Techniken der Beobachtung oder über die Plausibilität wissenschaftlicher Theorien. Fragen nach Gott zu stellen gilt offenbar als zu persönlich.

Das Unerklärbare

Ist Eduard Thommes mit seinem Glauben an einen kümmernden, liebenden Gott ein Relikt aus jener Zeit, in der Schöpfer und Gestirne gemeinsam gesehen wurden? Und vertritt sein Doktorvater die modernere, aufgeklärte und rationale Einstellung zum Glauben? Auf den ersten Blick mag dies so erscheinen, tatsächlich aber beziehen viele Astronomen auch das Unerklärbare in ihre Sicht der Welt ein.

In früheren Jahrhunderten hatten selbst die bedeutendsten europäischen Naturwissenschaftler kein Problem damit, göttliches Wirken und die Gesetze der Natur als miteinander vereinbar zu empfinden: Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton und selbst Einstein - sie alle waren gläubig.

Den Schöpfer pensioniert?

Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hielten immer mehr Astrophysiker Gott für überflüssig. Mit der Theorie des Urknalls wurde die Entwicklung des Kosmos von seiner Geburt an verstehbar. Alles schien sich nach rein physikalischen Gesetzen zu vollziehen. Der Astronom und erklärte Atheist Carl Sagan stellte 1988 fest: "Für einen Schöpfer bleibt nichts zu tun."

Doch seit einigen Jahren kommt es unter den Naturwissenschaftlern zu einer Renaissance des Religiösen. Im April 1992 verkündete ein amerikanisches Astrophysiker-Team, es habe Schwankungen in der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung entdeckt und damit die frühesten Strukturen des Universums, nur 380.000 Jahre nach dem Urknall. Auf einer Pressekonferenz liess sich Teamchef George Smoot zu den Worten hinreissen: "Dies waren die ursprünglichen Samen, aus denen sich alle heutigen Strukturen entwickelt haben. Wenn man religiös ist, bedeutet das, Gott zu erblicken."

Die Existenz von Materie ist ein Wunder

Naturwissenschaftler gehen schon seit einiger Zeit Hinweisen auf die Existenz eines übernatürlichen Wesens nach, etwa die Physiker Paul Davies ("Der Plan Gottes") und Frank Tipler ("Die Physik der Unsterblichkeit"). Tipler ist sogar überzeugt, mit physikalischen Mitteln belegen zu können, dass es einen Gott, einen Himmel, eine Hölle und die Wiederauferstehung von den Toten gibt. Dabei degradiert er die Theologie - wenn sie nicht blanker Unsinn sein solle - kurzerhand zu einem Teilgebiet der Physik.

Eduard Thommes kann Tiplers These nichts abgewinnen: "Seine Interpretation ist sehr weit hergeholt. Tipler meint, er könne Gott mit der Physik beschreiben, doch das ist unmöglich. Das kann die Physik nicht leisten." Dem stimmt auch Arnold Benz vom Institut für Astronomie der ETH Zürich zu, der ebenfalls von der Existenz eines Schöpfers überzeugt ist. Benz hält zudem wenig von einem Gottesbegriff, der dort weiterhelfen soll, wo das physikalische Wissen an Grenzen stösst: "Gott ist kein Lückenbüsser."

Wenn sich Gott aber weder physikalisch beweisen lässt noch als Erklärung dessen dienen soll, was die Naturwissenschaft nicht mehr zu begreifen vermag - wie begründen Astrophysiker dann ihren Glauben?

"Die Naturwissenschaft hat Methoden entwickelt, mit denen sie erfolgreich einen Teil der Wirklichkeit beschreiben kann - aber eben nur einen Teil", erklärt Martin Federspiel, der am Planetarium der Stadt Freiburg das Wissen vom Weltall verständlich präsentiert. "Daher kommt die Naturwissenschaft auch nur zu bestimmten Antworten." Antworten auf Fragen, wie Geist und Materie zusammenhängen oder warum die Naturgesetze so sind und nicht anders, könnten, so Federspiel, die Naturwissenschaften nur gemeinsam mit der Philosophie und der Theologie suchen: "Da diese aber methodisch anders vorgehen, haben die Antworten auch eine andere Qualität."

Gekürzter Auszug aus „Geo Wissen“, ein Magazin, das in der der Geo-Reihe halbjährlich verschiedene Wissenschaftsbereiche in spannenden Text- und Fotoreportagen veranschaulicht.

Die Ausgabe 33, "Urknall-Sterne-Leben - Die Geheimnisse des Universums", ist im Handel erhältlich, hat 180 Seiten und kostet 8 Euro.

Vom Atheist zum Gläubigen: Lesen Sie morgen im zweiten Teil, wie Wissenschaftler durch ihre Arbeit zu Gott finden.

Datum: 06.05.2004

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