„…wo Christus zum Greifen nahe ist“
Neue Gemeinden gründen in Gebieten, wo es seit Jahrhunderten Kirche gibt? Mit feiner Selbstironie legte der Evangelist und Pastor mit russlanddeutschen Wurzeln dar, warum er nicht von seiner „Krankheit“ lassen kann, Gemeinden zu gründen: Das Evangelium von Jesus Christus, die Gute Botschaft, dass Gott Menschen rettet, ist in jeder Generation allen Bevölkerungsgruppen zu sagen. Der entsprechende Begriff im Neuen Testament (ethnä) meint laut Reimer nicht nur Völker, sondern auch ihre Teilgruppen, die sich sozial-kulturell unterscheiden.
Konkret: Die deutschen Arbeiter lebten und leben nicht in derselben Welt wie die Oberschicht; sie sprechen nicht dieselbe Sprache. Und sie, die Arbeiter, wurden laut Reimer vom Evangelium nur oberflächlich berührt. Das heisst: Auch mitten in Europa ist noch viel zu tun: „Erst wenn alle Bevölkerungsgruppen das Evangelium so laut gehört haben, dass jeder es vernehmen konnte, ist der Auftrag von Jesus erfüllt!“
Damit dies geschieht, muss das Evangelium ständig neu in die einzelne Kultur hinein übersetzt werden. Reimer sieht im Neuen Testament bei den Aposteln einen erstaunlichen Willen, das Vorgegebene anzupassen (Kontextualisierung). Wie stark unterschied sich die lockere Gemeinschaftsstruktur der urchristlichen Gemeinde in Jerusalem von der Ordnung der Gemeinden, welche die Briefe des Paulus an Timotheus beschreiben! Reimer sieht darin keinen Widerspruch; vielmehr sei es faszinierend, das Neue Testament aus dem Blickwinkel der Mission zu lesen.
Gemeinden gründen, wo Kirche auf dem absteigenden Ast ist
Die Gesellschaften in Mitteleuropa sind heute multikulturell geprägt. Gleichzeitig ist ihre „Durchdringung mit dem Evangelium gewaltig am Abnehmen“. Auch manche traditionellen Freikirchen schrumpfen. In Deutschland geniessen Polizei und Feuerwehr in der Bevölkerung laut Umfragen mehr Vertrauen als die Kirchen.
Reimer erwähnte auch, dass es zwischen Kiel und Konstanz deutlich mehr Geistheiler und Magier gibt als kirchliche Vollzeiter. „Wir leben in einem postchristlichen Europa.“ Es genüge nicht, über die Vergangenheit nachzudenken, sagte der 50-jährige Missionsexperte mit Blick auf die Dynamik des Christentums etwa in Afrika: „Neue Gemeinden braucht das Land, wo Christus zum Greifen nahe ist.“
Tradition auf dem Prüfstand
Johannes Reimer, der bisher bei 15 Gründungen mitgewirkt hat, verschwieg nicht, dass neue Gemeinden alte in Frage stellen: „Tradition steht auf dem Prüfstand, sobald neue Gemeinden gegründet werden.“ Dabei geht es nicht darum, Altbewährtes wegzuwerfen – es soll, in neue Formen gegossen, attraktiv dargeboten werden.
Der Referent, der selbst den Sprung aus der Sowjetunion in den Westen gemacht hat, erinnerte an die Immigranten: „Neue Gemeinden ermöglichen kreative Evangelisation unter zugewanderten Gruppen.“
Ein Bericht über den gesamten Kongress folgt.
Livenet-Vorschau:
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/181/12766/
Webseiten der Veranstalter:
www.focusuisse.ch
www.igw.edu
Datum: 20.03.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch