Pro und Kontra in Fribourg

Zukunft Familie – Modell einer Werte-Revolution?!

Wie die Familie der Zukunft aussehen wird und wie deren rechtliche Bedürfnisse geregelt werden sollen, darüber wurde an der Universität Fribourg am Dienstag engagiert und kontrovers diskutiert.
SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr

Hochkarätige Fachleute aus den Bereichen Ehe- und Familienrecht, Familienforschung und Kinderschutz sowie zahlreiche Politiker erklärten ihre Standpunkte zu den vorgeschlagenen Anpassungen des Familienrechtes.

Jacqueline Fehrs Gesellschaftsvision

Den Stein ins Rollen gebracht hatte SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr. Die in der Folge von einer parlamentarischen Arbeitsgruppe in Auftrag gegebenen Gutachten sorgten nicht nur im Parlament, sondern auch in der Schweizer Öffentlichkeit für hitzige Diskussionen.

Hat die Ehe zwischen Mann und Frau, wie es Frau Dr. Andrea Büchler in ihrem Eingangsreferat darlegte, tatsächlich an Relevanz verloren und deshalb keinen unbestreitbaren Anspruch auf eine Sonderstellung mehr? Oder trifft die Aussage von Frau Susette Sandoz zu, dass eine Gesellschaft Werten, die sie als fundamental erkannt hat, unbedingt treu bleiben und diese gegen andere Ansprüche und gesellschaftliche Entwicklungen verteidigen muss?

Steht eine Werte-Revolution bevor?

Es ging bei dieser Tagung nicht um einige kleine Anpassungen, sondern um die Frage, ob die Schweizer Gesellschaft einer Werte-Revolution mit weitreichenden Auswirkungen zustimmen will oder nicht. Soll sie sich gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen und jede Form von Partnerschaft oder Zusammenleben der Ehe gleichstellen? Soll die traditionelle Familie ihren Sonderstatus verlieren? Wie soll das Familienrecht die vielfältigen Möglichkeiten der künstlichen Fortpflanzung regeln? Sollen Eizellenspende und Leihmutterschaft in der Schweiz erlaubt werden, damit auch gleichgeschlechtliche Paare sich ihren Kinderwunsch erfüllen können?

Gesellschaftliche Vielfalt und ihre Konsequenzen

Bundesrätin Simonetta Sommaruga vertrat die Ansicht, der gesellschaftlichen Vielfalt müsse Rechnung getragen werden. «Verheiratete Paare sind eine Minderheit, und die Realität erfordert eine liberale Gesellschaftspolitik. Eine Rechtsordnung soll nicht vorschreiben, wie der Einzelne zu leben hat.»

Demgegenüber plädierte der Jurist Dr. Philipp Meier leidenschaftlich dafür, sich keinen Sand in die Augen streuen zu lassen. Das Schweizer Familienrecht sei keineswegs veraltet, und die Freiheit des Einzelnen (jeder soll tun und lassen können, was er will) dürfe nicht einseitig überbewertet werden.

Ein Gesetz auch für die Kinder?

Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz empfand viele der vorgeschlagenen Massnahmen als «zu erwachsenenzentriert» und votierte dafür, dem tatsächlichen Kindeswohl absoluten Vorrang vor den Ansprüchen der Erwachsenen zu geben. «Es gibt für Erwachsene kein Recht auf ein Kind, aber Kinder haben ein unbedingtes Recht auf Elternschaft.»

Verschiedene Referenten wiesen darauf hin, dass die vorgeschlagenen Veränderungen in kleinen Schritten umgesetzt werden müssten, weil grosse Umstürze erfahrungsgemäss blockiert würden.

Dass die Tagung mehr Fragen aufgeworfen als gelöst hat, wurde von Nationalrätin Fehr als positiv gewertet. Weitere Diskussionen und Auseinandersetzungen mit dem Thema werden folgen; letztlich wird der Stimmbürger entscheiden müssen, ob er der Tendenz, das Recht den gesellschaftlichen Trends anzupassen, Vorschub leisten oder sich ihr bewusst entgegenstellen will.

Vertieft darüber nachzudenken, welches Familienrecht tatsächlich zukunftsweisend und der Schweizer Gesellschaft förderlich ist, bleibt deshalb auch nach der Tagung «Avenir Familles» eine grosse und wichtige Herausforderung.

Datum: 25.06.2014
Autor: Regula Lehmann
Quelle: Livenet

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