«Sie haben mein Leben wieder lebenswert gemacht»

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zu Zweit

Besen bauen Brücken. Das beweist Walter Bachmann und sein Team. Gratis und in den Ferien wischen sie die Strassen von Jerusalem. Die Reaktionen bleiben nicht aus.

In den letzten Tagen berichteten wir über die freiwilligen Strassenkehrer aus der Schweiz. Organisiert werden die Wischeinsätze in Israel vom Messianischen Center St. Gallen. Wir sprachen mit Walter Bachmann, dem Leiter dieser Einsätze.

Daniel Gerber: Wie kommt man dazu, in Jerusalem Strassen zu wischen? Ihr Wohnort wäre da sicher näher gelegen?
Walter Bachmann: Weil Jerusalem die Stadt des grossen Königs ist, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Es hängt aber auch mit unserer Geschichte gegenüber den Juden zusammen, wie sich das Christentum ihnen gegenüber verhalten hat. Im Römerbrief heisst es, wir sollten die Juden auf Jesus neugierig machen, und im Buch Jesaja, wir sollten sie trösten. St. Gallen ist dafür nicht der richtige Ort. Strassenwischen in Jerusalem dagegen setzt ein Zeichen und schafft Berührungspunkte mitten im Alltag.

Wie haben Sie diese Idee umgesetzt?
Angefangen haben wir mit Gebetsreisen und so genannten Trostdiensten. Wenn wir einem Juden begegnet sind, haben wir ihn angesprochen und ihm ein Präsent auf Hebräisch gegeben, eine Schrift mit Jesaja 40,1, diesem Aufruf zum Trösten. Wir haben sie ermutigt und ihnen gesagt, dass der Gott Israels mit ihnen ist.

Dann wollten wir etwas Praktisches dranhängen. Zuerst dachten wir an Renovationsarbeiten. Aber dann kam die Idee mit dem Wischen auf. Tom Hess kannte jemand von der Stadtverwaltung. Dort fand man das sehr gut, vor allem weil damals, im Jahr 1994, gerade das Jahr «des sauberen Israel» war. Sie baten uns dann, wiederzukommen.

Im Basketball-Europacup wollte heuer ein Team nicht in Israel gegen die israelische Mannschaft antreten. Wenn jemand nicht kommt, hat das etwas Ablehnendes und Verletzendes. Wir aber sind gekommen.

Was hat man in Jerusalem dazu gesagt, dass da ein paar Schweizer die Strassen in ihrem Land noch etwas sauberer haben wollten?
Das ist ein heisses Eisen. Nach wie vor ist die Schweiz als sauberes Land bekannt. Wir mussten die Leute also langsam überzeugen, dass wir nicht da sind, um ihnen zu zeigen, wie man besser putzt. Das Ganze ist aber auch prophetisch. Jesus hat am Kreuz unseren Dreck weggenommen. Im neuen Jerusalem wird es keinen Dreck mehr geben. Und ausserdem zeigen wir damit, dass wir uns selber reinigen wollen von allem Antisemitismus. Es geht uns nicht darum, ein Projekt durchzuziehen, sondern Freundschaft zu erweisen als ganz einfache, mitfühlende Christen.

Das Wischen ist ein Dienen und eine Brücke. Häuser-Renovieren wurde nicht unsere Arbeit, sondern offiziell Strassewischen. Die Stadtverwaltung bringt uns ein grosses Vertrauen entgegen. Sie wissen, dass wir von den Leuten zu einem Tee eingeladen werden und von unserem Glauben Zeugnis geben. Sie wissen aber auch, dass wir das nicht missionarisch missbrauchen.


Was erleben Sie jeweils dabei?

Meistens erleben die Frauen mehr als die Männer. Dass Frauen wischen ist ungewöhnlich.

Im orthodoxen Viertel schaut man uns nicht an. Aber einmal erlebte ich, dass ein ganz in Schwarz gekleideter Orthodoxer kurz mit uns gesprochen und uns gedankt hat, obschon das seinen geistlichen Prinzipien zuwiderlief.

Eines der speziellsten Erlebnisse hatte einst eine Frau, die bei einer Bushaltestelle am Wischen war. Eine Jüdin kam und sagte zu ihr: «Du machst genau das, was Jesus getan hat: Er ist gekommen und hat den anderen die Füsse gewaschen.» Sie erzählte das dann den anderen an der Bushaltestelle.: Hier sei eine Schweizerin, die «nicht gegen uns ist»! Andere suchen manchmal die Strassenwischer auf, um mit ihnen zu sprechen.

Auf einem Heimflug sass ich einmal neben einem Mann, der mich fragte, was ich in Israel getan hätte. Ich erklärte es ihm. Er erzählte dann, er habe als 16jähriger Auschwitz überlebt und dann dann auch alle Kriege mitgemacht, in die Israel seitdem hineingezogen wurde. Zwischendurch stockte unser Gespräch. Zuletzt sagte er eine Weile gar nichts mehr. Ich dachte, ich hätte ihn womöglich verärgert. Dann sagte er zu mir: «Junger Mann, sie haben mein Leben wieder lebenswert gemacht.» Da musste ich weinen.

Inzwischen ist dies fester Bestandteil Ihrer Arbeit. Was tun Sie sonst noch?
Wir führen eine Gemeinde, nämlich das Messianische Center St. Gallen. Wir sind also auch eine Gemeinde. Wir hoffen, dass sich unser Auftrag noch erweitert. Aber wir packen nicht einfach an, damit wir etwas tun.

Im Herbst 2005 führen wir eine 40tägige Kurzbibelschule in Jerusalem durch. Sie gründet auf Lehre und Begegnungen. Eine Art Auszeit vor Gott.

Wir sind verbunden mit dem Werk «Hope for the Nations» und sind auch in Afrika tätig, zum Beispiel im Sudan. Dort gibt es übrigens Christen, die glauben, dass sie einst nach Jerusalem ziehen werden, und sich dafür auf Jesaja 45,14 stützen.

Sie wischen bereits in diesem Jahr wieder, vom 2. bis 16. Oktober. Wie sehen Sie dem Ganzen entgegen?
Wir stehen in der Endphase der Vorbereitungen, und ich freue mich immer aufs neue. Noch sind aber keine Männer dabei. Bei diesen Reisen habe ich selber viel Segen erhalten, von daher wünsche ich, dass mehr Männer mitmachen. Frauen sind da, wie so oft, einen Schritt schneller.

Wir werden wieder Siedlungen besuchen. Das hinterlässt bei den Leuten jeweils einen tiefen Eindruck. Es ist übrigens ein Jubiläum, da wir das nun seit zehn Jahren machen. Ich bin gespannt, was wir erleben. Jede Reise hat ihre Eigendynamik, je nachdem, welche Türen aufgehen.

Wenn jemand mitkommen will, was muss er tun?
Uns anrufen, möglichst rasch. Je früher wir das wissen, desto besser.

Die Leute bezahlen ja für die Reise und machen dies in ihren Ferien. Haben Sie vor zehn Jahren damit gerechnet, dass überhaupt jemand da mitmacht, geschweige denn, dass das zur Tradition wird?
So weit haben wir gar nicht studiert. Wir waren auch nie eine riesige Gruppe; meistens so 10 bis 30 Leute. Die Erlebnisse und Echos der Teilnehmer waren gut. Wir haben dann einfach von einer Reise zur nächsten weitergeplant. Einmal waren wir zu sechst, aber die nächste Reise war dann wieder gut besucht. Das, was jeweils dabei abläuft, bestätigt unsere Arbeit.

Die Jerusalemer Stadtverwaltung hat uns eingeladen. Solange wir also wischen können, bleiben wir auch dran.

Walter Bachmann leitet die Einsätze. Seit 1997 ist er Gemeindeleiter im messianischen Center St. Gallen (MCS). Bachmann ist zudem Leitungsmitglied des Vereins «Hope for the Nations». Dieser wurde 1994 durch Hanspeter und Anita Vogt gegründet, seit 2003 gehört der Verein zum messianischen Center.

Die Wischeinsätze organisiert das Messianische Center St. Gallen (MCS), dem auch der Verein «Hope for the Nations» angegliedert ist.

Noch in diesem Jahr wird ein weiterer Strassenwischeinsatz organisiert: vom 2. – 16. Oktober 2004. Geputzt wird während einer Woche, die übrige Zeit sind Ferien. Infos für Interessierte unter: 071 279 14 87.

Datum: 20.09.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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