Juwelen der Klostermedizin

Im Klostergarten. Viele Nonnen und Mönche besinnen sich auf die Tradition und legen Kräutergärten an.

Vieles von dem Wissen um einfache Naturheilverfahren, die unsere Grosseltern noch ganz selbstverständlich anwendeten, ist heute verlorengegangen. Jetzt ist ein Buch erschienen, in dem es um die Synthese von altem Wissen und neuen Erkenntnissen geht.

Das "Handbuch der Klosterheilkunde" ist innerhalb von zwei Jahren mit viel Leidenschaft und Herzblut entstanden, so der Verlagsleiter des ZS Verlages in München, Karl Friedrich Sandmann. Er selbst tat den ersten Schritt dazu, als er, nach einer Sendung im Bayrischen Rundfunk, in der Dr. Johannes Gottfried Mayer mitwirkte, spontan beschloss, ein Buch über Klosterheilkunde mit ihm herauszubringen.

Mayer lehrt am Institut für Geschichte der Medizin in Würzburg. Seit 1999 ist er Mitglied der Forschergruppe Klostermedizin. Er hat Zugang zur weltweit umfangreichsten Sammlung historisch-medizinischer Schriften des Mittelalters und gilt als der Experte für Klosterheilkunde in Europa. Er konnte Dr. Bernhard Uehleke für die Zusammenarbeit gewinnen. Uehleke hat sich als Mediziner auf Naturheilkundeverfahren spezialisiert. Er arbeitet am Lehrstuhl für Naturheilkunde an der Freien Universität Berlin und forscht weltweit auf dem Gebiet der Phytotherapie.

Auf der Suche nach alten Rezepten

Auch Pater Kilian Saum interessierte sich für die alte Heilkunde. Er wurde in den Archiven seines Klosters fündig und suchte im Internet unter "Klosterheilkunde" Kontakte. Dabei stiess er auf das Institut für Geschichte der Medizin in Würzburg und wurde der Dritte im Bunde. Pater Kilian ist Priester am Benediktinerkloster St. Ottilien am Ammersee. Nach einer Ausbildung zum Heilpraktiker übernahm er 1993 die Leitung der dortigen Kranken- und Pflegeabteilung . Er kümmert sich um die medizinische Betreuung seiner Mitbrüder, der Internatsschüler und der Gäste. Pater Kilian ist ausserdem Dozent an Krankenpflegeschulen.

Die Klosterheilkunde stützt sich seit jeher fast ausschliesslich auf die Phytotherapie. Die wichtigsten Pflanzen der Klosterheilkunde werden in dem Buch in Steckbriefen vorgestellt. Das "Buch der Klosterheilkunde" basiert auf den neuen Forschungsergebnissen auf dem Gebiet der Phytologie, auf in der Praxis erworbenem Wissen und auf historischen Forschungen, dem Forschen in alten Denkstrukturen und früherem Krankheitsverständnis, der Entschlüsselung mittelalterlicher Texte. Die Autoren garantieren dafür, in ihrem Buch eine seriöse, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen abgesicherte Medizin vorzustellen. Diesem Grundsatz entsprechend sollen von Zeit zu Zeit aktualisierte Neuauflagen folgen, kündigen die drei Autoren schon jetzt an.

Vorbeugende Medizin

Die Klosterheilkunde hat eine lange Tradition. Viele Jahrhunderte lang war Medizin eine Angelegenheit der Klöster, waren es Mönche und Nonnen, die Krankenpflege betrieben, die medizinisches Wissen von den Ägyptern, Griechen, Kelten und Germanen übernahmen, es entwickelten und weitergaben. Auf Reisen und in ihrer Missionstätigkeit lernten Mönche Heilpflanzen und Heilverfahren der Einheimischen fremder Länder kennen, brachten Samen und Wurzeln mit nach Hause. Thymian, Salbei und Rosmarin, typische Heil- und Gewürzpflanzen des Mittelmeerraumes, wurden von Mönchen nach Nordeuropa gebracht. Und auf dem Schiff des Columbus segelten nachweislich, so Pater Kilian, auch Mönche mit, die die Medizin der Indianer vor Ort erforschten. Der internationale Austausch medizinischen Wissens funktionierte ausschliesslich über die Klöster.

Pater Kilian betonte, dass Klosterheilkunde in besonderem Masse auch vorbeugende Medizin sei. Sie helfe dabei, den Körper stark und widerstandsfähig zu machen. Der Pater, der selbst Kräutermischungen und Heilmittel herstellt - und zur Präsentation des neuen Buches auch einen Kräutertee aus dem eigenen Klostergarten ausschenken liess -, weist auf die Bedeutung eines gesunden Lebensrhythmus hin, der den Menschen neben der Arbeitszeit geregelte Zeiten der Ruhe und der Besinnung zugesteht. Rituale, wie sie ja auch im klösterlichen Alltag gelebt werden, seien lebensnotwendig für Körper und Geist.

Wie man Heilmittel selbst herstellen kann

Zu den gesellschaftlichen Aufgaben eines Klosters heute befragt, fänden alle drei Autoren eine Rückkehr zum Hopizgedanken sinnvoll und nützlich. Vielen Klöstern stünden ungenutzte Räume zur Verfügung, in denen man Gästen eine Mischung aus Kur, Rehabilitation und Bildungsurlaub anbieten könnte.

Wie es im Buch selbst heisst, hält der Leser des "Handbuchs der Klosterheilkunde" das konzentrierte und modernisierte Wissen um die wirksamsten Juwelen der Klostermedizin in seinen Händen. In der Tat enthält das Buch viel Wissenswertes über Tradition und Geschichte der Klosterheilkunde, ihre Mittel und die Anwendungspraxis. Es ist mit Zeichnungen und Fotografien sehr schön illustriert, und in einem eigenen Kapitel zeigt Pater Kilian, wie man Heilmittel selbst herstellen und anwenden kann.

Dr. Johannes Gottfried Mayer, Dr. Bernhard Uehleke und Pater Kilian Saum OSB: "Handbuch der Klosterheilkunde. Neues über die Wirkung von Heilpflanzen. Vorbeugen, behandeln und heilen". Zabert Sandmann Verlag, München. 430 Seiten mit vielen farbigen Zeichnungen und Fotos. Euro 24,80. ISBN 3-89883-016-0

Quelle: Ärzte Zeitung

Datum: 30.12.2002

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