«Die grösste Illusion der Welt»

Porno-Aussteigerin kritisiert Sexbranche

Sie hat in der Porno-Branche alles erlebt: Drogen, Alkohol und zwei ungewollte Schwangerschaften. Von Gott bekommt Shelley Lubben zunächst keine Antworten. Wie sie dennoch den Ausstieg aus der Szene schafft, beschreibt sie in ihrem Buch «Pornographie. Die grösste Illusion der Welt».
Shelley Lubben
Cover von Shelley Lubbens Buch

Angefangen hat es damit, dass Shelley Lubben sich prostituiert. Gelandet ist sie in der Porno-Industrie. Zunächst erlebt sie Bewunderung für ihre Arbeit. Doch die Illusion, in dem Geschäft Akzeptanz und Liebe zu erfahren, platzt schnell. Ihr Innerstes ist und bleibt leer.

Die Kindheit verbringt Lubben in Pasadena in Kalifornien. Sonntags besucht sie mit ihren Eltern den örtlichen Gottesdienst. Mit neun Jahren wird sie von einem Freund ihrer Schwester sexuell belästigt. Sie sehnt sich nach Liebe, aber diese bekommt sie in ihrer Familie leider nicht. Ihre Mutter nörgelt ständig. Shelley bemüht sich, Aufmerksamkeit zu erlangen.

«Für mich bist du tot»

Als Teenager ist sie häufig frustriert und zornig. Ihre Eltern setzen ihr kaum Grenzen: «Keinen interessierte, dass ich mit 16 Jahren ein Alkoholproblem hatte», schreibt sie. Sie fliegt zu Hause raus. Der Satz des Vaters bleibt haften: «Für mich bist du tot.» Ihr Abstieg beginnt. Sie geht zunächst in Strip-Clubs, um ihr Leben zu finanzieren und prostituiert sich: «Ich lernte, Sex zu tauschen – gegen Kleidung, Schmuck und Möbel.»

In ihren ersten 14 Monaten als Prostituierte wird sie zwei Mal ungewollt schwanger. Das schnelle Geld, dass sie sich in der Pornoindustrie erhofft, ist hart verdient und hinterlässt Wunden. Sie gerät in einen Teufelskreis und wird vieler Illusionen beraubt. «Denn wenn im Pornofilm eine Schauspielerin stöhnt, dann ist es vor Verzweiflung», betont Lubben. Die Branche arbeite entwürdigend und es finde keine angemessene Aufklärung statt. Sie macht aus ihr ein kaputtes, dreckiges Mädchen: «Ich lebte ein verrücktes, unanständiges, unreines, unbeschreibliches Leben», schreibt sie.

Vergebung lernen

Lubben findet zunächst nicht den richtigen Zeitpunkt, um auszusteigen. Gott, den sie immer noch im Hinterkopf hat, gibt ihr auch keine Antworten. Am Tiefpunkt angelangt, mit Alkohol- und Drogenproblemen sowie Genital-Herpes, wird sie schliesslich gläubig. Ein Aha-Erlebnis hat sie, als sie das Lied «Last Chance» von Duran Duran hört. Mit 26 Jahren gelingt ihr der Ausstieg.

Gesucht und gefunden hat sie Gott, weil sie sonst niemanden hatte, dem sie vertrauen konnte. Der Glaube wird zum wichtigsten Bestandteil ihres Lebens. Lubben merkt, dass Gott auch in den Tiefen des Lebens für sie streitet: «Und er wusste, wie sehr ich ihn brauchen würde». Die bisherige Karriere begleitet sie noch bis in ihre Träume, aber sie lernt Vergebung. Sie möchte Gottes Plan für ihr Leben umsetzen: «Jeden Gedanken, der nicht gut war, legte ich in Gottes Handschellen.»

Privat findet sie mit ihrem Mann Gary das Glück. Sie beginnt ein Theologiestudium und schreibt auf, was sie erlebt hat an Sklaverei und Ausbeutung. Lubben erhebt jetzt ihre Stimme für die Opfer und kämpft sie gemeinsam mit dem Anti-Porno-Aktivist Charles M. Calderon gegen die Gefahren der Pornografie. Mit ihrem Mann gründet sie das Projekt «Pink Cross», das Pornodarstellern helfen soll, aus der Sexindustrie auszusteigen.

Schonungslos offen und ehrlich

Lubbens Buch ist schonungslos offen und ehrlich. Dass sie alle schlechten Erfahrungen ihres Lebens Satan und nicht auch ihren Lebensumständen und eigenen Entscheidungen in die Schuhe schiebt, klingt sehr befremdlich. Auch die Methoden, mit denen sie gegen die Sex-Branche vorgeht, sind gewöhnungsbedürftig – etwa denn, wenn sie sieben Mal um einen Messestand des Erotikmagazins Huster marschiert und anschliessend einen Siegesschrei ausstösst. Aber vielleicht kann nur jemand so vehement sein, der selbst betroffen war. Das Buch wird sicher nicht jedermanns Geschmack sein, aber es ist ein kleiner Einblick in eine riesige Branche, die Milliarden umsetzt – und auch über Leichen geht.

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Datum: 14.09.2016
Autor: Johannes Weil
Quelle: PRO Medienmagazin

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