Jesus auf der Bühne

Ein bildgewaltiges Medienpuzzle des Matthäusevangeliums

«Das 1. Evangelium» feierte am 19. Januar am Stuttgarter Schauspielhaus Premiere. Regisseur Kay Voges brachte mit dem Theaterstück ein Puzzle aus Matthäusevangelium, Bachs Passionen und dem Jesusfilm von Pasolini auf die Bühne.
Ausschnitt aus «Das 1. Evangelium»

«Das Theater darf kein Museum sein, in dem die alten Dinge immer und immer wiederholt werden», erklärte Kay Voges (47) einmal im Deutschlandfunk. Dieses Ziel hat der Regisseur sicher erreicht. Bereits als Intendant am Theater Dortmund erregte er mit provokativen Bühnenexperimenten Aufsehen. Und oft hatten seine Inszenierungen etwas mit Religion zu tun.

Laut, bunt und schnell

«Frei nach Matthäus erzählt er von den Passionen unserer Welt», bewirbt das Stuttgarter Schauspielhaus die Produktion «Das 1. Evangelium». Und das tut Voges sehr bildgewaltig. Während Jesus geboren wird, lebt, handelt und schliesslich am Kreuz stirbt, drehen sich auf der Bühne alte Autos, ein Wohnwagen, eine Paradies-Bar, ein Heiligenwinkel und die Zelle einer Psychiatrie, in der Lazarus liegt. Nach- und nebeneinander sind sie in die Handlung integriert, die gleichzeitig noch mitgefilmt und auf Leinwände projiziert wird.

Voges will den Zuschauern die Wirkmächtigkeit biblischer Bilder und Geschichten vorführen und sie durch das Nebeneinander von Spiel und Film selbst zu Monteuren der einzelnen Puzzlesteine auf der Bühne machen. Christian Gampert vom Südwestrundfunk fand allerdings: «Der Zuschauer wird überwältigt von einem Überangebot von Bildern und Figuren, die sich karussellartig auf der Bühne drehen.»

Ein Fan der Bergpredigt

Warum bringt Kay Voges solch einen Stoff in dieser Form auf die Bühne? Dem Medienmagazin pro erklärte er in einem Interview: «Es ist wichtig, sich bewusst mit dem christlichen Glauben auseinanderzusetzen. Dieser Theaterabend soll ein Angebot sein zum Nachdenken darüber, was mein persönliches Gottesbild ist. Dieser Abend gibt keine Interpretation vor, sondern er gibt hoffentlich Inspiration zum Nachdenken, zum Zustimmen, zum Ablehnen, zum Neuverknüpfen von Zusammenhängen.» Voges beschreibt sich als Fan der Bergpredigt. Und er will mit seinem Blick ins Neue Testament unabhängig von der Religionszugehörigkeit auf unsere kulturellen Wurzeln hinweisen.

Zweifel bleiben

Teil von Voges Motivation ist sicher auch seine «gläubige» Vergangenheit. Doch nachdem sich sein Glaube in einen – nach eigener Wahrnehmung – rechthaberischen Fundamentalismus verwandelt hatte, wandte sich Voges radikal von ihm ab. Trotzdem gab es bei den Theaterproben regelmässige Bibelstunden. «Wir haben unsere verschiedenen Interpretationen, unsere verschiedenen Erfahrungen mit diesen Texten ausgetauscht und darüber improvisiert. Wir haben uns viel mit Gottesbildern und Jesus-Bildern auseinandergesetzt.» Deshalb ist «Das 1. Evangelium» mehr als ein Theaterstück. Es ist Bekenntnis und Frage, Erzähltes und Wirklichkeit. Zu seiner eigenen Suche meinte Kay Voges: «Ich bin einer, der an den Widerspruch und an die Komplexität glaubt und der sich freut, wenn er sie findet.» Die Kulturnews trauen ihm zu, dass es ihm ausserdem noch gelingt, Glauben «vom Kopf auf die Füsse [zu] stellen». Mal sehen.

Zur Webseite:
Das 1. Evangelium

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Datum: 24.01.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / pro Medienmagazin

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