Zwei gegenläufige Entwicklungen

Kirchgemeinden werden sich entscheiden müssen

Dass die Landeskirchen Mitglieder und Steuereinnahmen verlieren, wird oft wie ein Mantra wiederholt. Wie sie darauf reagieren, wird nur einseitig berichtet und kommentiert.
Die Studientage 2017 fanden in Montmirail statt.
In der Anglikanischen Kirche von Neuseeland wird das Konzept «Local Shared Ministry» angewendet.

Reduktion der Pfarrstellen und Fusionierung von Kirchgemeinden sind die öffentlichkeitswirksamen und oft kommentierten Reaktionen der Landeskirchen auf sinkende Steuereinnahmen. Es sind dabei die Massnahmen, welche den beklagten Trend fortsetzen und die Prognosen bestätigen, dass es nur noch eine Abwärtsfahrt für die Kirchen gibt. Andere leiten daraus die Hoffnung ab, dass der Glaube eine Chance bekommt, wenn die Kirche wirtschaftlich unter Druck kommt.

Impulse vom andern Ende der Welt

Gerade dies ist nicht ganz von der Hand zu weisen. So haben zum Beispiel anglikanische Kirchgemeinden in Neuseeland aus der Not eine Tugend gemacht. Weil sie keinen Pfarrer mehr fanden oder ihn nicht mehr bezahlen konnten, entstand das Konzept «Local Shared Ministry», eine Spielform der Wiederentdeckung des «allgemeinen Priestertums aller Gläubigen» (Livenet berichtete).

In England schaffte die Anglikanische Kirche mit ähnlichen Massnahmen einen regelrechten Turnaround und konnte die Mitgliederabnahme in eine Zunahme verwandeln. Auch dank starker geistlicher Persönlichkeiten wie Bischof Graham Tomlin und den Erzbischöfen Justin Welby und seinem Vorgänger Rowan Williams.

Das Beispiel England

Erfreulicherweise hat diese Entwicklung auch das Interesse von Schweizer Kirchenleitern geweckt. Zwei Mal haben hochrangige Delegationen aus der Schweiz unter der Leitung von Walter Dürr, Leiter des Instituts für Kirche und Gesellschaft an der Uni Fribourg, an Exkursionen teilgenommen und sich vor Ort über die Entwicklung informieren lassen. Daraus ist hierzulande die Bewegung «Gemeinden des Aufbruchs» entstanden, die breites Interesse gefunden hat und kürzlich in Montmirail an den Start gegangen ist.

Vor einer guten Woche haben gleich zwei Tagungen – in Basel und in Winterthur – den Faden aufgenommen und weitergesponnen. In Basel hat Bischof Graham Tomlin über die Entwicklung in England berichtet und Impulse an über 300 Teilnehmer in der Gellertkirche Basel vermittelt. Am Freitag zuvor informierte das Pfarrerehepaar Maitland/Reibenschuh in Winterthur über die interessante Entwicklung in anglikanischen Kirchen in Neuseeland.

Entscheidende Unterstützung

Spannend wird es, wenn Landeskirchen auch Geld für Projekte sprechen, die das geistliche Leben der Gemeinden stärken wollen. So geschehen in Basel, wo Kirchenratspräsident Lukas Kundert die Kirchenleitung bewegen konnte, einen Beitrag zu bewilligen, der die Herausgaben des Buches von Graham Tomlin unter dem Titel «der Blick durchs Kreuz» auf Deutsch ermöglichte.

Landeskirchenforum als wegweisendes Modell

Bereits seit Jahren findet in den reformierten Kirchen das Landeskirchenforum zunehmend Beachtung. Es verbindet vor allem Pfarrpersonen und Mitarbeitende in Kirchgemeinden, die bereits eine positive Entwicklung erleben. Sie dient der Ermutigung, hat aber auch Potential, auf Gemeinden auszustrahlen, wo der Wunsch nach einem Aufbruch allmählich erwacht. Was in wenigen Jahren möglich ist, zeigt etwa das Beispiel der Kirchgemeinde Hirzenbach in Zürich-Schwamendingen, das im Rahmen des Landeskirchenforums in Bern vorgestellt wurde.

Fazit: Viele Kirchgemeinden haben die Wahl zwischen kontinuierlichem Abbau oder dem Wagnis eines Neustarts. Es wird spannend sein, zu beobachten, welche Kirchgemeinden in den kommenden Jahren diese Impulse aufnehmen, und welche an bisherigen Konzepten festhalten. Es wird hier und da wohl nicht ohne einen gewissen Leidensdruck gehen, bis ein Hunger nach einem Aufbruch und einer Erneuerung aus geistlichen Quellen entsteht.

Zum Thema:
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Datum: 27.11.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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