"Religion und Kultur" für alle Zürcher Schüler?

Iris Muhl, Claudio Minder
Muhl, Minder

Der Bildungsrat des Kantons Zürich hat beschlossen, das Fach Biblische Geschichte in der Primarschule nicht abzuschaffen, sondern durch das obligatorische religionskundliche Fach "Religion und Kultur" zu ersetzen. Es soll vorrangig das Christentum und daneben auch andere Religionen behandeln. – Gedankensplitter von Claudio Minder und Iris Muhl:

Claudio Minder: Ich wuchs in Italien auf und ich kann mich erinnern, dass ich den Religionsunterricht auch nicht besuchen musste. Dieser war katholisch und meine Eltern wollten deshalb nicht, dass ich hingehe, da wir Protestanten sind.

Iris Muhl: Ich lebe mit meiner Familie in Zürich und unsere Jungs nahmen auch am Religionsunterricht teil. Unser damals 14 –jähriger Sohn erzählte uns, dass sie nicht über den christlichen Glauben gesprochen hätten, sondern mit Kettchen pendelten und über Tischrücken und andere Phänomene diskutierten.

Claudio Minder: Wenn ein Lehrer dieses Fach unterrichtet, dann hat er enormen Einfluss auf die Kinder. Ein Esoteriker wird mit Bestimmtheit die Weltreligionen in den Hintergrund manövrieren.

Iris Muhl: Ich finde es in Ordnung, wenn die verschiedenen Weltreligionen besprochen werden; bezüglich der Esoterik bin ich deiner Meinung: Das ist keine Religion und gehört nicht in einen Religionsunterricht. Die Frage ist nur: Was bringt es den Kindern, wenn sie über alles informiert sind, aber doch nichts Genaueres über eine einzelne Religion wissen?

Claudio Minder: Wenn ich Kinder hätte, würde ich es vorziehen, sie in die Sonntagsschule zu schicken, oder ihnen selber die Weltreligionen erklären. Als Christ würde ich darauf bestehen, dass das Christentum an erster Stelle steht.

Iris Muhl: Das Christentum soll im Mittelpunkt des Primarschul-Fachs „Religion und Kultur“ stehen. Grundsätzlich aber auch Rituale, Bräuche und Feierlichkeiten aus anderen Religionen besprochen werden (in der Oberstufe sind die fünf Weltreligionen gleichgestellt).

Claudio Minder: Ich verstehe trotzdem nicht, weshalb hier in einem christlich geprägten Land über Buddhismus, Hinduismus und Islam im Religionsunterricht diskutiert wird. Werden in muslimischen und buddhistischen Ländern die Kinder über die christlichen Sitten und Bräuche aufgeklärt? Können sie wählen, welcher Religion sie angehören wollen?

Iris Muhl: Uns hat die Schulleitung vermittelt, dass die Kinder selber über ihre Religionszugehörigkeit entscheiden sollen; deshalb würden auch alle Religionen besprochen. Ich habe mit meinen Jungs einerseits die Erfahrung gemacht, dass sie sehr viel mehr fragen bezüglich unserem Glauben, oft aber auch desorientiert aus dem Religionsunterricht gekommen sind, weil alles querbeet besprochen und doch nichts richtig auf den Punkt gebracht wurde. Es tat mir leid zu sehen, dass diese fragenden Teenies keine klaren Antworten bekamen, weil keine Religion in den Vordergrund treten sollte.

Claudio Minder: Das kann ich gut nachvollziehen. Wir Schweizer neigen dazu, es allen recht machen zu wollen. Eine solche Toleranz kann zu weit gehen, vor allem, wenn sie zur Verunsicherung der Schüler beiträgt.

Iris Muhl: Trotz allem finde ich es wichtig, dass die Schüler auch über andere Religionen Bescheid wissen. Ideal wäre es, wenn dieser Unterricht zum Beispiel in einer "Mensch und Umwelt"-Lektion stattfinden würde.

Artikel zum Thema: Zürich: Neues Pflichtfach Religion und Kultur für Klassen 1-8

Datum: 22.03.2006
Quelle: Livenet.ch

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