Campo Rasa

Ein Ort intensiver Lebensprozesse

Das Rasa-Kreuz.
Meine Seele erschien in dieser urwüchsigen Vegetation wie ausgedörrt. Das Grün der Naturwiesen, ihre Fülle der verschiedenartigen Pflanzen, der Wildwuchs der Buchenhänge und Erlentäler, dies alles strömte in meine Seele wie Wasser in eine unter Wasser getauchte leere Flasche strömt. Michael Kattmann in der Moscia-Zytig im März 1973.
Der Architekt Hansruedi Koller.

Das Campo Rasa hat über die Auffahrtswoche sein 40-jähriges Bestehen gefeiert. Im Zentrum der Feiern standen Menschen, die einen Teil ihres Lebens im Campo verbracht haben.

Das Campo hatte an Auffahrt zu einem Tag der offenen Türe eingeladen, und zahlreiche Menschen aus der näheren Umgebung nahmen die Gelegenheit wahr, einmal im Bergdorf hereinzuschauen. Sie wurden von Leuten aus Rasa mit auf dem Feuer zubereiteten Polenta und Gulasch bewirtet. Am Abend gabs als Dessert ein Konzert für Orgel und Flöte mit zwei Musikerinnen, die ehemalige Rasa Mitarbeiterinnen sind.

Eine Geschichte

Hinter dem Campo Rasa steht die besondere Geschichte eines Tessiner Bergdorfs, das wohl weiter zerfallen wäre, hätte nicht ein Stadtmensch namens Hans Bürki, Mitbegründer der VBG und später international bekannter Redner und Autor, einen Ort gesucht, der Menschen in die Stille und Kontemplation führen könnte. Auf einer Wanderung von Moscia, wo die VBG bereits ein Ferienzentrum besassen, in Richtung Centovalli stiess er auf das pittoreske Bergdorf. Sein Suchen nach einem Ort der Stille schien seine Erfüllung zu finden. Wwunderbarerweise stiess er sogleich auf eine Frau, die schon mal einen Stall verkaufen wollte.

Eine Vision

Die Vision Bürkis nimmt Gestalt an, als die VBG 1962 die ersten baufälligen Häuser, Ställe und Grundstücke kaufen können. In zahlreichen „Aufbaulagern“ legen Schüler und Studierende zusammen mit wenigen Profis Hand an und stellten die Gebäude wieder instand, sodass sie sich für einen bescheidenen Gästebetrieb eignen. 1965 kann das Haupthaus „Fonte“ gekauft werden. Erste Ferienlager, begleitet von „Rasa-Hostessen“, finden statt. Anfangs der 70er Jahre steigen die VBG gar in die Landwirtschaft ein, roden vergandete Felder und kaufen die ersten beiden Milchkühe. Das Engagement in der Landwirtschaft bildet die Brücke zur ansässigen Bevölkerung. Heute gilt das Campo als gut in die Gegend integriert. Die Leitenden sprechen die Sprache der Menschen in der Umgebung, die Kinder besuchen die italienischsprachigen Schulen.

Ganzheitliches Christsein

Seit 10 Jahren betreiben Emmanuel und Renate Wieland den Landwirtschaftsbetrieb im Campo. Dieser beliefert die Gästeküche mit naturnahen, teilweise biologisch angebauten, Produkten wie Kalbs- und Rindfleisch. Das Biofleisch aus Mutterkuhhaltung wird an Kunden schweizweit verschickt. Mit einer ausgeklügelten, als Pilotanlage konzipierten Energieversorgung, in dessen Zentrum 16m2 Sonnenkollektoren sowie eine Holzenergieanlage stehen, setzen die VBG ein Zeichen für ihre ökologische Verantwortung im Zeichen eines ganzheitlich verstandenen (integrierten) Christseins.

Lebenserfahrungen

Noch wichtiger als diese Errungenschaften scheinen die vielen Lebenserfahrungen, die jugendliche und auch reifere Menschen im Campo Rasa machten. Das gemeinsame Arbeiten und das Teilen geistlicher und gemeinschaftlicher Erfahrungen beim Aufbau und Betrieb des Campo lösten intensive Prozesse aus und führten etliche durch Krisen zu neuen Lebensphasen. 1974 sandte die VBG die Familien von Hansruedi Koller, Renato Domiczek und Michael Kattmann sowie saisonweise 6 – 8 ledige Mitarbeitende nach Rasa. Sie trieben die fälligen Bau- und Umgebungsarbeiten voran und bauten ein gemeinsames Leben auf.

Laut dem Architekten Hansruedi Koller, der zuvor in Israel die Siedlung Nes Ammim geplant und längere Zeit mit seiner Frau Gerda und den Kindern in einem Kibbuz gelebt hat, beschäftigten damals das Team die folgenden Herausforderungen:

1) Wo wird das gemeinsame Leben der Christen sichtbar? (Daran wird die Welt erkennen ...)
2) Wie können wir uns in die bestehenden Dorfstrukturen einfügen, wenn wir nicht selbst beim Aufbau Hand anlegen?
3) Welches sind die sinnvollen Alternativen zur überbordenden Konsumhaltung und zum Immer-mehr-haben-Wollen?

Das Team leitet nun etliche Arbeitslager und Kurse, bei denen die starke Naturverbundenheit des Campo Rasa neue Einsichten im Blick auf Gottes Offenbarung in der Schöpfung vermittelt.

Kreativität

Der Theologe Michael Kattmann zeigt während seines einjährigen Aufenthalts, dass sich Gott nicht nur im biblischen Wort, sondern ganz stark auch in der Schöpfung offenbart. Auch das Entdecken der schöpferischen Fähigkeiten im Menschen – sie zuzutrauen und herauszulocken – prägt die Anfangszeit. Viele Kreativkurse bringen eine erstaunliche Fülle von Werken hervor, von denen etliche die Räume des Campo zieren.

Hansruedi Koller haben die Erfahrungen in Rasa schliesslich in eine kontemplative Spiritualität geführt, in die er heute Menschen in Rasa und andern Kursorten hinein führt. Die nachfolgenden Leiterehepaare Jürg und Iris Steinlin sowie Andreas und Rita Schmid haben zwar neue Akzente gesetzt, die Rasa-Philosophie aber weiter geführt und entwickelt. Das heutige Angebot „Kontemplation und Forschung“ ist daher konsequent und zukunftsgerichtet.

Datum: 04.06.2003
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch

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