Er würde den Parteien nicht einfach Wahlpropaganda unterstellen, sagt der Aargauer Paar- und Familientherapeut Beat Tanner. "Ich denke, dass die Jugendgewalt als eine Problematik in unserer Gesellschaft richtig erkannt wurde." Anders sieht das die Basler Erziehungsberaterin Annemarie Pfeifer. Es sei schon eigenartig, dass diese Vorschläge genau jetzt auf den Tisch kämen. "Mit dem Missbrauch des Themas für Stimmenfang tun wir den jungen Menschen keinen Gefallen." Die EVP-Politikerin, die selber für die Grosse Kammer kandidiert, hofft trotzdem, dass die öffentliche Diskussion auch zu Lösungen führen wird. Denn die zahlreichen Schlagzeilen über Jugendgewalt würden auch in ihr "Bedauern und Besorgnis" auslösen. Pfeifer erklärt zwar, dass die Zahl der Delikte nicht gestiegen sei, "doch schlagen die Jugendlichen härter zu". Die vorgeschlagenen Massnahmen der Politiker sind ihr zu einseitig. Es gebe nur sehr wenige Jugendliche, die solche massivsten Massnahmen provozieren würden. "Wir müssen ein ganzes Paket von Massnahmen bereitstellen, um den unterschiedlichen Schweregraden der Jugendgewalt zu begegnen." Wichtig sei dabei die Prävention. Gute Schulen und lückenlose Beschäftigung würden das Selbstwertgefühl stärken und ein Gefühl für Verantwortung schaffen. Gewaltprävention geschehe während der ganzen Kindheit. "Kinder sollen lernen, wie man Konflikte lösen kann, ohne dass man dreinschlägt." Hilfe dazu könne ein regelmässiger Familienrat sein, der auch klare Grenzen festlege. Neben der Prävention brauche es repressive Massnahmen. "Junge Menschen müssen wissen, dass ihre Taten Folgen haben." Abfallsünder sollen in der Stadtreinigung einen Arbeitseinsatz leisten, Sprayer für die Malkosten aufkommen. Laut Pfeifer müsse das Täterprinzip gelten. Als letzte Massnahme könne dann Landesverweis oder Gefängnis diskutiert werden. "Gewalttätige Kinder und Jugendliche müssen die Erfahrung machen, dass ihre eingesetzte Gewalt sofortige Konsequenzen nach sich zieht", ist auch Beat Tanner überzeugt. "In anderen Kulturkreisen wird Gewalt bei Kindern und Jugendlichen sofort vom sozialen Umfeld wahrgenommen und sanktioniert." Dies sei in der Schweiz nicht der Fall, man überlasse die Sache der Justiz. Ein gefährliches Spiel, meint der Erziehungsfachmann: "Die Jugendlichen erhalten so das Gefühl, dass bei uns alles erlaubt ist." Wie aber müssten Kinder denn erzogen werden, damit sie nicht gewalttätig würden? Für Familientherapeut Tanner liegt ein Grundsatz der Erziehung darin, den Kindern etwas zuzumuten, ohne Angst zu haben, die Liebe der Kinder zu verlieren. Das könne zum Beispiel heissen, getrost zu warten, bis eine Sache bereinigt sei, bevor man auf die Wünsche und Forderungen seiner Kinder eingehe. "Es kann aber auch heissen, dass ich den Kindern zutraue, dass sie selber eine Lösung für ein Problem finden", fügt Tanner hinzu. Die Eltern würden damit die Spirale des Kritisierens verlassen und die Möglichkeit haben, das Kind zu loben und ihm damit Wertschätzung zu zeigen. Bei der Erziehung könne man auch von der Bibel lernen. "Zum Beispiel der Weg des gewaltlosen Widerstandes, den Josef mit seinen Brüdern gegangen ist, wird heute in der säkularen Therapie mit Erfolg angewendet", sagt Tanner. Auch Annemarie Pfeifer spricht die Geschichte von Josef an: "Die Bibel berichtet erstaunlich offen über Gewalt, man denke nur an den Brudermord von Kain und Abel oder wie die grossen Brüder den kleinen Josef kaltschnäuzig in die Sklaverei verkauft haben." Dagegen erscheine die Jugend von heute direkt harmlos. "Wir finden in der Bibel aber auch Bewältigungsstrategien: Nächstenliebe als Grundlage jeder Beziehung, klare Grenzen, wie sie etwa in den Zehn Geboten zu finden sind, sowie Vergebung, Versöhnung und Gnade, wie sie Jesus beispielhaft in seinem Tod vorlebte."Zu einseitig
Das Täterprinzip
Etwas zumuten
Von der Bibel lernen
Datum: 24.07.2007
Autor: David Sommerhalder
Quelle: ideaSpektrum Schweiz