Seminararbeit in klinischer Psychologie

Gesunder Glaube?

Macht der christliche Glaube gesund - oder eher krank? Eine Fragestellung, die in unterschiedlichen Studien aufgegriffen worden ist und je nach Art der Untersuchung zu verschiedenen Antworten geführt hat. Allerdings gibt es auch falschen Glauben! Das ist wohl die Wurzel für alle Fehlleitungen und Auswüchse ...
Gesundheit!

Der Berner Psychologiestudent Beat Stübi hat mit seiner Seminararbeit in klinischer Psychologie "Pathogen oder salutogen?" einige Auswirkungen von Religiosität auf die psychische Gesundheit aufgezeigt. Er untersuchte dabei Zusammenhänge zwischen Psychologie und Religion.

Wann krank machend ...

Für Siegmund Freud - so Stübi - neigt Religion dazu, "schlechte menschliche Institutionen zu sanktionieren", sie lehrt "den Menschen an eine Illusion zu glauben" und verhindert "kritisches Denken". Alfred Adler verurteilt die zu starke Betonung der Emotionalität und warnt vor einschränkendem Dogmatismus.

Der Berliner Arzt Klaus Thomas hat eine Untersuchung in hundert Pfarrfamilien durchgeführt. Er diagnostizierte 75% ekklesiogene Neurosen, d.h. "Persönlichkeitsstörungen, reaktive Störungen, Sexualstörungen und sonstige Erkrankungen mit allesamt religiösen Ursachen".

Die religionspsychologischen Standardwerke nennen laut Stübi die folgenden Argumente, um "die krank machende Funktion der Religion" zu verdeutlichen:
"Religiöse Erziehung mache unmündig und versklave, religiöse Dogmen engen den Menschen ein, Schuldgefühle würden genährt statt überwunden, eine gesunde sexuelle Entwicklung werde behindert, Drohpredigten führten zu irrationalen Ängsten, das christliche Menschenbild beeinträchtige das Selbstwertgefühl des Gläubigen, Ärger dürfe nicht gezeigt werden und werde verdrängt, Feindbilder führten zu Intoleranz, überhöhte moralische Ansprüche liessen Menschen neurotisch werden, Konformität werde belohnt, autonomes Verhalten bestraft, über Jahrhunderte seien Frauen als minderwertig angesehen und unterdrückt worden".

... oder gut für die Gesundheit

Die ursprünglich christlich motivierten "Anonymen Alkoholiker" haben ein erfolgreiches Ausstiegprogramm entwickelt, das in der Folge zur Grundlage vieler Selbsthilfegruppen geworden ist. "Ein wesentliches Element ihres therapeutischen Erfolges ist der Glaube an eine höhere Macht, welcher den Alkoholiker in seinem Ausstiegprozess stützt", so Stübi.

Als Argument aus der gängigen Literatur für eine gesund machende Religion nennt Stübi: "Religion reduziert existentielle Ängste, das religiöse Weltbild strukturiert das wahrgenommene Chaos an Informationen, die religiösen Rituale und ethischen Richtlinien geben Sicherheit, ein Leben auf Gott hin erscheint sinnvoll und lebenswert, Leiden und Schmerz können überwunden werden, der Glaube an eine höhere Macht führt zu Kontrollüberzeugungen, d.h. die Überzeugung, dass Lebensereignisse von einem selbst beeinflusst werden können, Glaubensgemeinschaften ermöglichen soziale Integration und Identität, die Frage zum Leben und dem Tod findet eine Antwort, für Alltagsprobleme lassen sich Lösungsansätze finden, religiöse meditative Praktiken verhindern Stress".

Die Wurzel für ungesunde Wirkungen

Die Wurzel für die ungesunde Wirkung der Religiosität liegt gemäss Stübi in der "Unterscheidung von extrinsischer und intrinsischer Religiosität". Es besteht also ein grosser Unterschied darin, ob die Religiosität von aussen her (extrinsisch) angeregt und nicht aus eigener innerer Überzeugung erfolgt, oder ob der Anreiz von innen her (intrinsisch) und aus eigenem Antrieb kommt. Der intrinsische Mensch lebt seinen Glauben aus Überzeugung, hat ihn verinnerlicht und andere Bedürfnisse den religiösen untergeordnet. Der extrinsische Gläubige nimmt die Glaubensinhalte nicht so wichtig oder "wählt aus Nützlichkeitsüberlegungen diejenigen Inhalte aus, welche ihm zur Selbstrechtfertigung dienen oder ihm einen gesellschaftlichen Status erhalten". Besonders schädlich ist gemäss Stübi offenbar eine extrinsische Religiosität "die mit viel religiöser Aktivität gekoppelt ist".

Die biblischen Berichte legen nahe, dass schon Jesus diesen Unterschied zumindest sinngemäss gemacht hat. Er bekämpfte die heuchlerische. äusserliche Religiosität der Pharisäer und lobte Handlungen und Haltungen des Glaubens, die aus dem Herzen kommen (Lukas Kapitel 18, Verse 9-14).

Datum: 26.03.2004
Autor: Hanspeter Schmutz
Quelle: Bausteine/VBG

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