Wann wird das letzte Buch geschrieben?

Detlef Holtgrefe

Detlef Holtgrefe, der Geschäftsführer des Brunnen-Verlags Giessen über die Konkurrenz durch Fernsehen und Internet, die Aufgabe des Buches und die Perspektiven seines Hauses. Und über die Million eines grosszügigen Sponsors.

Chrischona-Magazin: In 20, 30 oder 50 Jahren: Wann wird das letzte Buch geschrieben?
Detlef Holtgrefe: In Anlehnung an 1. Mose 8,22 antworte ich: Solange die Erde steht, wird man nicht aufhören, gute Bücher zu schreiben!

"Stern", "Focus" und "Die Zeit" verlieren nach neuen Statistiken immer mehr Leser. Läuft die Zeit des Lesens aus?
Keinesfalls! Einzelne Zeitschriften und Bücher haben Leser verloren. Gleichzeitig nahm die Zahl der verschiedenen Publikationen zu. Aus Kostengründen wäre eine umgekehrte Entwicklung wünschenswert. Eindeutig ist, dass das Buch mit anderen Medien konkurrieren kann. Was alle anderen Medien nicht schaffen, gelingt dem Buch: Es regt die Fantasie an und produziert eigene Bilder, die im Kopf entstehen.

Wie stark spürt der Brunnen-Verlag die Konkurrenz durch Fernsehen und Internet?
Konkurrenz fordert heraus und fördert den Wettbewerb! Unser Verlag versucht Bücher zu machen, die eine bessere Alternative zum Fernsehen sind. Das Internet bietet viele Möglichkeiten. Doch nicht alles, was in Büchern steht, ist mit Suchmaschinen im Web zu finden. Wer sich fundiert informieren will, kommt am gedruckten Buch nicht vorbei!

Angenommen, die Kulturredaktion des "Spiegels" wünscht für die nächste Ausgabe eine Vorstellung des Brunnen-Verlags in drei Sätzen.
Der Brunnen-Verlag ist ein mittelständisches Verlagshaus, das sich auf die Herausgabe christlicher Medien spezialisiert hat. Schwerpunkte der jährlich rund 100 Neuerscheinungen sind Belletristik, Geschenkbücher, Ratgeber, Theologie, Bibeln und Kinderbücher. Wer als Buchhändler diese Sparte kompetent und erfolgreich anbieten will, muss die Titel des Giessener Verlagshauses im Regal haben.

Was ist in dir vorgegangen, als du von der Pleite des traditionsreichen Hänssler-Verlags hörtest?
Zunächst interessierten mich die unbeglichenen Rechnungen, denn eine Insolvenz kann vielen anderen Unternehmen grossen Schaden zufügen. Dann zog ich ein Fazit für die eigene Geschäftsführung: Wer mit glaubwürdigen Büchern Werte vermitteln will, dessen Geschäftspolitik muss mit dem Inhalt der Bücher im Einklang stehen.

Was tust du, damit es beim Brunnen-Verlag nicht soweit kommt?
Dieses Fazit beachten und in wirtschaftlicher Verantwortung Bücher und Medien publizieren, die unserem Slogan standhalten: Brunnen-Bücher helfen leben.

Was tust du als neuer Geschäftsführer überhaupt?
Um es knapp zu sagen: Ich treffe Entscheidungen, ob, wann, in welcher Auflage und zu welchem Preis Bücher bei uns veröffentlicht werden. Daneben verbringe ich einen nicht unerheblichen Teil meiner Zeit in internen und externen Sitzungen, denn viele Dinge entstehen im Team und durch gute Ratgeber. Ausserdem gibt es immer wieder Begegnungen mit Autoren und Kontaktpflege mit christlichen Werken und Verbänden.

Stichwort Kalkulation: Wer bekommt eigentlich bei einem Buchpreis von 20 Euro wie viel?
Das sieht von Titel zu Titel etwas anders aus, aber ein Beispiel hilft vielleicht zum Verständnis: Gut 1,30 Euro gehen als Umsatzsteuer an den Staat. Der Buchhändler benötigt rund 9 Euro, um wirtschaftlich arbeiten zu können. 4,30 Euro gehen an Drucker, Autor, Vertreter im Aussendienst und Auslieferung. Die Werbung verbraucht etwa 1 Euro. Es verbleiben etwa 4,40 Euro für alle verlagsinternen Kosten, wie mögliche Übersetzung, Lektorat, Satz, Grafik und allgemeine Verlagskosten, zu denen auch die Geschäftsleitung gehört. Nicht zu vergessen sind die Interessen der Gesellschafter, die einen Ertrag ihrer Investition erwarten dürfen. Diese Kalkulation verdeutlicht, dass Bücher erst in 2. oder 3. Auflage Gewinne bringen können.

Welche Aufgabe hat das Brunnen-Buch?
Da wir in verschiedensten Sachgebieten Bücher veröffentlichen, lässt sich das pauschal schlecht sagen. Hier soll es eine Einladung sein, sich mit dem Glauben an Jesus auseinander zu setzen. Ein anderes Mal soll es Menschen in einer konkreten Alltagssituation weiterhelfen. Wiederum ein anderes Mal dient es Menschen, die sich dem Studium der Bibel verpflichtet haben. Viele Bücher transportieren Werte, manche dienen einfach nur der sinnvollen Unterhaltung. Zusammenfassend wiederhole ich: Ein Brunnen-Buch soll leben helfen.

Wie könnte die christliche Gemeinde das Buch fördern?
Ich träume von einem Pastor, der liest, die Erträge seiner Lesezeit in seine Predigt einfliessen lässt und immer wieder Bücher empfiehlt. Daneben können Gemeinden Lesungen mit und ohne Autoren durchführen. Wie wäre es mit einem Hauskreisabend, an dem jeder Teilnehmer zehn Minuten aus einem Lieblingsbuch vorliest? Hier liesse sich manches kreativ entwickeln. Ein gut sortierter Büchertisch, der über eine Buchhandlung versorgt wird und leidenschaftliche Betreuung erfährt, dient ebenfalls der Förderung des Buches.

Wie kommst du zu neuen, begabten Autoren?
Ich bete darum, dass Gott uns die richtigen Menschen zeigt. Ich ermögliche es den Lektoren und verpflichte mich selbst dazu, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die sich zu Autoren aufbauen lassen. Wir bieten immer wieder Seminare an, die möglichen Autoren helfen können, ihre guten Gedanken sinnvoll zu ordnen und auch lesefreundlich zu Papier zu bringen.

Du warst als Redaktor des Chrischona-Magazins selber Autor. Was zeichnet den guten Autor aus?
Das Gespür für Themen, die dran sind. Und dran sein kann zweierlei bedeuten: Die Menschen verlangen nach Themen, oder Gott macht dem Autor Themen so wichtig, dass er darüber schreiben muss. Die Begabung, in verständlicher und einladender Sprache zu schreiben, darf natürlich nicht fehlen.

Wie stark ist der Brunnen-Verlag in säkularen Verkaufsstellen präsent?
Leider noch viel zu wenig! Gleichzeitig sind wir ein wenig stolz darauf, über 20 Prozent unseres Umsatzes im allgemeinen Buchhandel zu erzielen.

Wie liesse sich diese Präsenz verstärken?
Nie müde werden, die besten Titel den Buchhandelsketten anzubieten, die eigentlich nur selten Brunnen-Titel listen. Vor allem aber unseren Vertretern im allgemeinen Sortiment Titel mitgeben, die als Schwerpunkt auch für diesen Markt konzipiert wurden. Hier haben wir eben erst begonnen, wie etwa mit der Biographie von Sabine Ball, der "Mutter Teresa" von Dresden.

Wo setzt du beim Buchprogramm 2003 die Schwerpunkte?
2003 ist das "Jahr der Bibel", dadurch sind Schwerpunkte vorgegeben. Daneben denken wir auch an "Pro Christ". Wir wollen auch denjenigen Menschen gute Literatur bieten, die ihre Beziehung zu Gott vertiefen möchten.

Was stimmt dich im Blick auf die Zukunft des Brunnen-Verlags zuversichtlich?
Die Gewissheit, an einem Auftrag zu arbeiten, den wir uns nicht selbst gegeben haben. Zuversichtlich bin ich auch, wenn ich während der täglichen Morgenandacht in die Gesichter von motivierten Menschen blicken kann, die zusammen ein gutes Team bilden und sich an der Arbeit für einen wichtigen Auftrag wissen.

Ein Sponsor gibt dir eine Million: Wie wirst du sie in der Verlags- und Medienarbeit von Chrischona einsetzen?
Es mag merkwürdig klingen: Mit einem Teil würde ich das Eigenkapital vergrössern, weil das die Liquidität stärkt und teure Kurzzeitkredite verhindert. Mit dem anderen Teil würde ich gute und sinnvolle Projekte realisieren, die wir aus wirtschaftlichen Gründen bislang abgesagt haben. Mit einem weiteren Teil würde ich den Aussenauftritt von Chrischona und dem Theologischen Seminar St. Chrischona verstärken. Eine gute Ausbildung braucht viel Aufmerksamkeit!

Was sollte der "Spiegel" im Jahr 2010 über den Brunnen-Verlag schreiben?
"Es mag verwundern: Ein Verlag, der bis vor zehn Jahren nur christlichen Insidern bekannt war, schafft es inzwischen, Jahr für Jahr mit christlichen Büchern die Bestsellerlisten von Belletristik und Sachbuch zu erobern." Oder: "Wie kaum ein anderes Verlagshaus gelang es dem Giessener Brunnen-Verlag, mit wegweisenden Büchern die Rückbesinnung auf christliche Werte im Herzen des christlichen Abendlandes zu begleiten."

Datum: 15.05.2004
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: Chrischona Magazin

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung