Das besondere Leben einer Grossfamilie

Grossfamilie Fischer
Gerhard Fischer: Der Bauer der auch Politik macht. Schon früher, als noch beide Familien getrennt wohnten, nahm Gerhard Fischer seine soziale Verantwortung wahr. Nicht selten leben und lebten neben der grossen Familie Asylanten, Sozialfälle, Drogenabhängige oder Menschen mit psychischen Problemen in der Familie.
Bauernhaus der Familie Fischer

Eine Begegnung mit der Grossfamilie von Gerhard Fischer: Wo Vater, Mutter und zehn Kinder gleichwertige Partner sind. Es herrscht pulsierendes Leben nicht etwa in der Grossstadt, sondern auf dem Bauernhof von Gerhard und Lina Fischer in Bäretswil, auf den abgelegenen Hügeln des Zürcher Oberlandes. Durch zwei tragische Schicksale wurde die Familie zusammengeführt.

Bäretswil: Die Abendsonne wirft ihre goldenen Strahlen auf die fetten Naturwiesen, auf denen glückliche Kühe grasen. Idylle pur, filmreife Gegend. Und es scheint, als ob hier der Frieden persönlich wohnen würde. Ein paar verstreute Bauernhöfe nehmen der Landschaft die Einsamkeit. Einer der Höfe gehört Gerhard, 49, und Lina, 44, Fischer. Seit fünf Jahren wohnen sie hier mit ihren neun Söhnen, ihrer Tochter und manchmal noch anderen Bewohnern. Kaum angekommen, geht schon die Tür auf, und Gerhard Fischer steht im Türrahmen. Dahinter seine Frau.

Mistgabel und Aktenkoffer

An seinem bunten Hemd würde ich zwar nie erraten, dass Gerhard Fischer zeitlebens auf Bauernhöfen gelebt hat. Aber dafür gibt es auch eine gute Erklärung: Er ist nämlich seit drei Jahren als Kantonsrat und überdies in verschiedenen anderen politischen und auch kirchlichen Gremien tätig. Dank zweien seiner Söhne und der Mithilfe der ganzen Familie ist es Gerhard Fischer möglich, ab und zu die Mistgabel mit dem Aktenkoffer auszutauschen.

Lina, seine Frau, behält mit ihrer lebhaften und bestimmten Art die Lage des Hauses unter Kontrolle. Und Sonja, die 16-jährige Tochter, kümmert sich mit Vorliebe um den zweijährigen Simon, den jüngsten Spross der Familie. Während wir einen passenden Ort für das Familienbild suchen, scheinen sie aus allen Ritzen und Löchern des Hofes zu kommen, die zehn Kinder von Fischers.

Unfassbare Ereignisse

Die Fischers sprengen tatsächlich das Klischee einer durchschnittlichen Schweizer Familie mit eineinhalb Kindern und einem kleinen Eigenheim mit massivem Holzzaun oder einer Hecke zum Nachbarn. Und - sie glauben, was sie leben und leben, was sie glauben. Dies in einer sehr transparenten Art und Weise, wie sich im Laufe meines Besuches herausstellt. Dabei hat die Geschichte der Grossfamilie Fischer nicht mit einer Idylle, sondern mit zwei unfassbaren Ereignissen begonnen. Mit einem tragischen Unfall und einer tödlichen Krankheit.

Sowohl Lina wie auch Gerhard Fischer haben innerhalb zweier Jahre ihre Ehepartner verloren. «Als Linas Ehemann nach dem Unfall starb, sagte ich oft zu ihr, dass ich diese Situation selber kaum überleben könnte. Und anderthalb Jahre danach starb meine Frau an Krebs», erzählt Gerhard Fischer. Die beiden dunklen Ereignisse schweissten die Familien zusammen, und aus dem Eindruck, einander helfen zu wollen, entstand mehr. Vor drei Jahren heirateten Lina und Gerhard Fischer. Obwohl die Zeit des Abschiednehmens sehr hart war, staunt Gerhard Fischer noch heute darüber, dass alle seine Kinder dem Glauben an Jesus treu blieben. Das Wort des 21-jährigen Christian, der gerade einen Missionseinsatz in Costa Rica macht, damals an Mutters Grab sagt alles: «Für Mutti können wir zwar nichts mehr tun, aber der Teufel muss nicht meinen, dass wir nachgeben. Jetzt steigen wir voll ein!» Vier Wochen nach Mutters Beerdigung liessen sich vier Söhne in der Gemeinde taufen.

Grosse Hilfsbereitschaft

Wenn man mit Fischers spricht, merkt man bald einmal, dass man es mit ganz normalen Leuten zu tun hat. In der Ecke verfolgen einige Söhne im Fernsehen den Eishockey-Match Schweiz-Kanada. Martin, 11, setzt in der Zwischenzeit die Teigwaren auf den Herd. Peter, 24, versorgt das Vieh im Stall. Simon, 2, strahlt um die Wette. Und Mutter Lina versorgt in der Zwischenzeit ihre Schwiegermutter, die ein paar Höfe weiter wohnt. Das Ungewöhnliche an Fischers gewöhnlicher Familie ist, dass eine grosse Hilfsbereitschaft zu spüren ist. Schon früher, als noch beide Familien getrennt wohnten, nahm Gerhard Fischer seine soziale Verantwortung wahr. Nicht selten leben und lebten neben der grossen Familie Asylanten, Sozialfälle, Drogenabhängige oder Menschen mit psychischen Problemen in der Familie.

Ob der Vater seiner Familie aufgrund seines politischen Amtes noch zusätzliche Belastungen aufbrumme, frage ich. Doch Gerhard Fischer verneint entschieden. Die Leute, die zusätzlich zur Familie gehören, hätten diese enorm bereichert, obwohl es auch schon schwierige Momente gegeben habe.

Das Kind ernst nehmen

Die Not in der Gesellschaft und der offene Umgang damit hat die Kinder sensibilisiert, anderen zu helfen. Die Aussage eines Lehrers unterstreicht dies: «Ihr Sohn hat einen sehr ausgeprägten Sinn für das Miteinander. Das unterstützt mich sehr.» Dass Randständige bei Fischers ein Zuhause gefunden haben und somit sich selber bleiben konnten, hat für Gerhard Fischer mit einer bewussten Erziehung zu tun. «Wir haben unsere Schützlinge ernst genommen, und das ist auch für die Erziehung wichtig. Mein Kind darf wissen, das es ernst genommen wird, und dies nicht erst durch besondere Leistungen oder Verdienste.» Und bestimmt haben die Erfahrungen mit zusätzlichen Familienmitgliedern dazu beigetragen, dass die Kinder nach der Heirat von Gerhard und Lina rasch gelernt haben, aufeinander Rücksicht zu nehmen und den anderen verstehen zu lernen.

Sonntags ein Festessen

Und doch verschweigen Fischers nicht, dass es manchmal schwierig ist, für jedes Kind genug Zeit zu finden. Aber sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die einzelnen Beziehungen gut zu pflegen. Durch die Arbeit auf dem Bauernhof besteht zusätzlich die Möglichkeit, miteinander zu reden. Und dann hat der Sonntagmittag in der Familie Fischer seit jeher einen besonderen Stellenwert. Nach dem Besuch des Gottesdienstes steht das leckere Festessen auf dem Programm, an dem alle teilnehmen. Für Lina Fischer ist der Sonntagmittagstisch eine tolle Sache. Sie gibt sich Mühe, ihren Beitrag zur allgemeinen Zufriedenheit zu leisten. Dass dies nicht einfach eine gespielte Familienidylle ist, bestätigen mir sowohl Eltern als auch Kinder.

Aufregender Alltag

«Wir versuchen, als gleichwertige Partner zu leben, ob Eltern oder Kinder. Und wir möchten unsere Kinder nicht unter einen Erwartungsdruck setzen, sondern echt zueinander sein. Sie sollen merken, dass wir um ihr Wohlergehen bemüht sind», versucht Gerhard Fischer der Sache auf den Grund zu gehen. Was nicht heisst, dass auch bei Fischers schon pubertäre Ausbrüche vorgekommen sind. Im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen scheint sich die junge Elite der Fischers immer nützlich beschäftigen zu können. Langeweile hat keine Chance, dafür ist der Alltag viel zu aufregend. Peter hat Spass am Bauernberuf und bespricht sich häufig mit seinem Vater. Sonja arbeitet im Urlaub oft in einem Kinderheim, um Geld zu verdienen oder sie kümmert sich um den kleinen Simon. Und auch Unihockey, Fussball oder Ausgehen hat zwischendurch Platz.

Der Glaube hilft

Gerhard und Lina Fischer sind entschiedene Gegner eines langweiligen Christseins. Mit übertriebener Frömmlerei haben sie Mühe. «Ich glaube, der Glaube wird erst dann interessant, wenn man etwas wagt mit Gott», erklärt Gerhard Fischer. Er spricht da aus Erfahrung, denn wer würde dem beliebten Landwirt und Politiker abnehmen, dass er mal ein schwacher Junge mit Hemmungen und bescheidener Schulbildung war? Und auch Lina Fischer hat am Sarg ihres ersten Mannes erfahren, was es heisst, von Gott getragen zu werden. «Der Glaube ist eigentlich das, was das Leben ausmacht», fasst Vater Fischer nüchtern zusammen. Und dieses Leben ist sehr spannend, nicht nur für die Eltern. «Ich glaube, wir Christen gehen Probleme ganz anders an, weil wir Trost finden», sagt Sonja bestimmt. Im Moment darf sie gerade erleben, wie zwei ihrer Kolleginnen mit Fragen über den Glauben auf sie zukommen. Auch Peter ist der Ansicht, dass der Glaube an Jesus hilft und vieles einfacher macht. Er erfährt dies als Jungscharleiter immer wieder.

Wasser und Geist

Rücksichtsnahme, Hilfsbereitschaft, Solidarität, Glaube und Verbindlichkeit sind Eigenschaften, auf die ich bei meinem Besuch im Zürcher Oberland gestossen bin. Eigentlich alles Eigenschaften, von denen die Bibel sagt, dass sie Früchte des Geistes sind. Obwohl auch bei Fischers mit Wasser gekocht wird, und dieses oft brodeln kann, habe ich hier etwas von gelebtem Christsein gespürt.

Datum: 12.09.2003
Autor: Daniel Rehfeld
Quelle: Chrischona Magazin

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung