Sucht das Gespräch

Baselbieter Pfarrer macht „Seelsorge im Coop-Restaurant“

Die Basler Zeitung brachte ein kleines Porträt des reformierten Oberwiler Pfarrers Beat Müller, der regelmässig an einem Tisch des Coop-Restaurants zu finden ist, wo er auf Menschen wartet, die mit ihm das Gespräch suchen.

Im Coop-Restaurant Oberwil gebe es seit den Sommerferien nicht nur Lebensmittel, sondern auch seelsorgerische Gespräche, berichtet die baz am 5. November 03. Pfarrer Beat Müller sei dort jeden Dienstag für eine Stunde als Gesprächspartner zu haben.

Von seinem Tisch am Fenster des Restaurants habe Müller den Überblick: Er habe sowohl das Innere des Oberwiler Coop-Restaurants als auch die Passanten auf der Strasse im Blickfeld. Dort winke er vorübergehenden Bekannten zu, klopfe auch einmal an die Scheibe. Der Coop in Oberwil sei der ideale Ort, um Menschen zu treffen, verrät der Pfarrer der Zeitung.

Über alles reden

„Früher waren Marktplätze und Kirchen die Zentren der Dörfer“, sagt Müller. Heute sei das anders: Das Zentrum Oberwils sei der Coop. „Die Leute kommen hierher, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen“, so Müller. Zu diesem Nötigsten gehöre neben Nahrungsmitteln auch die Kommunikation mit anderen Menschen. Deshalb sitzt der Pfarrer jeden Dienstagmorgen von neun bis zehn Uhr an seinem Fensterplatz. Wer will, kann sich dazusetzen. Diese Stunde ist für Gespräche aller Art reserviert.

Natürlich will die Zeitung wissen, worüber die Leute im Coop-Restaurant mit einem Pfarrer sprechen wollen. Selbstverständlich muss sich die Unterhaltung „keineswegs um religiöse Themen drehen“. Das seelsorgerische Gespräche könne auch ganz locker und unverbindlich geführt werden. Deshalb finden sie im Coop auch nicht unter vier Augen statt. Manchmal kämen zwei Personen, manchmal zehn, um sich zu unterhalten. Dabei entstehe auch der Kontakt zwischen Menschen, die von den gleichen Problemen betroffen sind oder ähnliche Interessen pflegten.

„Oft geht es ganz einfach darum, wie es den Menschen seit ihrer letzten Begegnung mit mir ergangen ist“, erzählt Müller. Die meisten Leute, die sich am Dienstagmorgen an seinen Tisch setzen, hat Pfarrer Müller schon in anderen Zusammenhängen kennen gelernt: bei Bestattungen, Krankenbesuchen oder Taufen. Auch wenn diese Begegnungen oft schon Jahre zurücklägen, könne man den Faden leicht wieder aufnehmen und weiterspinnen, sagt Müller.

Sehen und gesehen werden

Die Kirche geht auf diese Weise an die „Hecken und Zäune“. Sich an Menschen zu erinnern und sich selbst bei diesen in Erinnerung zu rufen, sei für Beat Müller ein wichtiger Teil seiner Arbeit. Seit 1981 ist er Pfarrer in Oberwil. In seinen 22 Arbeitsjahren hat er in der Gemeinde wie viele landeskirchliche Pfarrer viele Menschen getroffen und wieder aus den Augen verloren. Im Coop sieht er sie wieder. Er wünsche sich, dass in Zukunft auch fremde Menschen zu ihm kämen. Denn gerade deshalb habe er ja das Coop-Restaurant gewählt, um auch Leute zu erreichen, die nicht in die Kirche gehen würden. Vielleicht werde er nächstes Jahr eine weitere Stunde für diese Art von Gesprächen reservieren.

Es wird der gleiche Ort sein, denn der „Ausguck“ am Fenstertisch ist zu gut. Dienstags steht darauf immer ein Blumenstock als Erkennungszeichen.

Ob Pfarrer Müller mit dieser Idee auch schon Menschen bewegen konnte, wieder in seine Gottesdienste zu kommen, hat er der baz leider nicht verraten.

Quelle: Livenet/ baz

Datum: 10.11.2003
Autor: Fritz Imhof

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