Bund streicht Beiträge

Kein Geld mehr für (zu fromme) Jugendarbeit

Christliche Jugendverbände wurden vom Bund über Jahrzehnte mit Subventionen unterstützt. Einige von ihnen erhalten nun kein Geld mehr. Den Behörden sind sie wohl zu fromm.
Adonia
Die Beiträge an die Heilsarmee wurden ebenfalls gestrichen (hier das GospelArts Camp 2013).
Thomas Bösch
Jugendarbeiter der SEA Andi Bachmann-Roth

Vier Millionen Franken schüttet das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) jährlich an Fördergeldern für Jugendverbände aus. Ein erheblicher Anteil davon, nämlich etwa 670‘000 Franken, ging bisher an christliche Organisationen wie die Heilsarmee, die Mennoniten, die Methodisten, die Vereinigten Bibelgruppen (VBG), den BESJ oder auch Adonia. Doch diesen und weiteren «glaubensbasierten» Werken werden die Subventionen nun nicht mehr gewährt.

«Die Entscheidung erfolgte aus heiterem Himmel», wundert sich Thomas Bösch, Jugendsekretär der Heilsarmee. «Wir können das nicht nachvollziehen.» Jahrzehntelang erhielt die Heilsarmee die Fördergelder und nun soll sie von heute auf morgen nicht mehr subventionswürdig sein?

Instrumentalisierung des Kindes?

Eveline Zurbriggen, Bereichsleiterin des BSV für Kinder- und Jugendfragen erläutert, dass der Zweck des Jugendförderungsgesetzes bei den betroffenen Organisationen nicht erfüllt sei. «Die Frage ist, ob das Kind selbst und seine Förderung im Zentrum stehen oder ob das Kind als Mittel zum Zweck für die Ziele der Organisation instrumentalisiert wird.» Mit anderen Worten, die Heilsarmee und andere sind zu fromm, zu missionarisch. Die Glaubensvermittlung, so die Einschätzung des BSV, stehe über der Förderung des Kindes.

Besonders der Vorwurf der «Instrumentalisierung» wiegt schwer. Eine solche Aussage stellt man nicht ohne sehr genaue Prüfung in den Raum. Die Gesuchsteller müssen jeweils ein 12-seitiges Dossier einreichen. Aus dessen Aussagen und weiteren Angaben, etwa auf der Webseite, fällt das BSV seinen Entscheid. Da die Zahl der Antragsteller jedes Jahr in die Hunderte gehe, werden aber keine persönlichen Gespräche geführt. Doch gerade dieser Umstand stösst auf Verwunderung.

Thomas Bösch kann die Begründung des BSV nicht verstehen. «Wir sehen unsere Arbeit ganzheitlich», meint er. In jeder Jugendarbeit würden zwangsläufig auch Werte vermittelt. «Wenn eine wertefreie Jugendarbeit gewünscht wird, dann müssen alle über die Bücher.» Das sei nicht der Punkt, entgegnet das BSV. «Es ist sogar erwünscht, dass sich Jugendliche mit Werthaltungen und auch mit Glaubensfragen auseinandersetzen. Aber der Unterschied ist, ob eine solche Auseinandersetzung auf einem neutralen offenen Gebiet tatsächlich möglich ist», meint Zurbriggen. Bei anderen «glaubensbasierten» Organisationen ist das nach Ansicht des BSV offenbar der Fall. Unter anderen der Cevi, die katholische Jungwacht und eine jüdische Studentenorganisation erhalten weiterhin Fördergelder.

Die Frage bleibt, wie man alleine aus schriftlichen Angaben bewerten will, ob ein Kind gefördert oder lediglich indoktriniert wird, zumal keinerlei Beschwerden oder negative Rückmeldungen von Kindern oder deren Eltern beim BSV eingegangen sind. Acht der betroffenen Organisationen haben darum Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Der Entscheid steht noch aus.

Viel Raum für Missverständnisse

Andi Bachmann-Roth, Jugendsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA, erklärt: «Die Verbände sind nicht einverstanden mit dem Entscheid.» Die Glaubensvermittlung stehe gleichberechtigt neben der ganzheitlichen Förderung der jungen Menschen – und sei diesen nicht untergeordnet, wie das BSV behaupte. «Die betroffenen Verbände wollen aber auch in Zukunft auf ein vertrauensvolles Verhältnis mit dem BSV hinarbeiten.» Solange die christlichen Verbände bei den entscheidenden Stellen nicht bekannt seien, gebe es viel Raum für Missverständnisse. «Dass es auch anders geht, zeigt die äusserst konstruktive Zusammenarbeit, die einige der betroffenen Verbände mit dem Bundesamt für Sport (Jugend und Sport) pflegen», so Bachmann-Roth.

In einer multireligiösen Gesellschaft bewertet der Staat glaubensbasierte Werke zunehmend kleinlicher und restriktiver. Immer öfter müssen Christen sich erklären und Fragen nach ihrer Motivation beantworten. Das gilt gleichermassen für soziale Einrichtungen oder humanitäre Hilfswerke und wurde etwa in der medialen Debatte um die christlichen Pflegeeltern besonders augenscheinlich.

Lesen Sie das vollständige Interview mit Eveline Zurbriggen sowie einen Kommentar auf www.ideaschweiz.ch.

Zur Webseite:
Bericht Radio Life Channel

Zum Thema:
«Zu missionarisch»: Bund streicht Gelder für Adonia und Heilsarmee

Datum: 20.11.2014
Autor: Christof Bauernfeind
Quelle: idea Spektrum

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