Männerfragen

Wie lieb muss ein Mann sein?

Der moderne Mann sollte als versierter Hausmann und bessere Mutter auch bevorzugt einfühlsam, freundlich, harmonisch und gefühlvoll agieren. Andreas Claus hält dagegen: Es braucht mehr kantige und ungehobelte Männer.
nachdenklicher Mann

Was soll die Frage? Die Erwartungen an Männer sind immens gestiegen. In kirchlichen Kreisen gilt dies als idealer christlicher Prototyp: Perfekt im Beruf, wundervoll als Vater, Ehemann und Kirchenmitglied. Umgänglich, zurückhaltend, friedlich, eben «lieb». Gut und leicht für die Männer, die in ihrem natürlichen Naturell schon ungefähr so geboren wurden. Merkwürdig, sollte Gott hier ein Webfehler unterlaufen sein? Sind manche schon mit einem christlichen Charakter, mit den richtigen Tugenden, geboren, während andere sich erst noch kräftig ändern und sich dahingehend anpassen müssen? 

Jesus' Team bestand aus rustikalen Charakteren

Jesus zumindest hatte in seiner zwölfköpfigen Truppe auch Typen mit recht rustikalem Charakter und ebensolchen Lebensgeschichten. Spitznamen wie «Donnersohn» oder «Der Eiferer» lassen kräftige Rückschlüsse auf Temperament und Wesensart zu. Den aufbrausenden, unkontrollierten und von sich eingenommenen Petrus braucht man nicht weiter vorstellen. Ja, Johannes, der später so sanftmütig dicht bei Jesus war und so verklärt von den geistlichen Lebenswelten sprechen konnte, der passt schon besser in das Bild eines kultivierten christlichen Mannes. Apropos Petrus und Johannes, kleine Zwischenfrage: Auf welchen Fels wollte Jesus seine Gemeinde bauen?

Viele am Glauben durchaus interessierte Männer sind zunehmend genervt von der vagen Interpretation der christlichen Botschaft. Die kontemplativen Denker, die harmonischen Liedersänger, die Betroffenheitslyriker, die Wortakrobaten, die mystischen Weisheitsverwalter und Wüstenwanderer, ja genau – ab und zu bekommt man Lust, sie mit einem kräftigen Tritt in die Wüste zu befördern. Gibt es denn auch ein Evangelium mit Kante und Herausforderung? Gibt es auch etwas für Männer, die nicht erst angepasst «lieb» sein wollen, um kräftige Gotteserfahrungen machen zu können? Kann Gott auch Alphatiere, Abenteurer und sonstige Ungehobelte gebrauchen oder müssen die zuerst auf Einheitsmass gebracht werden? 

Gesucht: Männer, die Kante zeigen

Viele Männer sind – wenn sie überhaupt noch kommen – in den kirchlichen Gemeinden und Gottesdiensten gelangweilt, denn dort gibt es Sicherheit statt Risiko, Eintracht statt Konflikte, Vorhersehbarkeit statt Abenteuer, Pflicht statt Vergnügen, Einengung statt Unabhängigkeit, Bewahren statt Veränderung, Nettigkeit statt Zielpräzision, Behaglichkeit statt Herausforderung, Harmonie statt klarer Worte (nach David Murrow: «Warum Männer nicht zum Gottesdienst gehen», Verlag cap-books).

Wie war denn Jesus? Überraschend anders. Jesus hat konfrontiert. Jesus hat herausgefordert. Jesus hat Opfer verlangt. Jesus war radikal. Jesus war unangepasst. Jesus war voller Überraschungen. Jesus konnte zwölf Männer begeistern, die in seiner Nachfolge die ganze Welt in Bewegung gebracht haben.

Was wollen wir Männer? Wir brauchen wieder Möglichkeiten, wo wir als Männer mit Gott ein Abenteuer wagen können. Kleine Gruppen, in denen wir den Glauben auf Alltagstauglichkeit testen. Eine Brüderlichkeit und Freundschaft, auf die man sich verlassen kann. In vielen Gemeinden hat der Dienst an Männern leider keine Priorität. Wie auf der «Titanic»: Frauen, Kinder und Alte zuerst! Jesus dagegen hat sich zuerst um die Männer gekümmert. Vielleicht nur kulturell bedingt? Eher nicht. Bekanntlich war sein Umgang mit Frauen ebenso revolutionär. Aber er wusste: Gewinne ich einen Mann für den Glauben, bringt er die ganze Familie mit, und er hat das Zeug dazu, seine Umwelt nachhaltig zu verändern.  

Wir brauchen Raum für Wettbewerb und Aggressionen

Was könnten Lösungsansätze sein? Einige Vorschläge für Pfarrer, Pastoren, Gemeindeleiter: Wir müssen präziser und praktischer werden. Es muss Raum für Wettbewerb und Aggression geben. Wir müssen es wieder wagen zu konfrontieren. Wir müssen wieder leiten. Wir müssen wieder provozieren. Wir müssen wieder klar machen, dass Christsein einen Preis fordert. Wir müssen den lieben Jesus und den PapaMama-Gott auch wieder Mann sein lassen. Wir brauchen wieder Ziele und Visionen. Wir wollen wieder etwas wagen und erobern. Wir müssen unsere fromme Sprache überprüfen. Wir sagen Ja zu Gefühlen, Nein zur Gefühlsduselei. Wir müssen unseren Glauben wieder begreifbar machen. Wir brauchen eine Botschaft, die zu unserer Lebenswirklichkeit passt. Wir müssen wieder über unsere Stärken reden, nicht nur über unsere Schwächen.

Jesus ist uns in seiner göttlichen Menschlichkeit ein grosses Vorbild: Er konnte heilen und feinfühlig auf Menschen eingehen, er konnte aber auch abweisend sein und kompromisslos in der Wahrheit. Jesus hat damals Männer verstanden, in ihrer Einzigartigkeit, in ihren Schwächen und Stärken. Er versteht und sucht sie auch heute noch. In ihrem speziellen Mannsein, in ihren Männerproblemen, in ihren Versuchungen und in ihren Chancen. Besonders Versager haben ihn schon damals interessiert, in sie hat er am meisten investiert. Die netten Gerechten lässt er liegen und stehen, er sucht die, die sich im Abseits verrannt haben. Jesus kennt unsere Fehler und Schwächen, er hat sie zugelassen. Jesus kennt unsere Fähigkeiten und Stärken, er kann sie vervielfachen. Jesus kennt unsere Versuchungen und dunklen Räume. Jesus bringt Licht in unser Leben.

Jesus will geheiligte Männer

Im Umgang mit Jesus lernen wir viel über uns. In der Beziehung mit ihm gilt es alles abzulegen, was mit der verkrampften Erwartungshaltung «lieb sein» zu tun hat. In ihm sind wir eingeladen, echt zu werden und unser Leben zur heiligen Entfaltung zu bringen. Geheiligt in unserem Naturell, geheiligt in unseren Gaben und in unserem Verhalten. Jesus sucht Nachfolger. Er will keine lieben Männer, er will heilige Männer!

Andreas Claus (51) ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er ist Gemeindeältester und Verleger.

Dieser Text ist dem family-Männerheft «Ärmel hoch» entnommen.

Datum: 10.10.2013
Autor: Andreas Claus
Quelle: Family-Männerheft

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