Bekenntnisbewegung

Vieles in der Volkskirche ist noch schlechter geworden

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Filderstadt – Die Volkskirche hat sich nach Einschätzung der Bekenntnisbewegung “Kein anderes Evangelium” in den vergangenen vier Jahrzehnten nicht zum Besseren gewandelt. Vieles sei “sogar noch schlechter geworden”, sagte der Vorsitzende der Bekenntnisbewegung, Pfarrer Hansfrieder Hellenschmidt (Filderstadt bei Stuttgart), in einem idea-Interview. Die Bekenntnisbewegung war Mitte der sechziger Jahre aus Protest gegen eine liberale Theologie und eine zunehmend gesellschaftspolitisch orientierte Kirche entstanden. Die Bewegung trat 1966 mit einer Grosskundgebung in der Dortmunder Westfalenhalle (24.000 Teilnehmer) an die Öffentlichkeit.

Wie Hellenschmidt weiter sagte, habe damals niemand daran gedacht, homosexuelle Lebensgemeinschaften zu segnen, wie es heute in den Kirchen üblich werden solle. Nach seinen Worten wäre es damals auch undenkbar gewesen, Gottesdienste mit Moslems zu feiern. Selbst die Ablehnung der Frauenordination sei noch weithin vertreten worden. Heute könne in keiner Landeskirche jemand mehr Pfarrer werden, der Frauen im Pfarramt ablehne. Auch die Frage des Bibelverständnisses sei in den Kirchen nie geklärt worden. “Die historisch-kritische Theologie, in der der Skeptizismus des Unglaubens steckt, schwingt immer noch ihr Zepter, und eine undifferenzierte Ökumenebegeisterung nach allen Seiten ist fast an allen Orten anzutreffen”, so Hellenschmidt.

Kirche vom Evangelium her erneuern

Auf die Frage, ob das Engagement der Bekenntnisbewegung erfolglos gewesen sei, sagte er: “Nicht die Erfolge, sondern die Frucht ist entscheidend. Es geht uns nicht darum, die Kirche in Gang zu halten, sondern sie vom Evangelium her zu erneuern.” Was Frucht sei, werde man aber erst in der Ewigkeit sehen. Zur Gründung freier bekennender Gemeinden durch einige Mitglieder des Leitungskreises der Bekenntnisbewegung sagte der Theologe: “Es ist der Versuch einiger Brüder, die es nicht mehr aushalten können, was heute in der Kirche möglich ist.” Das geschehe aber nicht im Auftrag der Bekenntnisbewegung. Sie sehe ihren Weg noch immer in den Landeskirchen.

Freikirchen haben die Fehlentwicklungen der Volkskirche oft übernommen

Den Aufbau einer eigenen Kirche lehnte Hellenschmidt ab. Die Krisen, in der fast alle Freikirchen steckten, zeigten, dass hier nicht die Alternative liege. Die Freikirchen hätten oft nach wenigen Jahrzehnten die Fehlentwicklungen der Volkskirchen übernommen, von der historisch-kritischen Methode bis zur Frauenordination. Hellenschmidt: “Das Heil liegt also offensichtlich nicht in der Gründung neuer Kirchen, sondern darin, in der Kirche, in der man sich befindet, sich eindeutig und allein an der Bibel zu orientieren und sich gleichzeitig glaubwürdig zu Jesus Christus zu bekennen und entsprechend zu leben.” Der Theologe bekräftigte das Nein zur Frauenordination. Man freue sich über Frauen, die in der Diakonie, Frauenarbeit oder Seelsorge tätig seien: “Wir können aber doch nicht in einer Kirche, in der allein die Schrift der Massstab ist, über die klaren Aussagen der Schrift gegen Frauen im Amt der Lehre und der Verkündigung hinwegsehen.” Es sei nicht gut und rechtens, dass die Landeskirchen in dieser Frage gegen die Bibel entschieden hätten.

Vorwurf der Radikalisierung ist haltlos und verletzend

Als haltlos und verletzend wies Hellenschmidt den Vorwurf von Teilen der evangelikalen Bewegung zurück, die Bekenntnisbewegung habe sich in den vergangenen Jahren radikalisiert. Die Kritiker hätten diese Anschuldigung nie belegen können. Man könne aber “nicht den Weg mitgehen, an dessen Ende eine gruppendynamische Frömmigkeit steht”. Hellenschmidt zufolge hat es von Anfang an in der Bekenntnisbewegung zwei Richtungen gegeben. Die einen hätten die Notwendigkeit der biblischen Lehre unterstrichen, die anderen das Schwergewicht auf die Evangelisation gelegt. Dabei brauchten beide Richtungen einander: “Lehre ohne Evangelisation erstarrt zur Orthodoxie, und Evangelisation ohne Lehre steht in der Gefahr zu verflachen, einseitig zu werden.”

Kritik an “ProChrist”: Das Verhätnis zur katholischen Kirche ist ungeklärt

Der Theologe räumte ein, dass nicht alle Landesverbände den Kurs der Bekenntnisbewegung teilten. Manche hätten sich umbenannt oder aufgelöst; einer sei ausgetreten. Diese Landesverbände hätten sich daran gestossen, “dass wir kritisch zu Willow Creek und den neuen Evangelisationsformen bei ProChrist und zur evangelikalen Seelsorgebewegung genommen haben, weil sie psychotherapeutisch orientiert ist”. Die meisten Mitglieder der Bekenntnisbewegung beteiligten sich dennoch aktiv an ProChrist. Sie seien nicht prinzipiell gegen Evangelisation.

Die Bekenntnisbewegung kritisiere, dass bei ProChrist das Verhältnis zur katholischen Kirche ungeklärt sei. Es stelle sich die Frage, ob man “Bekehrte” in die katholische Kirche schicken könne angesichts der dort herrschenden Lehre. “Rom” habe sich in manchen Punkten noch weiter von den biblischen Aussagen entfernt als zur Zeit Martin Luthers. So habe es damals noch nicht das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes gegeben. “Solange die Ökumene nur unter einem Papst vorstellbar ist und unter Beibehaltung wesentlicher katholischer Dogmen, die antireformatorisch sind, können wir kein Ja zu einer solchen Ökumene sagen”, so Hellenschmidt.

Datum: 23.06.2002
Quelle: idea Deutschland

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