Frühe Pubertät

«Es klingt altmodisch, aber ...»

Forscher stellen fest, dass die Pubertät bei Mädchen immer früher beginnt. Das bringt Probleme mit sich, welche am besten in einer intakten Familie gelöst werden können.
Gruppe Jugendliche

Übergewicht und veränderte Familienstrukturen könnten der Auslöser für die verfrühte Pubertät bei Mädchen sein, stellt Elizabeth Weil in ihrem Artikel in der NZZ am Sonntag vom 3. Juni 2012 fest.

Sie zitiert dazu Julia Graber von der Universität Florida, welche folgenden Hypothese formuliert hat: «Denkbar wäre, dass frühreife Mädchen nicht so viel Zeit für ihre Entwicklung haben wie andere Mädchen. Sie sind mit neuen Herausforderungen beschäftigt, während die anderen noch in der Kindheitsentwicklung stecken ....».

Noch fehlt aber eine fundierte Erklärung für die Frühpubertät. Einige Wissenschafter bezweifelten gar, dass Mädchen mit vorzeitigem Brustwachstum überhaupt in der Pubertät sind.

Die Familienstruktur als Ursache?

Doch das Phänomen lässt sich auch nicht vom Tisch wischen. Die Erklärungsversuche reichen von frühen Veränderungen in der Hirnstruktur über die Ernährung bis hin zu sozialen Faktoren. Eine grosse Rolle spiele aber Stress in der Familie. Bei Mädchen, die ohne leiblichen Vater aufwachsen, sei die Wahrscheinlichkeit, dass sie früher in die Pubertät kommen, doppelt so hoch wie bei Mädchen, die mit beiden Eltern aufwachsen. Demgegenüber könne die Anwesenheit eines Stiefvaters Grund für eine verfrühte Pubertät sein. Umgekehrt seien soziale Probleme nicht nur Ursache für eine frühe Pubertät, sondern diese löse wiederum soziale Probleme aus.

Mütter versuchen verständlicherweise, die Pubertät ihrer Töchter auf verschiedene Weise aufzuhalten. Manche versuchen es mit sportlicher Betätigung, denn Sport sei eine der wenigen bekannten Methoden, eine frühe Pubertät zu verhindern. Andere streichen Milch und hormonbelastetes Fleisch vom Ernährungsplan. «Aber die meisten geben früher oder später auf», stellt die Autorin fest.

Natürlich reagiert die Umwelt auf die körperlichen und psychischen Veränderungen der Kinder in der Pubertät. «Das Mädchen sieht wie ein Teenager aus und wird entsprechend behandelt. Vielleicht ist es gar nicht an Sex interessiert, aber es könnte sich trotzdem dazu genötigt fühlen, doch seine sozialen Kompetenzen entsprechen denjenigen einer 10-Jährigen», stellt Frank Biro, Direktor am Kinderspital Cincinnati und Co-Autor einer Studie zum Thema fest.

Gemeinsam essen und lesen

Was sollen Eltern von Frühpubertierenden also tun? Ärzte empfehlen, vor allem auf die emotionale und körperliche Gesundheit ihrer Kinder zu achten, statt sich zu fragen, wie sie die Entwicklung aufhalten können. Es gelte, das schutzbedürftige Mädchen zu unterstützen.

«Natürlich können sie es nicht ändern, wenn ihre Tochter frühreif ist, aber sie können Einfluss auf die spätere Entwicklung nehmen», sagt dazu die Kinderendokrinologin (Spezialistin für die Wirkung von Hormondrüsen bei Kindern -Red) Louise Greenspan. Eltern könnten dafür sorgen, dass ihre Töchter sich bewegen und ein vernünftiges Gewicht haben. Sie könnten sie altersgemäss behandeln, auch wenn sie älter aussehen. «Die meisten Probleme der Frühpubertät haben mit riskantem Verhalten zu tun», sagt Greenspan, und dem können Eltern entgegensteuern. «Ich weiss, es klingt altmodisch, aber in einer intakten Familie, in der man die Mahlzeiten gemeinsam einnimmt und zusammen Bücher liest, kann man tatsächlich vieles beeinflussen.»

Geduld und Verständnis

Geduld und Verständnis seien wohl die besten Helfer. «Mit der Pubertät ist es ja so, dass jedes Mädchen sie irgendwann durchmacht», sagte eine Mutter. Vor drei Jahren brachte sie in den Schultoiletten ihrer 9-jährigen Tochter kleine Abfalleimer an, damit sie ihre Tampons diskret entsorgen konnte. Doch inzwischen sei die Tochter zwölf, ihr Körper ist ihr nicht mehr fremd. «Mir geht es viel besser und ihr auch. Noch ein, zwei Jahre, dann haben die anderen Mädchen aufgeholt.»

Eine ausführlichere Fassung dieses Artikels ist im Magazin der «New York Times» erschienen.

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Datum: 06.06.2012
Quelle: Livenet / NZZ am Sonntag

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