Platonisch poligame Anbetung

Anbetung
worship

Die Bibel vergleicht Christus mit dem Liebhaber und die Gemeinde mit dessen Geliebter. Anbetung ist infolgedessen die Liebeserklärung der Geliebten an ihren Liebhaber.

Weiter beschreibt die Bibel die Einheit zwischen Christus und Gemeinde mit dem Bild des Kopfs und eines Leibes. Eine gesunde Liebesbeziehung zu Christus beschränkt sich somit nicht auf eine Bewunderung des edlen und vollkommenen Hauptes allein. Sie schliesst den Leib - die Gemeinde - mit ein, samt dessen Runzeln und Flecken.

Ich als postmodern gestylter Christ "mache Wörschipp". Nicht ganz uneigennützig. Soll mich doch der Sound der Liebessongs in geistliche Höhen emporhieven, wo ich Christus, dem Haupt in geistlichen Sphären zu huldigen gedenke.

Dies fällt mir umso leichter, je weniger Makel am irdischen Leib des Herrn haftet, wie z.B. der scheinbar hörbehinderte Tonmixer und taktlos laute Drumer; oder jene linke Hand von Leiter, der anders ist als ich und deshalb weniger Geist-durchlässig; oder Heini vorne links, diese verletzende Faust aufs Auge, deretwegen ich seit vorletztem Herbst tief gekränkt bin und bisher erfolglos am Thema Vergebung zu nagen habe. Wenn derlei Ungemach zu viel wird, entflieht der Geist; mein Abheben misslingt.

Und wenn's der allzu irdische Leib des Herrn, dem ich angehöre, auf die Dauer nicht bringt, weil ich - als wohlgeformter Körperteil - mich allzusehr von der runzligen Umgebung abhebe, gibt's ja gottlob noch andere Leiber Christi: Überkonfessionelle Power-Dreitagesfliegen. Begeisternde christliche Angebote auf dem Berg der Verklärung, ohne den ernüchternden Anspruch Jesu, mich wieder dem Alltag zu stellen. Oder die neuste Miss Schweiz unter den Gemeinden.

Impulsgeber von aussen sind wichtig. Viele tragen dazu bei, eingetrocknetem geistlichem Liebesleben wieder auf die Sprünge zu helfen. Dort jedoch, wo Impulse in unreifer Weise aufgenommen werden, können sie zu Seitensprüngen führen. Zu einer Art von Poligamie, welche die Alltagsliebe zur Alltagsgemeinde, der man (noch) angehört, vergessen lässt.

Liebe in vollkommenen, geistlichen Sphären erzeugt kaum Früchte. Denn nur wer sich begeistert mit Christus und seinem Leib, "meiner" Gemeinde, identifiziert, wird wirkungsvoll Menschen in dieselbe einladen können.

Poligame Liebe erzeugt Früchte, die geistliches Bodybuilding behindern: Illusionen, Überheblichkeit, Unzufriedenheit, Unverlässlichkeit, Unverfügbarkeit, Untreue...

Reife und fruchtbare Anbeter sind begeistert über Christus - von Kopf bis Fuss. Sie sind begeistert über das Wunder des Leibes Christi, unabhängig von mehr oder weniger Runzeln und Flecken. Reife und fruchtbare Anbeter sind im guten Sinn desillusioniert aber halten am Glauben fest. Sie sind trotz allem zufrieden, verlässlich, verfügbar und treu und machen dadurch die Vitalität der Braut Christi aus.

Und sie leben aus dem demütigen Bewusstsein heraus: Solange ich Teil des Leibes Christi bin, wird dieser nie ganz ohne Runzeln sein.

Datum: 27.11.2002
Autor: Andreas Rossel
Quelle: online/BewegungPlus

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