Für Eltern behinderter Kinder

Dinner for Joy – ein ganz besonderes Abendessen

Manuela und Jonas Meyer aus Winterberg ZH kennen die Herausforderung eines Lebens mit einem schwerbehinderten Kind aus eigener Erfahrung. Nun möchten sie anderen Eltern eine Freude machen. Sie laden zu einem speziellen Nachtessen ein: dem Dinner for Joy.
Jonas und Manuela Meyer
Yael Joy Meyer
Familie Meyer

Manuela Meyers erste Schwangerschaft war unauffällig, die Geburt verlief gut und nach wenigen Tagen auf der Neonatologie durften ihr Mann Jonas und sie ihr Kind mit nach Hause nehmen. Erst Monate später zeigte sich, dass sich Yael Joy nicht wie erwartet entwickelte. Sie fixierte nichts mit den Augen und konnte ihr Köpfchen nicht halten. «Anfangs konnte ich es nicht glauben, ich wollte nicht, dass es wahr ist, was die Ärztin uns sagte», erzählt Manuela. Doch mehr und mehr erkannten die Eltern, wie schwerwiegend Yaels Behinderung war, und ein grosser Schmerz stellte sich ein. Yael konnte kaum etwas sehen, würde nie laufen können und sich sehr langsam entwickeln. Schwere epileptische Anfälle machten erreichte Fortschritte wieder zunichte. Zweieinhalb Jahre später erfuhr das Ehepaar Meyer den Grund der Beeinträchtigungen. Yael Joy hatte einen schweren Gendefekt.

Selbstlose Liebe

«Ich liebte Yael und entwickelte eine Beziehung zu ihr, wie ich sie zu keinem anderen Menschen je hatte», sagt Jonas Meyer. Er begann, auch minime Zeichen des Kindes wahrzunehmen und sich daran zu freuen. «Wenn ich nach Hause kam, schnalzte ich mit der Zunge, dann lachte Yael», erzählt er. Dies genügte und der Vater war glücklich. Auch Manuela lernte, mit den besonderen Herausforderungen umzugehen, die ein pflegebedürftiges Kind mit sich bringt. Ihr Mädchen war völlig auf sie angewiesen und berührte ihr Herz tief. Sie liebte dieses zarte Kind, das kaum auf ihre Zuwendung reagieren konnte. «Gut, hatten wir unsere Familien und Freunde, die uns beistanden. Sonst wäre es unerträglich gewesen», sagt sie dankbar. «Unsere Eltern liessen sich genauso auf Yael ein wie wir», bestätigt das Paar. So ging Manuelas Vater plötzlich auf andere Familien mit einem behinderten Kind zu und kam mit ihnen ins Gespräch.

Erschütterter Glaube

Dennoch wurde nicht nur ihr Alltag, sondern auch ihr Glaube erschüttert. «Wir konnten eine ganze Weile nicht mehr beten», gesteht Manuela. Auch Jonas' Glaube an einen Gott, der ihn mit Gutem versorgen würde, wurde heftig erschüttert. In dieser Zeit sprangen ihre Familien und Freunde in den Riss. Sie beteten für die jungen Eltern, brachten Essen vorbei, übernahmen einen Teil von Yaels Pflege und begleiteten die Familie auf ihrem herausfordernden Weg. «Wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, war Manuela völlig erschöpft, und ich löste sie ab», sagt Jonas. Nachts schlief die Kleine kaum mehr als drei Stunden am Stück, und sie musste per Sonde ernährt werden.

Vom Wert der Gemeinschaft

Die Eltern bekamen Unterstützung durch die Kispex (Kinder-Spitex), die IV übernahm die zusätzlichen Kosten, später auch für die Assistenz (Hilfspersonal zu Hause) von Yael. Eine frisch pensionierte Seniorin wurde ihre Nanny. Sie entlastete die Eltern an eineinhalb Tagen pro Woche, ging mit ihr in die Spielgruppe oder führte sie liebevoll zum Bach, wo sie ihre Händchen ins Wasser halten und dem Sprudeln des Wassers lauschen konnte. Jeden Freitag verbrachte Yael im Kinderheim Imago. Die hohen Kosten übernahmen Freunde, um den Eltern einen Tag Pause zu verschaffen.

Darüber reden und Hilfe annehmen

Meyers lernten ein Ehepaar kennen, dem der Tod zwei seiner drei Kinder entrissen hatte – eines wegen einer Behinderung, das andere aufgrund einer schweren Krankheit. Sie trafen sich regelmässig, erzählten, was sie bewegte und stellten Fragen. «Das half uns sehr», sagen Jonas und Manuela mit Nachdruck. Als eher schwierig empfanden sie hingegen, wenn engagierte Christen Yaels Einschränkungen «wegbeten» wollten. Die Eltern hatten die innere Überzeugung, dass Gott das nicht will.

Yael Joy ist eingeschlafen

Vor zwei Jahren ist Yael Joy gestorben. Wie es sich ihre Eltern gewünscht hatten, waren nicht sie es, die sie im Bettchen fanden. Sie hatten Yael immer wieder ferienhalber einen Tag ins Kinderheim Therapeion bringen dürfen, wo sie liebevoll gepflegt wurde. Vermutlich erlitt Yael wieder einen ihrer häufigen epileptischen Anfälle. Dabei schlief sie für immer ein.

«Das habt ihr mir getan…»

Yael hat Jonas und Manuela Meyers Leben bereichert. «Wir haben mit ihr eine wertvolle Aufgabe erhalten», sagt ihr Vater. Sie gehörte zu den schwächsten Gliedern der Gesellschaft. Diesen zu dienen, für sie zu sorgen, das sei eine Aufgabe, die Gott sich wünsche. Mehr zu tun, zum Beispiel in ihrer Gemeinde, war dem Paar in diesen Jahren nicht möglich, zumal sie noch einen kleinen Sohn bekamen. Damals meinten die Experten, die Chance, dass er am gleichen Gendefekt leide, liege um 12 Prozent. Inzwischen gehen sie von 25 Prozent aus. Nico ist gesund. Doch aufgrund dieser Prognose ist ihre Familienplanung abgeschlossen. Manuela hätte gerne mehr Kinder gehabt. Auch heute ist der Schmerz darüber noch nicht ganz überwunden. Das Paar kann sich vorstellen, ein Pflegekind aufzunehmen. Dann, wenn ihre Seelen auch bereit dafür sind.

Nicht mithelfen, geniessen!

Trotzdem entsteht etwas Neues. Jonas und Manuela Meyer haben gemeinsam mit ihren Eltern den Verein «Dinner for Joy» gegründet. Er hat zum Ziel, Eltern mit einem schwer kranken oder behinderten Kind einen erholsamen Abend zu schenken. Sie sollen Oasenmomente geniessen können, die sie selbst so geschätzt haben. «Die ersten Bekannten, die wir dazu einluden, wollten allerdings mithelfen, statt sich verwöhnen zu lassen», schmunzelt Jonas Meyer. Eltern behinderter Kinder, die die Herausforderung gemeinsam anpacken und sich nicht aufgrund von Überforderung trennen, setzen ihre Bedürfnisse offenbar nicht vorn auf die Liste. «Dabei ist das auch wichtig», betonen Jonas und Manuela Meyer. «Dinner for Joy» bietet Gelegenheit dazu. Der erste Anlass fand anfangs Mai statt, er war ein grosser Erfolg. Die Teilnehmenden waren begeistert.

Das Projekt: Dinner for Joy

Der Verein «Dinner for Joy» ist ein Team von Freiwilligen, die Eltern von Kindern mit Krankheit, Behinderung oder schweren Verletzungen ein Dinner anbieten. Die Idee dahinter: betroffenen Eltern eine kleine Tankstelle zu sein. Dafür wird ihnen ein Taxidienst zu einem Ort der Gastfreundschaft, Gemütlichkeit und Zeit füreinander angeboten. Von diesem erholsamen Moment sollen sie möglichst bis zur nächsten Tankstelle zehren können. Das nächste Essen findet im September statt. Weitere Daten werden auf der Internetseite aufgeschaltet. Das Essen ist kostenlos und soll Freude auslösen, in Erinnerung an Yael Joy (Freude). Interessierte können sich online melden.

Zur Webseite:
Dinner For Joy

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Datum: 31.07.2017
Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: idea Schweiz

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