Statt Bibelwort erklang in der Synode Grönemeyer-Hit „Mensch“

Herbert Grönemeyer

Timmendorfer Strand. Eine ungewöhnliche Andacht gestaltete die Oberstudiendirektorin Christel Ruth Kaiser auf der Tagung der EKD-Synode in Timmendorfer Strand. Anstelle eines Bibeltextes hörten die Synodalen am Morgen des 7. November den Hit „Mensch“ von Herbert Grönemeyer. Schwerpunktthema der Tagung war die Frage „Wer ist der Mensch?“ „Da kommt ein Pop-Sänger daher, singt und sagt an, was uns unbedingt angeht“, begründete die Pädagogin ihr Vorgehen. Das Lied sei zwar kein Predigttext, doch biete es „eine Reihung christlich-fundierter Gedanken – kurz und knapp, dabei authentisch und konkret“.

Die Oberstudiendirektorin erkannte in dem Lied „Monologfetzen“, die in die Weite menschlicher Existenz führten. Text und Melodie seien persönlichster Ausdruck der Trauer Grönemeyers, „ausgelöst durch den frühen Tod seiner Frau und seines Bruders“. Der Sänger drücke seine Ratlosigkeit aus, setze aber auch „Hoffnungszeichen“. Seine Antworten „erzählen von Glück und Leid, singen von Leben und Tod, fragen nach Sinn und Halt, machen Mut“.

Im Anschluss an die Auslegung des Liedes erhielten alle Mitglieder der Synode und Gäste eine Single-CD mit dem Titel „Mensch“. Lobend über die Lieder Grönemeyers äusserte sich auch der EKD-Ratsvorsitzende, Präses Manfred Kock. In vielen Titeln sei zu spüren, „wie sehr der Sänger durch die Erfahrung von Leid, Schmerz und Tod geprägt wurde“. Kock schrieb Grönemeyer anlässlich seines Tournee-Starts am 8. November und wünschte ihm Gottes Segen: „Dass Sie wieder auf Tournee gehen, ist für viele andere, die durch den Verlust eines lieben Menschen wie gelähmt sind, ein Zeichen der Hoffnung.

KOMMENTAR

Wolfgang Polzer

„Es tut gleichmässig weh ...“

So eine „Andacht“ hat die Synode der EKD noch nicht erlebt. Laut röhrt die Stimme des Sängers Herbert Grönemeyer am Morgen des 7. November durch den Saal am Timmendorfer Strand: „Momentan ist richtig, momentan ist gut, nichts ist wirklich wichtig, nach der Ebbe kommt die Flut ...“ In den „Monologfetzen“ des Liedes „Mensch“ will die kurhessen-waldeckische Synodale, Oberstudiendirektorin Christel Ruth Kaiser eine Botschaft erkennen, „die in die Weite menschlicher Existenz führt“. Deshalb gab die EKD auch jedem Synodalen eine CD mit dem Lied mit. Wahr ist: Grönemeyer hat in seinem Hit die Trauer über den frühen Tod seiner Frau und seines Bruders in einem Jahr verarbeitet. Und das kann ein Gesichtspunkt des Nachdenkens über das biblische Schwerpunktthema der Synode „Was ist der Mensch?“ sein.

Der EKD-Ratsvorsitzende, Präses Manfred Kock, schrieb dem Sänger zum Auftakt seiner Tournee am 8. November in Friedrichshafen: „Der Mensch im Werden, der Mensch im Sterben, der Mensch in den Anfechtungen des Lebens – das ist der Mensch, der liebt und lebt, wie Sie ihn in dem Lied ‚Mensch’ beschreiben.“

So weit, so gut. Aber was hat eine solche „Andacht sehr eigener Art“, so Synodenpräses Jürgen Schmude, auf einer Tagung eines „Kirchenparlaments“ zu suchen? Steht Grönemeyer jetzt ebenso inspiriert neben Worten der Heiligen Schrift etwa aus den Psalmen oder dem Buch über den Leidensmann Hiob? Wo ist die Kirche hingeraten, wenn sie sich jetzt lieber von Schlagersängern inspirieren lässt als von Gottes Wort? Die, die es immer schon geahnt haben, werden mit Grönemeyer sagen: „Oh, es ist schon OK, es tut gleichmässig weh.“

Datum: 09.11.2002
Quelle: idea Deutschland

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