Bullinger über Anstössiges
Folgendes ist ein Ärgernis: Etwas zu reden oder zu tun, wodurch der Mensch verärgert, d.h. arg und böse gemacht wird, oder wodurch der Erfolg des heiligen Evangeliums aufgehalten oder verhindert wird. Solche Reden und Taten findet man in der Lehre und in den Sitten der Menschen.
Die Lehre macht dann ein Ärgernis, wenn sie falsch ist und die Menschen verführt; oder aber dann, wenn sie zwar recht ist, aber nicht recht ausgeführt und dargelegt wird, etwa zur Unzeit, ohne Befugnis und in jeglicher Art von Unbescheidenheit; dadurch bekommen die Leute einen Hass auf das Evangelium wegen des unbekömmlichen Predigers, und bleiben derart immer und dauernd in Irrtümern stecken. Dieses Ärgernis ist eine grosse Sünde und ein mächtiger Schaden, den Gott hasst und streng bestraft; darum hüte sich jedermann davor.
Das Tun und Reden der Menschen sind ein Ärgernis, wenn sie wider das Gebot Gottes geschehen, wider Zucht und Ehrbarkeit, so, dass es anderen darob schlechter ergeht; z.B. wenn ein anderer dein Fluchen, dein Saufen, dein Huren, deine Hoffart nachahmt, oder wenn er durch dein schlechtes Beispiel schlechter und weniger gottesfürchtig wird als er zuvor war. Wie schwerwiegend das ist, das lies in Matth.18, 6-10. Es gibt aber auch etliche von Gott erlaubte Dinge, die, zur Unzeit oder ohne Befugnis gebraucht, andere ins Ungemach bringen; etwa wenn du vor einem Glaubensschwachen Fleisch issest (in der Fastenzeit).
Wann man das Ärgernis nicht beachten soll
Man soll sich auch über das bewusst sein: Es gibt auch ein Ärgernis, das vom Vertrauenslosen ausgeht und den Vertrauensgläubigen betrifft.; z.B. lebt der Gläubige guter Dinge und erfreut sich seiner Freiheit, ohne Unschicklichkeit, niemandem zum Trotz oder zuleide, sondern einzig zur Ehre Gottes und zu seiner eigenen Notdurft; oder es redet einer recht und bescheiden gemäss dem Evangelium von Gott und seiner Sache; oder er nimmt eine Ehefrau; oder er isst Fleisch zu einer von Menschen verbotenen Zeit.
Nun aber gibt es vertrauenslose, ja sture streitsüchtige, nicht einfältige, schlechte und schwache Leute, die sich ärgern über das Gute, das der Vertrauensgläubige getan hat. Unser Schutzherr Christus und Paulus, lehren, ein solches Ärgernis nicht zu beachten. Siehe Matth.15,12-14 und 1.Kor.10. Denn wenn man diese Leute fortwährend schonen müsste, da würde man nimmermehr von Gott reden noch die Freiheit, die Gott uns gegeben hat, gebrauchen. Das ist aber nicht Gottes Meinung.
Weitere Texte von Bullinger:
Bullinger über Frömmigkeit: Sich einzig an Gott und sein Wort halten
Viel mehr als Wissen: Glauben ist Vertrauen
Bullingers Leben:
www.livenet.ch/www/index.php/D/article/151/16854/
Autor: Heinrich Bullinger
Übersetzer: Siegfried F. Müller
Datum: 10.07.2004
Quelle: Livenet.ch