Den zukünftigen Partner „biblisch“ umwerben

Warten auf den ersten Kuss
Den zukünftigen Partner biblisch
Zukünftiger Partner

Romantischer könnte die Umgebung für einen Heiratsantrag nicht sein: Auf dem Turm einer Burg kniet sich Oriel O'Gorman hin, um Heather Pardee zu bitten, seine Frau zu werden. Um das junge Paar herum flackern Kerzen im Wind, der kalte Steinboden ist mit Rosenblättern bestreut. Zum ersten Mal sagt er ihr, dass er sie liebt.

Fast könnte die Szene aus einem Liebesroman von Rosamunde Pilcher stammen. Doch da hören die Ähnlichkeiten auch schon auf. Denn obwohl sich die beiden Amerikaner Oriel und Heather seit mehr als einem halben Jahr kennen, haben sie sich noch kein einziges Mal geküsst. Damit warten sie, bis sie in der Falls Baptist Church im US-Staat Milwaukee gemeinsam vor den Traualtar treten.

Biblisches Umwerben

Die beiden gehören zu einer Gruppe junger Evangelikaler in den Vereinigten Staaten, die sich bewusst für das «biblical courtship» entschieden haben, das biblische Umwerben. Das nach streng festgelegten Regeln ablaufende Werben um den Heiratspartner schreibt vor, dass beide auf körperlichen Kontakt vor der Ehe verzichten. Die Paare halten vor der Vermählung noch nicht einmal Händchen. Sie treffen sich ausschliesslich im Beisein von Familienmitgliedern, die auf die Einhaltung der Regeln achten.

Die Eltern von Heather und Oriel haben deren Ehe keineswegs arrangiert. Es war Oriel, ein Theologiestudent, der sich zunächst mit der Bitte um Beistand an den Oberpastor seiner Kirche wandte. Pfarrer Wayne Van Gelderen suchte dann Heathers Vater auf und teilte ihm mit, ein junger Mann wolle gern gegen Ende des Semesters mit dem Werben um seine Tochter beginnen.

Bei der Semester-Abschlussfeier trat Oriel dann vor und bat Heathers Eltern um die offizielle Erlaubnis, sie kennenlernen zu dürfen. Nach Rücksprache mit Oriels Vater, einem Pastor einer protestantischen Baptistenkirche in Nordirland, wurde es dem Paar schliesslich gestattet, sich im Beisein anderer zu treffen. Sechs Wochen später verlobten sie sich während einer Bibelkonferenz auf Schloss Castlewellan in Nordirland.

Andere Priorität

Für die Grundschullehrerin Heather war schon immer klar, dass sie auf den einen Mann in ihrem Leben warten wollte: «Ich wusste, dass mir Gott auch in dieser Frage den Weg weisen würde», sagt sie. Für Oriel war Heathers tiefe Religiösität ausschlaggebend: «Ich fühlte mich nicht wegen ihrer körperlichen Attraktivität zu ihr hingezogen, obwohl sie ohne Zweifel sehr attraktiv ist, sondern weil sie eine innige Beziehung zu Gott hat», sagt der junge Mann, der nach Beendigung seines Studiums wie sein Vater Pastor in Nordirland werden möchte.

Das biblische Werben sei «radikal anders und auf stolze Weise altmodisch - so alt wie die Bibel», schreibt der überzeugte Baptist und Psychotherapeut Don Raunikar in seinem 1998 erschienenden Werk «Choosing God's Best». Das normale Dating schaffe dagegen eine Unzahl von Problemen: «Gebrochene Herzen, uneheliche Kinder, Abtreibungen, sexuell übertragene Krankheiten und Gefühle von Scham und Schuld, die oft ein Leben lang anhalten.»

In Büchern wie «I Kissed Dating Good-Bye» oder «Boy Meets Girl» propagieren evangelikale Autoren das traditionelle Werben um den künftigen Ehepartner. Auch Videos, die über Websites von evangelikalen Kirchen bestellt werden können, schildern die Vorzüge des «Biblical Courtship» und geben praktische Tipps zur Umsetzung.

Scheidungsrate vermindern?

Damit versuchen die Führer der religiösen Rechten, die Bastion der Ehe zu retten. Denn trotz vieler frommer Sprüche ist die Scheidungsrate unter Amerikas weissen Evangelikalen, die etwa 26 Prozent der Bevölkerung ausmachen, keineswegs niedriger als im Landesdurchschnitt. In den vergangenen zehn Jahren leisteten Millionen von jungen amerikanischen Evangelikalen den «True Love Waits»-Eid und gelobten damit, bis zur Hochzeit keinen Sex zu haben. Eine landesweite Studie ergab jedoch, dass 88 Prozent ihren Eid nach kurzer Zeit brachen.

Natürlich sei es gut, wenn junge Menschen Kontakt zu anderen jungen Menschen hätten, sagt Pastor Joshua Harris, dessen Buch «I Kissed Dating Good-bye» sich bereits eine Million Mal verkaufte: «Ich bin jedoch der Meinung, dass sich Menschen nicht immer gleich romantisch ausprobieren müssen. Es muss doch nicht immer eine enge, Eins-zu-eins-Liebesbeziehung sein, um sich gegenseitig kennen zu lernen.»

Ähnlich sieht dies auch der Baptist Scott Croft, der in seiner Gemeinde in Washington DC Seminare zum biblischen Werben gibt. Beim normalen Dating sei oft schon sexuelle Intimität gegeben, bevor sich ein Gefühl der Verantwortlichkeit dem Partner gegenüber einstelle, sagt Croft. «Beim biblischen Umwerben kommt zunächst die Verantwortung und dann die Intimität.»

Datum: 18.03.2006
Quelle: Epd

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