Im Gespräch mit Dozent Urs Argenton

Zuhören wenn einer aus einer anderen Perspektive erzählt

Begegnung mit dem 57-jährigen Erwachsenenbildner Urs Argenton

Er bietet Seminare für Zeitplanung an. In der eigenen Zeiteinteilung lässt er viel Raum für Menschen und für Überraschendes. Eine Begegnung mit dem 57-jährigen Erwachsenenbildner und TSC-Dozenten Urs Argenton.

"Gerade stehen, Kopf gerade halten, normal atmen - einfach sich wohl fühlen beim Reden." Das sind einige der Tipps, die Urs Argenton während eines Rhetorik-Kurses gibt. Ich treffe den diplomierten Erwachsenenbildner und die neun Studenten des Kurses in einem Unterrichtssaal. Es ist später Nachmittag. Der Kursleiter hat bereits Arbeit im Büro, die Autofahrt von Bern und ein paar Stunden Seminar hinter sich. Dennoch wirkt er konzentriert und frisch.

Im letzten Teil des Seminars spricht jeder Student kurz über ein frei gewähltes Thema. Dabei steht er vorne und wird mit der Videokamera gefilmt. Anschliessend sehen wir den Film. Urs Argenton fordert die "Redner" auf, ihren Auftritt zu kommentieren. Er selbst ist sehr motivierend. Er sagt: "Wir brauchen Ermutigung. Wir müssen merken: Wir funktionieren besser, als wir denken, und wir sind fähig, in der Öffentlichkeit etwas zu machen."

Nicht alles verplanen

Nach Ende des Unterrichtblocks nimmt sich Urs Argenton Zeit für mich. In den mindestens eineinhalb Stunden unseres Gesprächs schaut der Zeitplanmanager kein einziges Mal auf die Uhr, die er am linken Handgelenk trägt. Überhaupt ist er gegen totale Zeitplanung. "Das zerstört jede Spontaneität und macht ungemütlich." Natürlich dürfen und müssen wir fleissig sein, zielorientiert leben und Erfolg anstreben. Aber wir sollen nicht alles verplanen. Daran hält er sich selbst, denn er will Zeit haben für Interessantes und für Menschen, die etwas auf dem Herzen haben.

Im Auto aktiv

Urs Argenton ist viel unterwegs. Da er meistens eine technische Ausrüstung mit Videokamera dabei hat, ist er aufs Auto angewiesen. Auf längeren Fahrten diktiert er wichtige Dinge oder Ideen auf sein Diktiergerät - natürlich mit Freisprechanlage. Vor allem nutzt er die Zeit zum Reden mit Gott - er betet. Ein Handy wird man hier vergeblich suchen. Der Kommunikationsspezialist findet es schrecklich, stets erreichbar zu sein.

Im Sommer nimmt er wenige Termine an. Das schafft ihm Freiraum zum Vorbereiten und zur Kreativität. Geschäft und Familie hat er streng getrennt. Das erleichtert ihm das Abschalten. Wenn es um geschäftliche Dinge geht, kann er auch schon mal Druck machen, powern und ungemütlich werden. An vielen Arbeitstagen muss er von 6 bis 22 Uhr voll da sein. Oft ergeben sich auch in den Pausen noch Gespräche und Rückfragen. Er schätzt den Umgang mit unterschiedlichen Menschen. Egal ob Humanisten, Moslems, Arbeiter oder Akademiker: "Es kommt auf die Beziehung an, damit steht und fällt alles!"

Beim Nickerchen

Ich spüre dem 57-Jährigen ab, dass er extrem begeistert ist von seiner Arbeit. Welchen Beruf hat er überhaupt? Zunächst lernte er einen technischen Beruf, war Konstrukteur. Es folgte ein fünfjähriges theologisches Studium in Bad Liebenzell, auf St.Chrischona und in London. Eine dreijährige Ausbildung als Erwachsenenbildner schloss er mit Diplom ab.

Jetzt leitet der das eigene Institut für Kommunikation und Erwachsenenbildung "Impuls" bei Bern. Sein Ziel: Gute Weiterbildung für alle, das lebenslange Lernen fördern. Er bietet seine Kurse in finanziell vernünftigem Rahmen an, damit sie für alle erschwinglich sind. Seine Kursteilnehmer sind sowohl Menschen in Leitungsfunktionen als auch Studenten, Schichtarbeiter oder Angehörige von Dienstleistungsorganisationen

Der Vielbeschäftigte fühlt sich nicht Burnout-gefährdet. Wie tankt er auf? "Ich habe gelernt, mich 15 Minuten hinzulegen und zu entspannen. Danach bin ich erholt." Ausserdem ist er überzeugt vom biblischen Prinzip "6 + 1". Der Sonntag ist arbeitsfrei. Da steht für ihn ohne Frage der Gottesdienst auf dem Programm. Häufig predigt er selbst.

Die Familie ist ihm wichtig. Er wandert gerne, besucht seine Mutter und die Schwiegereltern oder die Familien der beiden verheirateten Töchter. Seine Vorliebe gilt guten Büchern und angeregten Diskussionen. Auch mit Spielen kann man ihn begeistern. Je älter er wird, desto mehr spürt er: "Der Sonntag bringts!"

Bis ans Lebensende

Mit seiner Frau Rita ist er seit 34 Jahren verheiratet. Sie ist eine selbständige Frau. Halbtags arbeitet sie in einem Büro, engagiert sich in der Schulkommission und ist Präsidentin einer Ortspartei. Zurzeit besucht die 56-Jährige die einjährige Handelsschule. Ihr Mann ist überzeugt davon: "Jeder ist lernfähig bis ans Lebensende! Lernen ist nicht ein Problem des Gehirns, sondern der Einstellung."

Ehemaliger Atheist

Urs Argenton ist sicher, dass Veränderung nicht primär durch Worte und Überzeugungsarbeit geschieht, sondern vor allem durch eine Berührung Gottes. Mein Gesprächspartner war als junger Mann Atheist und politisch links aussen. Mit Worten und Diskussionen war er nicht für den Glauben zu gewinnen. Was ihn überzeugt hat, war die Übereinstimmung vom Leben und Glauben einzelner Christen. Ihn beeindruckte, wie Jesus konkret in ihrem Leben handelte. Die Einladung, das ebenfalls auszuprobieren, hat er angenommen.

Den Menschen sehen

Hinter uns hängt eine Landkarte. Das passt zu meinem weit gereisten Gegenüber. Er hat einen weiten Horizont. Allein zu seiner näheren Verwandtschaft gehören Menschen aus sechs verschiedenen Nationen. Es ist sein Anliegen, dass man ein wärmeres Herz für fremde und andersdenkende Menschen haben sollte, ihnen mit Freundlichkeit und Achtung begegnen. Er bedauert, dass viele Andersdenkende nur aus ihrem Blickwinkel betrachten und Berührungsängste hätten. Dabei seien alle doch zuerst Menschen. Da ergäben sich tolle Gesprächsmöglichkeiten. "Wie interessant ist es doch, jemandem zuzuhören, wenn er aus einer anderen Perspektive erzählt!", stellt Urs Argenton fest. "Machen wir es doch wie Jesus: Er liebte die Menschen, hatte auch Kontakt zu Armen, Schwierigen, Unbraven und Fremden. Er nahm sich dafür Zeit."

Datum: 14.08.2002
Autor: Christa Gatter
Quelle: Chrischona Magazin

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