Vom BIR ins Hotel

«Ich wünsche mir, dass wir Flüchtlingen Arbeitsplätze anbieten können»

Rund vier Jahre lang leistete Kathrin Anliker Pionierarbeit in der Beratungsstelle für Integrations- und Religionsfragen (BIR) der SEA-Arbeitsgruppe AGR. Nun widmet sie sich einer anderen Aufgabe: Zusammen mit ihrem Verlobten Dany Misho pachtet sie das Hotel Alpina in Kandersteg – mit diesem bleibt sie der Flüchtlingsthematik erhalten. Livenet unterhielt sich mit Kathrin Anliker über ihr bisheriges Wirken sowie den beruflichen Wechsel.
Kathrin Anliker und Dany Misho im Hotel Alpina

Livenet: Kathrin Anliker, Sie haben die BIR verlassen, um das Alpina in Kandersteg zu übernehmen – wie ist es dazu gekommen?
Kathrin Anliker: Ich spürte schon einige Monate, dass ich weiterziehen werde. Mein Verlobter, er ist diplomierter Hôtelier, und ich träumten davon, uns gemeinsam in ein sinnvolles Projekt zu investieren, worin wir uns an Menschen verschenken können. Wir rechneten jedoch nicht damit, dass uns bereits vor der Hochzeit ein Hotelbetrieb anvertraut wird. Doch nachdem er ins Blaue gekündigt hatte und ich meinen Vorgesetzen bereits über meine mögliche baldige Neuorientierung informierte, kam dieser unvergessliche Anruf. Der ehemalige Chef von meinem Verlobten, Kari Bieri, vom Hotel Ermitage in Kandersteg, offerierte uns die Betriebsleitung des Hotel Alpina, welches in Partnerschaft mit seinem Hotel Ermitage in Kandersteg geführt werden könnte. Dieser Anruf veränderte alles, Gedanken kreisten und Pro und Contra wurden diskutiert. Aus Überzeugung, dass Gott uns nach Kandersteg ruft, sagten wir zu.

Bei der BIR leisteten Sie Pionierarbeit, was sind die wichtigsten Punkte, die erreicht wurden?
Gemeinsam mit dem Team erarbeiteten wir Strukturen, Stellungnahmen und Lösungsansätze, welche den Hilfesuchenden heute zugutekommen. Zudem sammelten wir breite Erfahrungen zu Integrations- und Religionsfragen, auf welche unsere Beratungen heute aufbauen. Ich freue mich sehr, dass mein Nachfolger François Pinaton die BIR nun weiterentwickeln darf, auf seine Art.

Nun leiten sie ein Hotel – war es ein Jugendtraum, ein solches Haus zu übernehmen?
Was wenige Leute in meinem Umfeld wissen ist, dass ich mir als etwa 16-Jährige einmal überlegt habe, was ich gerne machen würde, wenn ich alle Berufsmöglichkeiten der Welt hätte. Damals bin ich auf «Camping führen» gekommen. Warum? Gastgeberin sein, einfache respektive nicht-luxusorientierte Gäste bedienen, Verantwortung übernehmen und jeden Tag Einblick in Menschenleben erhalten. Zwar hatte ich diesem Traum kaum noch Beachtung geschenkt, doch ich schmunzle darüber, wie das Leben seinen Weg nimmt.

Sie arbeiten nicht mehr bei der BIR, aber Sie bleiben dem Thema Asylsuchende und Flüchtlinge in Ihrer neuen Tätigkeit erhalten; inwiefern?
In meiner Arbeit in der BIR wurde ich mit der Ungerechtigkeit und dem Leid auf dieser Welt stark konfrontiert. Dies öffnete mir meine Augen für Menschen, die bedrängt und verfolgt werden, insbesondere auch aufgrund ihres persönlichen Glaubens an Jesus. Für betroffene Menschen möchte ich mich weiterhin engagieren, beispielsweise in der Kulturschule. Dort vermitteln wir Personen aus dem Asylbereich kulturelles Know-How vom ersten Tag in der Schweiz bis in den ersten Arbeitsmarkt. Ich wünsche mir auch, dass wir im Hotel Alpina Flüchtlingen Arbeitsplätze anbieten können, damit mehr Flüchtlinge sprachlich, sozial und beruflich integriert sind in der Schweizer Gesellschaft.
 
Was planen Sie ausserdem mit dem Alpina, gibt es weitere zum Beispiel diakonische Projekte?  
Wir wünschen uns, dass das Alpina ein Ort der Erholung ist für unsere Gäste, auf körperlicher, geistlicher und seelischer Ebene. Wir wollen uns zur Verfügung stellen, um Menschen Gutes zu tun hier in Kandersteg. Nebst Individualgästen wünschen wir uns auch, Gruppen beherbergen zu dürfen. Mit 26 Zimmern und 45 Betten eignet sich das Hotel ebenfalls für Retraiten, Seminare oder Camps.

Was packen Sie nun in den nächsten Monaten an und was sind Ihre langfristigen Ziele?
Hier ist festzuhalten, dass «Hotel übernehmen» so gross klingt und im Sinne von «pachten» oder gar «Eigentümer sein» eine Nummer zu gross für uns gewesen wäre. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir von der Hotel Ermitage AG angestellt sind, mit Führungskompetenzen und somit Mutter und Vater vom Hotel Alpina in Kandersteg sein dürfen.

Das erste, was wir gemacht haben, – bei Schnee und kaltem Wind – ist, Ordnung und Übersicht schaffen. Was haben wir, was brauchen wir, was wollen wir und was hat Priorität. Nun sind wir daran, unsere Marketingstrategie zu optimieren und erste Erfahrungswerte für Evaluationen zu sammeln. Wir sind offen für das, was kommt, doch den Menschen Gutes zu tun und Erholung zu bieten wird immer unser Ziel bleiben.

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Datum: 04.08.2017
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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