Pfarrer Reverend Kevin Madigan asu Manhattan

„Was fange ich mit meinem zweiten Leben an?"

Ich wusste, ich muss sterben!" Doch Pfarrer Kevin Madigan kam davon.

Der schlimmste Tag, den Manhattan je erleben sollte, begann ganz anders. "Ein wunderschöner Morgen, mit klar blauem Himmel und einer frischen Brise vom Meer. Es war perfekt."

Reverend Kevin Madigan ist Pfarrer an jener Niederlassung Gottes, die dem World Trade Center am nächsten lag, der katholischen St. Peter's Church. Er hatte gerade die letzte Beichte abgenommen, "die üblichen menschlichen Sünden", als der herrliche Tag zur Katastrophe kippte. Madigan lief hinaus, um zu helfen. In dem Moment starb sein Kollege: "Father Judge, der Feuerwehrkaplan, spendete gerade einem Sterbenden die letzte Ölung, als er von Trümmern erschlagen wurde. Er war nicht der erste Tote, aber der erste, dessen Personalien bekannt waren." Judge wurde später in St. Peter's aufgebahrt.

Hätte sich Madigan nicht vorbeugend gefragt, wohin er flüchten könnte, wenn - undenkbar genug - ein Turm kippt, würde heute eine Handvoll Menschen weniger leben. Denn wenige Sekunden später implodierte der erste Tower; blindlings fand Madigan den eingeprägten Weg in den Metro-Eingang und schrie ständig "Hierher, hierher!" Mehrere Polizisten und Feuerwehrleute folgten den Rufen.

Dann zitterte die Erde, begleitet von einem Staubsturm. Der Reverend war sicher: "Jetzt muss ich sterben! Es war wie ein persönlicher Weltuntergang." Doch er und seine Begleiter überlebten. "Man fragt sich schon: Warum wurde mein Leben geschont? Im Chaos nach links oder rechts zu flüchten, bestimmte über Leben und Tod! Aber es ist wohl nicht entscheidend, nach dem Warum zu fragen, sondern, was ich mit dem zweiten Leben anfangen will."

Zu tun gibt es genug: Ein Fahrwerkteil des ersten Flugzeuges hatte das Kirchendach durchschlagen, der Boden war mit Trümmern und Staub bedeckt. Auch die St. Joseph's Kapelle am Hudson wurde zerstört, von der Polizei, die dort ihre Einsatzzentrale einrichtete, alle Möbel herausriss, Leitungen verlegte und Lagepläne an die Wände malte. Die Schäden zahlt die Versicherung. Sogar Speisekarten des Restaurants "Windows on the World" waren auf die Kirche geflogen, und Schreibtischfotos von lachenden Frauen und Kindern der Büroangestellten: "Das hat mich besonders getroffen."

Einen Sinn in dem Ganzen gibt es nicht. Und doch: "Manchmal muss etwas untergehen, bevor ein neuer Same aufbricht. So hat dieser Akt des Bösen Solidarität und Mitgefühl zwischen den Menschen hervor gebracht. Oder der neue Patriotismus: Der ist nicht chauvinistisch-imperialistisch wie früher so oft, sondern ein Symbol des Zusammenhaltens."

Jetzt kämpft Madigan dafür, dass das in den Trümmern aufgetauchte Kreuz auf seinem Kirchengrund aufgestellt wird. Dass es nicht - wie angedacht - die WTC-Gedenkstätte dominieren kann, ist ihm klar: "Die Opfer kommen aus 89 Nationen, Christen, Juden, Moslems, Hindus und viele andere. Aber im Sterben waren alle gleich."

Datum: 11.09.2002
Quelle: KIPA

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