Simon aus Roms Südwesten

Der mit Abstand bekannteste Libyer erzählt

Seine Geschichte ist in mittlerweile mehr als 2'352 Sprachen erzählt. Seit rund 2000 Jahren geht das tiefgehende Erlebnis des Simon von Kyrene um die Welt. Er stammt aus dem heutigen Libyen, das zur Zeit dieser Geschehnisse zum Zentralsüden des gigantischen römischen Reiches gehörte. Nur wenige Tage nach dem Ereignis notierten wir exklusiv seine Geschichte in unseren Reporternotizpapyrus.
Simon von Kyrene hilft Jesus beim Tragen des Kreuzes.

Schon seit den frühen Morgenstunden tobte der Pöbel. Die öffentliche Ordnung entglitt den harten römischen Soldaten zusehends. Selbst die gefürchteten, berittenen Elite-Einheiten zeigten immer mehr Mühe, sich durchzusetzen. Ausgangspunkt war Jesus von Nazareth, der in den letzten Wochen verstärkt in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses gerückt war. Vielen aus dem Volk gefiel, wie er unbequeme Dinge ansprach und die noblen Besserwisser immer wieder aus dem Nichts heraus mit wenigen Worten schachmatt setzte.

Doch wie so oft, wenn sich einer auflehnte, folgten irgendwann die Peitschenhiebe. Aus dem Herodes-Palast wurde Jesus zurück zu Pontius Pilatus geschleppt. Herodes mochte kein Urteil fällen. Und Pilatus war die Sache offenbar ebenfalls unangenehm. Immer wieder hatten sich die Römer wie Halbgötter – und manche noch als etwas mehr – aufgespielt. Und in den Gassen und Winkeln von Jerusalem galt das irdische Gesetz. Nach diesem war Jesus unschuldig. Nicht aber vor der aufgewiegelten Masse. «Kreuzige ihn, kreuzige ihn!», schrien viele um mich herum. Mir, und wohl auch anderen, die nicht mitschrien, lief es kalt den Rücken hinunter.

In den Innenhof des Gerichts drängte ich mich nicht vor, ich stand in der Gasse vor dem Gebäude und bereits diese war total überfüllt.

Zwar sah man nichts, aber immer wieder drangen Gerüchte durch. Irgendwann hörte ich, dass ein Schwerverbrecher begnadigt wurde. Das Volk hatte zwischen ihm und Jesus wählen können. Der laut dem Gesetz Unschuldige – so hörte ich nun bald – wurde verspottet, geschlagen und gequält. Manche behaupteten, dass er bereits tot war, doch bald waren wieder die Sprechchöre «Kreuzige ihn, kreuzige ihn!» da.

Irgendwann gaben die Gesetzeshüter auf. Ob es für sie die Gelegenheit war, eine unbequeme Person loszuwerden?

Jesus überlebte die Tortur und wurde gezwungen, eines dieser schweren Holzkreuze zu tragen, an dem er später hingerichtet werden sollte. Unter Spott und Gelächter wurde er nun aus dem Gerichtshof getrieben. Der Geschundene konnte sich nur noch schleppend vorwärtsbewegen. Ein entsetzlicher Anblick. In meiner Nähe brach er zusammen. Die Soldaten, die ihn geleiteten, heischten, er solle gefälligst wieder aufstehen. Nach einem kurzen, erneuten Aufrappeln krachte er wieder zusammen.

Würde er es nicht mehr weiter schaffen oder gar hier auf der Strasse sterben? Und weshalb liess es unser moderne, geordnete Staat zu, dass man so mit Menschen umging? Lange konnte ich nicht sinnieren, bis mich ein römischer Armeeangehöriger mit zusammengekniffenen Augen musterte und dann forderte: «Du da, hilf ihm!» Sofort intervenierte ich, ich warf ein, dass ich nur ein einfacher Passant bin und mit dem Geschehen nichts zu tun habe. «Doch, jetzt hast du etwas damit zu tun!», bellte der schwer bewaffnete Kämpfer. «Du weisst, was mit jemandem geschieht, der sich unserem Staat widersetzt. Wir sind eine anständige und fortschrittliche Diktatur!»

Den Blick von Jesus werde ich nie vergessen. Die Worte, um ihn zu beschreiben, werde ich wohl nie finden. Er hat mein Innerstes berührt. Seine Augen waren ruhig, sanft und präsent. Schon vorher hatte ich an Gott geglaubt. Nun sah ich in die Ewigkeit hinein. Wie lange ich schliesslich mithalf, das Kreuz zu tragen, ist mir nicht bewusst. Aber ich spürte, dass ich mit dem Messias ging. Und mehr noch. Mit meinem jüdischen Bruder ging ich Seite an Seite auf seinen letzten Metern vor seiner wegweisenden, bahnbrechenden Tat.

Reden konnte Jesus kaum mehr. Doch das war nicht nötig. Wir waren zusammen unterwegs. Während seinem Sterben spürte ich, dass er noch immer neben mir war. Als er tot war, wusste ich, dass dies nicht das Ende war. Und vor wenigen Tagen ist er ins Leben zurückgekehrt. Davon bin ich Zeuge geworden. Wieder habe ich in seinen Augen die Ewigkeit gesehen. Ich habe entdeckt, dass er auch für mich gestorben ist. Nun folge ich ihm nach und die Ewigkeit ist in mein Herzen eingekehrt.

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Datum: 04.04.2015
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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