Glaube tut der Seele wohl

Auch wenn sie leidet

Religiöse Menschen leiden weniger häufig an seelischen Krankheiten und genesen eher und rascher als jene, die ohne Gott durchs Leben gehen und in keine Glaubensgemeinschaft eingebunden sind. Dies belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien im angelsächsischen Raum. Der führende US-Experte Harold Koenig, Professor an der Duke University in Durham, North Carolina, stellte die Ergebnisse am Samstag, 17. September, an einem Fachseminar in Langenthal vor. 100 Ärzte, Psychotherapeuten, Theologe und Fachleute aus Pflege und Diakonie besuchten die Veranstaltung in der christlichen Klinik SGM. Der Referent, Verfasser des „Handbook of Religion and Health“, räumte ein, dass es bei Menschen mit Neurosen vorkommt, dass Religion Genesungsprozesse behindert. Religiöse Inhalte und Appelle könnten bei Neurotikern Denkschablonen und zwanghaftes Verhalten fördern. Dies sei aber nicht der Religion anzulasten, sondern dem Umgang mit ihr, sagte Koenig. Coping: Religion hilft, das Schwere zu bewältigen Es kommt auch vor, dass religiöse Menschen in Angst gehalten und am Gang zum Arzt gehindert oder ihre Lebensprobleme vernebelt werden. Normal ist aber gerade das Gegenteil: „Religion is a powerful coping behavior“ – Religiosität hilft, mit dem Schweren im Leben zu Rande zu kommen (vgl. das Sprichwort: Not lehrt beten). Koenig hatte als Allgemeinpraktiker mit erstaunlich vitalen Senioren zu tun und wurde durch sie zu vertieften Forschungen animiert. In Langenthal gab er einen faszinierenden Überblick darüber, wie Zusammenhänge zwischen seelischer Gesundheit und Religiosität sich Wissenschaftlern darstellen. Lebenskraft aus dem Gebet Eine einsame 83-jährige Frau, durch Arthritis an den Rollstuhl gefesselt und von Schmerzen gepeinigt, hatte doch eine positive Lebenseinstellung und kümmerte sich gar um Andere – die Kraft dazu schöpfte sie aus dem Glauben. Sie sagte dem Forscher: „Ich bete und vertiefe mich ins Gebet – und plötzlich wird der Schmerz erträglich… Ich gebe Gott mein Herz und meine Seele, und da gehen die Sorgen weg. Gott sorgt für mich.“ Von 337 befragten Patienten im Duke Hospital sagten 300, Religion sei für sie bedeutend, wichtig oder entscheidend, um ihr Leiden zu bewältigen. Eine Studie ergab, dass stark religiöse Menschen sich innert Jahresfrist fast doppelt so häufig von einer Depression erholten – unabhängig von der angewandten Therapie. Glaube bewahrt vor Verzweiflung, hilft gegen Angst Je häufiger der Gottesdienstbesuch, desto tiefer die Suizidrate – dies traf gemäss einer Studie von 1984 auf die Bevölkerungsgruppen weisse Männer, schwarze Männer und weisse Frauen zu. Bei schwarzen Frauen in den USA, die treu zur Kirche gehen, war keine statistische aussagekräftige Selbstmordrate zu erheben (Journal of Clinical Psychology 40, 1166-1169). Eine Untersuchung, Anfang der 90-Jahre mit fast 3000 Erwachsenen durchgeführt, ergab: Regelmässige Kirchgänger aller Generationen leiden halb so oft an schweren Angstzuständen wie jene, die kaum den Gottesdienst besuchen (Journal of Anxiety Disorders 7, 321-342). Glaube, Gebet und Gemeinschaft helfen

Das Team von Harold Koenig hat sämtliche bis zum Jahr 2000 veröffentlichten Studien in englischer Sprache, die Religion und seelische Gesundheit in Beziehungen bringen, erfasst. Ausser in Bereich von Angsterkrankungen (bloss die Hälfte) ergaben die meisten Forschungen, dass religiöse Menschen gesünder leben, weniger erkranken und eher, rascher und besser genesen als Menschen, die ohne Gott durchs Leben gehen und in keine Glaubensgemeinschaft eingebunden sind.

Schwerwiegende Folgen von Freuds Nein zur Religion
Die Zahl der Studien, die Koenig registrierte, hat sich innert 15 Jahren vervierfacht und der Trend ist ungebrochen (2900 wissenschaftliche Artikel allein in den Jahren 2000-2005!). Dass die Wissenschaft den Faktor Spiritualität erst entdeckt, hat mit ihren überholten antireligiösen Voraussetzungen zu tun. Der Referent verwies auf den „gewaltigen Einfluss“ von Sigmund Freuds Religionsverständnis, das Generationen von Psychiatern beidseits des Atlantiks prägte. Der Atheist und Vernunftmensch Freud glaubte, dass Religion als verhängnisvolle Illusion dem Menschen Freiheit und Selbstbestimmung vorenthält.

Am Anfang waren die Quäker
Die Psychiatrie im Fahrwasser Freuds wollte mit Religion nichts zu tun haben und schloss Seelsorger aus den Kliniken aus. (In der Geschichte hatten religiöse Gruppen wie die Quäker als erste Geisteskranke adäquat behandelt.) Im Zeichen von Fortschritts- und Vernunftgläubigkeit wurden krankmachende Aspekte von Religiosität (Angst, Neurosen, Abgehobenheit) hervorgehoben, Positives ausgeblendet. In den letzten Jahrzehnten hat in den USA jedoch ein Paradigmenwechsel stattgefunden.

Europäische Forscher im Kommen
Auch in Europa werden die Zusammenhänge neuerdings eher wahrgenommen. René Hefti, der Leiter der Psychosomatik an der SGM-Klinik in Langenthal, hatte für den Nachmittag drei Forscher eingeladen. Der Holländer Arjan Braam untersucht, was Religiosität zur Bewältigung von Altersdepressionen beitragen kann. Die Langzeitstudien deuten auf verschiedene Muster bei strengen Calvinisten, Katholiken und religiös ungebundenen Menschen hin.

Wege der Vergebung
Der Genfer Psychiater Philippe Huguelet fand heraus, dass Schizophrene, denen der Glaube viel bedeutet, oft darüber mit ihren Ärzten nicht reden können. Martin Grabe, Chefarzt der Klinik Hohe Mark in Hessen, stellte Wege der Vergebung vor.

Die Pausen in der Klinik SGM ermöglichten den Teilnehmenden den Austausch mit Fachkollegen und Freunden. Im abschliessenden Podiumsgespräch fragte der Riehener Psychiater Samuel Pfeifer die Referenten, welchen Platz sie der Bibel in ihrer Arbeit geben und wie (und unter welchen Bedingungen) sie Klinikseelsorger einbeziehen.

Webseite der Klinik SGM in Langenthal

Datum: 26.09.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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