Kinderkriegen – ein Krieg zwischen den Paaren

Familie

Kinderkriegen – ein Krieg zwischen den Paaren? Weshalb tun sich heute viele Paare so schwer, sich für Kinder zu entscheiden? Der Tages-Anzeiger hat dazu eine gute Analyse gebracht, die nachdenklich macht. Hat sich unsere Gesellschaft in eine Sackgasse begeben?

„Er wollte nicht, sie auch nicht, mit Kindern konnten beide nichts anfangen.“ Mit diesen Worten beginnt Katrin Hafner ihren Beitrag, wo sie aufzeigt, weshalb die Entscheidung für ein Kind für moderne Paare so schwer geworden ist. Und plötzlich wünscht sich die Frau ein Kind …

Ultimatives Glücksversprechen

Bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts war alles klar: Wenn sich ein Paar verliebte, heiratete es und bekam danach Kinder. Heute ist alles anders: „Das wichtigste ist mir, beides zu haben; meinen herausfordernden Beruf und ein Kind, sagt eine Biologin. Und so sehen es heute viele andere Frauen auch. Nach Jahren der Berufstätigkeit und Partnerschaft möchte man noch ein Kind haben, aber ohne den geliebten Beruf aufzugeben. Das Kinderkriegen ist für viele Karrierefrauen das i-Pünktchen in der persönlichen Lebensplanung. Es ist nicht eine Alternative zum Beruf, sondern eine zusätzliche Herausforderung. Für viele Frauen sei „das Kinderhaben zum ultimativen Glücksversprechen“ geworden, stellt die Autorin fest.

Doch der oft einseitige Wunsch der Frau kann die Beziehung massiv belasten. Durch die moderne Verhütung und die gesellschaftlichen Veränderungen sind Kinder zum scheinbar planbaren und rational organisierbaren Event geworden, so Hafner. Und das mache die Kinderfrage für viele Paare zum fast unlösbaren Problem: man diskutiert intensiv, wägt alle Argumente pro und contra ab und spielt mögliche Szenarien durch. Man stellt sich tausende Fragen, die dann später oft nur mehr unbedeutend erscheinen.

Neues Rollenverständnis wird zum Problem

Generationen früher war die Kinderfrage gar kein Thema. Schwangerschaft und Geburt gehörten zu den normalen Ereignissen im Leben eines Paares. Die Frau pflegte den Nachwuchs, und der Mann gab sich der Erwerbsarbeit hin. Heute jedoch gibt es keine normale Biografie mehr für Frauen. Die Lebensformen sind multioptional. Seit den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat die Frau gelernt, dass man sich emanzipiert, sich organisiert und sich dann durchsetzt. Man verschafft sich Klarheit über die persönlichen Wahlmöglichkeiten und entscheidet dann – auch im Privatleben.
Die Folge: In der Schweiz gebären Frauen durchschnittlich noch 1,4 Kinder; die Geburtenrate sinkt seit Jahren. Allerdings erhöht sie sich bei Frauen im Alter von 35 bis 39 Jahren. In den letzten Jahren um über 40 Prozent. Und dies, obwohl die Fruchtbarkeit der Frau ab 35 rapide abnimmt und das Risiko steigt, ein behindertes Kind zu bekommen.

Das Problem ist, dass der Wunsch bei den Männern oft nicht zum gleichen Zeitpunkt erwacht wie bei der Frau. Das Thema Kinder kommt für Männer oft überraschend und wird manchmal stressig. Und oft braucht es längere Zeit, bis sie sich mit dem Wunsch Ihrer Frau identifizieren können.

Heute gibt es auch kaum mehr sozialen Druck auf ein Paar, sich für ein Kind zu entscheiden. Andererseits kann ein Mann heute auch im fortgeschrittenen Alter mit einer jüngeren „Lebensabschnittpartnerin“ noch ein Kind zeugen, ohne gesellschaftlich geächtet zu werden.

Kinder haben ist eine ultimative Entscheidung

Schliesslich fragt die Autorin, weshalb es vielen Paaren so schwer falle, sich für ein Kind zu entscheiden. „Wie kann es sein, dass manche Beziehung gar an der Kinderfrage scheitert?“ Die Zukunftsforscherin Karin Frick glaubt, die Kompromisslosigkeit des Themas sei das Problem: „Wenn es um Kinder geht, gibt es keine Und-und-Lösung; man kann nicht ein Kind haben und gleichzeitig kein Kind haben.“ In den meisten anderen Lebensfragen können einmal gefällt Entscheide wieder rückgängig gemacht werden. Aber nicht beim Kind, es ist etwas Definitives.

Das lange Zögern und schwere Entscheiden bei der Kinderfrage mache das Elternwerden dann zu etwas ganz Speziellem, beobachtet Katrin Hafner. Schwangerschaft und Kleinkinder würden oft richtiggehend zelebriert: Prominente wie Madonna, Demi Moore oder Melanie Winiger liessen sich schwanger für Hochglanzmagazine ablichten, und die Mode- und Werbebranche benutze Babys als Accessoires.

Das lange Zögern kann natürlich Folgen haben. Selbst wenn der Partner endlich ja sagt zum Kind, bleibt die Gefahr, dass es nicht zur Schwangerschaft kommt. Oder nicht so schnell, wie beide möchten. Laut Statistik dauert es bei jedem dritten Paar in Europa ein ganzes Jahr, bis die Frau schwanger wird. Die bereits erwähnte Biologin wird schliesslich gefragt, weshalb sie überhaupt ein Kind wolle. Sie wird mit den Worten zitiert: „Das kann ich nicht genau sagen. Und vielleicht doch: Kinder haben finde ich eigentlich etwas Bünzliges. Und trotzdem ist es wahrscheinlich das verrückteste, was man erleben kann. Ein Leben ohne Kind wäre darum wohl nur der halbe Spass.“

Allmähliche Selbstauflösung

Soweit Katrin Hafner. Fazit: Unsere Gesellschaft hat mit dem modernen Rollenverständnis vielleicht doch nicht das Ei des Kolumbus entdeckt. Die Herausforderung für christliche Denker dürfte darin liegen, der Gesellschaft Wege aufzuzeigen, welche Frauen ermutigen, sich in der richtigen Lebensphase für Kinder und Familie zu entscheiden, ohne Ausbildung und Beruf völlig ad acta legen zu müssen. Muttersein und Familienarbeit sind aufzuwerten. Diese Gesellschaft wird bereit sein müssen, den Frauen diese Auszeit zu gewähren und zu erleichtern und ihnen den späteren Wiedereinstieg in die Berufsarbeit so leicht wie möglich zu machen, indem sie die Erfahrungen aus der Familienarbeit anerkennt und honoriert. Sonst zerstört sie sich allmählich selbst, bzw. sie macht einer andern Gesellschaft mit andern Werten Platz.

Quelle: Livenet/SSF/Tages-Anzeiger

Datum: 08.11.2003
Autor: Fritz Imhof

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