Kolumne zum Sonntag

Ist Weihnachten nur noch ein Geschäft?

Schier traute ich meinen Augen nicht. Schon seit Mitte Oktober sind wieder Weihnachtsartikel in den Regalen der Geschäfte zu finden, Adventskalender und viele andere Artikel. Schon beginnen die Gedanken um Weihnachten zu kreisen. Was soll ich mit den Kindern basteln? Was haben wir alles schon gebastelt? Welche Guetzlisorten werden wir backen? Was werden wir dieses Jahr kochen und mit wem feiern? Ein Gedanke jagt den anderen und das Stresskarussel im Kopf dreht sich. Solche Gedanken sind wohl allen bekannt. Muss das wirklich sein? Ist Weihnachten nur noch ein Geschäft? Gedanken von Elisabeth Schellenberg.
Adventskranz am 1. Advent

Wünsche gibt es unzählige. Was wünschen sich die Kinder wohl? Bestimmt werde ich wieder ein Auge darauf haben müssen, dass die Wünsche sinnvoll sind. Bei fünf Kindern kommen da so einige Wünsche zusammen. Wecker, Modellflugzeug, Schulrucksack usw. Was ist denn unser grösster Wunsch? Je länger ich darüber nachdenke, komme ich immer wieder auf dieselben Stichworte zurück. Frieden, Gesundheit, innere Fülle, Freude. Mit meiner Familie ein ruhiges Fest zu feiern.

Schon wieder ist ein Jahr vorbei. Was habe ich alles erlebt? Das Tempo des Lebens hat rasant zugenommen auf dieser Welt. Die Zahl der Menschen, die in unserem Land leben, steigt immer höher und der Boden wird knapp. Dörfer wachsen zu Städten zusammen und Grünflächen verschwinden. Der Wohnraum ist knapp und die Nationenvielfalt in unserem Land wird noch grösser. Das Leben wird noch anspruchsvoller. Wir werden gezwungen, uns mit den verschiedenen Kulturen auseinander zu setzten und uns irgendwie damit zu arrangieren.

Selber leben und bewusst entscheiden

Wie schnell lassen wir uns in dieser Zeit von Äusserlichkeiten jagen, bestimmen und vielleicht sogar tyrannisieren. Wozu? In dieser oft so hektischen Zeit verlieren wir so schnell die echte Weihnacht aus dem Blickfeld. Unser Inneres ist zerrissen zwischen Wunsch nach Ruhe und geschäftigem Treiben, das wir eigentlich oft gar nicht möchten. Dieses Jahr habe ich beschlossen, die Guetzli möglichst vor Dezember schon zu backen und im Dezember dann die Zeit bewusster zu erleben und zu gestalten, mit den Kindern zu basteln und so zu versuchen, weniger Hektik aufkommen zu lassen.

Es ist nicht einfach, aber wir müssen immer mehr aufpassen, dass wir nicht gelebt und fremdbestimmt werden, sondern selber leben und bewusst entscheiden, was wir möchten und was nicht. Je lauter und hektischer es auf dieser Welt ist, umso wichtiger scheint es mir, dass wir die innere Ruhe wieder finden, Einkehr halten und uns Gedanken darüber machen, was wir müssen oder was wir dürfen und was wir wollen.

Geteilte Weihnacht

Beim Gedanken an Weihnachten erinnere ich mich an ein Jahr, als ich noch Kind war. Wir hatten eine Grube am Dorfrand, wo ein alter Mann seinen Tag verbrachte und aufschrieb, welche Lastwagen ihre Ware deponierten. Meine Eltern beschlossen in diesem Jahr, diesen Mann an Weihnachten einzuladen. Der Mann war eher klein und sein runzliges Gesicht mit dem weissen Bart sprach Bände. Er war einsam und wirkte etwas verwahrlost. An diesem Weihnachtsabend schenkten wir ihm Zeit, Wärme, Essen und eine warme Stube. Als die Kerzen am Christbaum brannten, sass er zufrieden auf einem roten, geflochtenen Korbsessel. Seine Augen leuchteten wie Kinderaugen. Er strahlte staunend und zufrieden. Es war schön zu sehen, wie ihm warm wurde ums Herz.

Liebe und Zeit schenken

Nicht Materielles sollte im Vordergrund stehen, sondern die Liebe zum Mitmenschen. Wenn wir mit dieser Einstellung leben, geraten wir auch nicht so schnell in Schwierigkeiten beim Gedanken an die Geschenke. Es gibt viele kostenlose Dinge, die wir verschenken können. Es braucht kein Geld, nur guten Willen, etwas Mut und vielleicht auch Überwindung. Noch immer tut uns allen ein freundlicher Blick, ein Lächeln, eine Handreichung wohl. Ich versuche, unseren Kindern immer wieder im Alltag zu zeigen, wie wichtig und auch einfach es eigentlich ist, Liebe zu verschenken. Besser hinschauen, hinhören und aufmerksamer sein. Was kümmert es mich, was andere davon halten? Wenn ich davon überzeugt bin, dass es richtig ist, dann tue ich es.

An Weihnachten wird immer sehr deutlich, wie einsam viele Menschen wirklich sind. Arme, Kranke, alleinstehende oder obdachlose Menschen fühlen sich noch viel einsamer und trauriger als während des Restjahres. Es wird früher dunkel und im geschäftigen Treiben der Menschen rücken sie alle noch mehr in den Hintergrund. Einige von ihnen versuchen den Schmerz und die Dunkelheit in ihrer Seele mit Alkohol zu betäuben, andere werden depressiv und noch einsamer. Es gibt immer wieder auch einzelne Menschen, die den Lebensmut ganz verlieren. Als Kind besuchte ich mit meiner lieben Mutter oft kranke Menschen im Spital, im Heim oder zuhause. Wir musizierten, sangen und verbrachten Zeit mit ihnen. Ich bin meiner Mutter sehr dankbar dafür, dass sie mir dadurch beigebracht hat, Liebe auszuteilen, ohne zu fragen, was es mir bringt. So durfte ich lernen, aufmerksam zu sein und zu teilen.

Ein Lächeln kann viel bewirken

Ich wünsche uns allen von Herzen, dass wir lernen, wieder aufmerksamer zu sein. Zeit können wir alle kostenlos verschenken. Ein lieber Blick, ein freundliches Wort, ein Lächeln kann so viel bewirken. Ein Lächeln ist der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen. Ich wünsche Ihnen eine besinnliche, ruhige, erfüllte Weihnachtszeit.

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Datum: 29.11.2015
Autor: Elisabeth Schellenberg
Quelle: Livenet

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