Ernüchterte Reaktionen

Römische Mauer in der Abendmahlsfrage

Petersplatz
Petersdom

Heute Mittwoch beginnt in Berlin der erste ökumenische Kirchentag. Geplant sind auch gemeinsame Eucharistiefeiern für evangelische und katholische Christen. Rom hat dazu zeitig Stellung genommen – und noch massiver, als erwartet werden musste, Nein gesagt: Am Gründonnerstag veröffentlichte Papst Johannes Paul II. ein Rundschreiben zur katholischen Eucharistie.

Die Enzyklika „über die Eucharistie in ihrem Verhältnis zu Kirche“ legt die römische Lehre über das Messopfer in den Bahnen der gegenreformatorischen katholischen Theologie dar, welche das Zweite Vatikanische Konzil vor 40 Jahren aktualisierte, ohne neue Wege zu beschreiten. Neue Wege geht auch der greise polnische Papst nicht: Das 60-seitige Schreiben bekräftigt die Fixierungen des 16. Jahrhunderts, die gegen die Reformation gerichtet waren, und sagt ein scharfes Nein zu gemeinsamen Abendmahlsfeiern von Katholiken und Protestanten (zu den Einzelheiten zur Enzyklika siehe weiteren Artikel unten).

‚Tiefer Einschnitt im ökumenischen Prozess‘

Für romkritische Kreise namentlich in Deutschland, etwa die katholische Basis-Bewegung ‚Wir sind Kirche‘, markiert die Enzyklika einen neuen Tiefstand in der ökumenischen Entwicklung. Die evangelischen Waldenser in Italien kritisierten einen Rückschritt zu Positionen des Konzils von Trient: „Das ist ein tiefer Einschnitt in den gesamten ökumenischen Prozess. Türen, die dabei waren, sich zu öffnen, schliessen sich.“ Die Vize-Moderatorin der Waldenser, Maria Bonafede, sprach von einer „schlechten, arroganten Antwort an ökumenisch ausgerichtete Katholiken, die gerade in das Abendmahl grosse Hoffnungen gesetzt hatten“.

SEK: ‚Schritte der Öffnung kaum zu erkennen‘

Drei Wochen nach der Veröffentlichung in Rom äusserte sich auch der Rat des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) zum Schreiben. Er bedauerte, dass es „die römisch-katholische Position einseitig akzentuiert und dass Schritte der Öffnung hin zu einer vertieften Einheit der Christen kaum zu erkennen sind“. Der Rat deutet die Kluft diplomatisch an mit der Formulierung, er könne „sich nicht einverstanden erklären mit der zentralen Aussage des Lehrschreibens, dass nur eine durch das römische Weihepriestertum zelebrierte Eucharistiefeier authentisch sei.“

Der SEK-Rat, der die Schweizer Protestanten vertritt, erinnert an vier „Grundpositionen des evangelischen Abendmahls- und Kirchenverständnisses“:
- Jesus Christus selbst, das Haupt der Kirche, ist es, der zum Abendmahl einlädt. Seine Einladung ist wichtiger als konfessionelle Unterschiede.
- In der Mahlfeier ist der auferstandene Christus gegenwärtig. Die Verheissung seiner Gegenwart gilt, wo Menschen in seinem Namen versammelt sind zu Lobpreis, Brotbrechen und Bitte um den Heiligen Geist.
- Die Gegenwart Jesu Christi ist nicht exklusiv an das Sakrament gebunden. Der Gekreuzigte und Auferstandene ist gegenwärtig in seinem Wort wie im Sakrament.
- Die Kirche Jesu Christi überschreitet immer die Grenzen einer einzelnen Konfession. Die Kirchen der Reformation sind ebenso Teil des Leibes Christi wie ihre Schwesterkirchen.“

Bröckelnde Mauern einer alten Festung

Wie man die ökumenischen Bemühungen der letzten Jahrzehnte auch einschätzt, und ob man will oder nicht: Das Papstschreiben lässt die alte Frage in neuer Schärfe aufkommen, ob es eine wahrhaft ökumenische Öffnung der katholischen Kirche (der Weltkirche, nicht nur einzelner Gemeinden, Basisgruppen, Geistlicher und Laien) überhaupt geben kann.

Das Schreiben aus dem Vatikan zeigt, im Bild gesprochen, dass die Leitung der Weltkirche versucht, das Mauerwerk einer uralten Festung zu erhalten. Protestanten dürften gut daran tun, sich im Blick aufs 21. Jahrhunderts die Kirchengeschichte in Erinnerung zu rufen. Deren scharfe Kontroversen sind nicht überwunden; sie sind weiterhin aktuell, auch wenn man in Berlin die Augen davor verschliessen möchte.

‚Wissen die Drängenden, was sie tun?‘

In der Neuen Zürcher Zeitung bringt der Erlanger Konfessionskundler Werner Thiede die Sache auf den Punkt. Den Gruppen, die in Berlin gemeinsame Eucharistiefeiern anbieten wollen, stellt der lutherische Theologe die Frage: „Zeugt solch ökumenischer Herzenswunsch von lobenswertem praktischem Rigorismus oder von tadelnswerter konfessionskundlicher Ignoranz?“

Thiede legt die römische Lehre dar und zitiert dabei das katholische Kompendium von Neuner-Roos: „Priester und Opfergabe sind Christus, der sich durch den Priester opfert“. Laut dem Theologen Edmund Schlink hat die katholische Lehre vom Messopfer keine neutestamentliche Basis: Nicht der Empfang der Gnade stehe da im Vordergrund, sondern das Tun der Heilsanstalt Kirche; dieses Tun sei „selbst zum Gegenstand der Betrachtung und Deutung gemacht worden“. Thiede zieht in der NZZ eine Parallele zur römischen Rechtfertigungslehre: „Im Zentrum steht die Gnade, doch deren Empfänger spielt sich mit in den Vordergrund, macht sich zum Kooperator des Sühnopfer- und damit des Heilsgeschehens“.

Die katholische Lehre vom Messopfer ist mit dem Evangelium, wie es Protestanten verstehen, nicht zu vereinbaren. Thiede bilanziert illusionslos: „So wenig die Rechtfertigungsproblematik ökumenisch-theologisch tatsächlich gelöst ist, so wenig ist es auch die Eucharistieproblematik.“

Freikirchen haben anderen Grundansatz

Im Raum der evangelischen Freikirchen sieht es anders aus; denn da wird die Frage nach der Zulassung zum Abendmahl nicht institutionell, sondern individuell geregelt. In der Praxis des öffentlichen Gottesdienstes werde die Teilnahme meistens der Verantwortung des Einzelnen überlassen, sagte der Präsident des Verbands der Freikirchen und Gemeinden der Schweiz (VFG), Max Schläpfer, gegenüber der Zeitschrift idea-Spektrum. Schläpfer verwies auf ein Wort des Apostels Paulus im ersten Brief an die Korinther: "Es prüfe sich ein jeder selbst!"

Die Position der Katholiken, wie sie der Papst darlege, sei in ihrer Theologie absolut folgerichtig, meint Schläpfer. Wenn nur die Kirche das Heil spenden könne, dann dürfe auch nur der Mensch zum Abendmahl zugelassen werden, der aus dem Sakrament dieser Kirche lebe.

Die Stellungnahme des Kirchenbunds ist nach Auffassung des VFG-Präsidenten aus seiner theologischen Sicht gut. "Als Freikirchler haben wir natürlich einen entschieden anderen Grundansatz", sagt Schläpfer: Am Abendmahl teilnehmen sollten nur Menschen, welche erlöst worden sind, die Vergebung der Sünden erhalten haben, die Gewissheit der Errettung im Herzen kennen und zur Gemeinde gehören. Damit geschehe eine Unterscheidung, die in der Volkskirche nicht stattfinden könne.

Datum: 28.05.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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