Weg des Dienens

Macht und Leitung im Neuen Testament

Macht und Missbrauch liegen dicht zusammen. Als Alternative zu den Risiken und Problemen der Macht verzichteten viele Gemeinden auf Leitung. Beides aber passt nicht zum Neuen Testament. Anhand einiger biblischer Prinzipien wird hier ein gangbarer Weg aufgezeigt. Jesus lehrte einen radikalen anderen Weg - den Weg des Dienens.
Leiter sind von Gott gegeben, um andere zuzurüsten zum Dienst

Als Jesus das Prestigegerangel seiner Jünger kommentierte sagte er: „Ihr wisst, die Herrscher der Völker unterdrücken sie und die Grossen missbrauchen die Macht. Aber so soll es bei euch nicht sein. Wenn jemand gross werden will, soll er euer Diener sein und wer der Erste sein will, soll euer Sklave sein.“ (Mt 20,25-27).

Macht und Prestige begegnen uns häufig negativ im Neuen Testament (übrigens auch oft im Alten Testament), Macht und Missbrauch liegen dicht zusammen, Macht und Hochmut sind Geschwister, und daher lehrt Jesus einen anderen Weg: Grösse durch Niedrigkeit, Grösse durch Dienst. Viel zu oft haben Machtfaktoren, Herrschsucht und missbrauchte Autorität der Gemeinde geschadet, viel zu gerne verfiel die Leitung der Verlockung von Macht und Prestige, von Anerkennung und Autorität.

Keine Missstände ohne Gegenbewegung

Viele Gemeinden und Kleingruppen verzichten auf Leitung. Nicht mehr der Leiter leitet, sondern die Diskussion über alle Fragen ist das Mass der Dinge.

Beides aber passt nicht zum Neuen Testament: Weder Macht als Unterdrückung noch Ziellosigkeit, weil die Schafe den Hirten dirigieren. Während Macht und ihre Ausübung sehr kritisch gesehen wird, wird Leitung sehr wohl betont, weil sie der Gemeinde nützt. Die Begriffe für Leiter variieren: Älteste, Hirten, Bischöfe, Führer, aber die Worte sind austauschbar. Wichtiger ist die Beschreibung, wie und was diese Leiter sein sollen.

Einige Prinzipien:

1. Leitung im NT begegnet uns ausnahmslos im Team. Es gibt keine Einzelleiter, immer ist es ein Gremium von Ältesten usw. Dass immer die männliche Form genommen wird, sagt nicht zwingend, dass es nur Männer waren (aber dass es niemals nur Frauen waren). Immer aber ist es ein Team, das leitet. Das entspricht der Grundüberzeugung: Christsein heisst immer Ergänzung von Gaben, Glauben und Kraft. Und es schützt mehr vor Fehlentscheidungen, weil der Leiter zur Korrektur und zum Ratschlag andere Mitleiter als Ergänzung hat.

2. Insgesamt gibt es eine flache Hierarchie, maximal 3 Ebenen sind erkennbar. Auch die Betonung von Titeln und Ehrenbezeichnungen wird kritisch gesehen (Matthäus 23,8-12). Übergemeindliche Leiter begegnen uns mit Ausnahme der Apostel nicht. Wohl aber überregionale Dienste!

3. Geleitet wird vor allem durch das persönliche Vorbild. Gelehrt übrigens auch. Die Gemeinde soll ihre Leiter als Vorbilder nachahmen (1. Petrus, 5,3; Hebräer 13,7). Leiter sind also einen Schritt weiter. Leiter haben nicht mehr Macht, sondern sind reifer, heiliger, hingegebener. Nur wenn sie Vorbilder sind, kann man ihnen folgen. Ihr eventuell nicht vorbildliches Handeln unterliegt strengem Tadel (1Timotheus 5,19f).

4. Daraus ergibt sich: die Vergabe von Leitung ist (neben einer wohl erwarteten Gabe) von Charakter und Leben des Kandidaten abhängig (1 Timotheus 3,1-7; Titus 1,6-9). Nicht Reichtum, Herkunft oder Beliebtheit, sondern heiliges Leben ist das Kriterium. Denn nur ein heiliger Charakter kann ein gutes Vorbild sein und deshalb wirksam leiten.

5. Macht ausgeübt wird nur in Extremfällen, beim Ausschluss aus der Gemeinde. Diese wenigen Fälle lassen aber einen Rückweg offen, denn nicht der Mensch, sondern seine Sünde soll gebrochen werden. Das „Machtwort“ gilt als schlechteste Möglichkeit, einen Konflikt zu lösen (2 . Korinther 13,10). Deshalb wird solche Macht auch nur im Einklang mit der Gemeinde ausgeübt (Matthäus 18,17; 1. Korinther 5,4f; 2. Korinther 2,6).

6. Leitung soll andere befähigen. Leiter sind von Gott gegeben, um andere zuzurüsten zum Dienst (Epheser 4,11f). Leiter machen andere fähig zur Mitarbeit, zum Dienst, zum Vorbild. Leiter machen sich also nicht immer unverzichtbarer und wichtiger. Im Gegenteil: ein guter Leiter arbeitet darauf hin, sich überflüssig zu machen, weil andere es durch seinen Dienst auch lernen, zu leiten. Leiter fördern Jüngere, bilden die neue Generation schrittweise heran.

7. Leitung heisst: dienen. Mit meinen Gaben, meinen Kräften und meinem Leben. Wer Vorbild sein soll, muss sein Leben öffnen, anderen in Demut begegnen und ihnen dienen. Nur so können die Geleiteten weiterkommen, reifen, wachsen. Dienen, dienen, nochmals dienen. Als leuchtendes Beispiel steht dabei Jesus selbst vor Augen: er kam nicht, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen (Matthäus 20,28).

Was könnte das heute bedeuten? Vier Vorschläge:

1. Mehr das Augenmerk auf Vorbild und Charakter legen. Organisation ist das, womit die meisten Leiter fast ganz beschäftigt sind. Fast alle klagen, dass sie zuwenig Zeit mit Gott verbringen (wie sonst soll der Charakter heiliger werden?) und zuwenig persönliche Begegnungen haben (wie sonst will man Vorbild sein?). Langfristig sind das die falschen Prioritäten.

2. Leitung an Teams vergeben. Lieber ein Leitungsteam mit mittelschwachen Leitern als einen starken Führer, der alles kontrolliert, aber nicht allem genügen kann. Lieber ein Team sich gegenseitig stützender Begabungen als einen superbegabten Leiter. Keiner kann immer stark sein, keiner ist ohne Krisen. Ein Team aber ist krisenfester und stabiler.

3. Junge potenzielle Leiter mit in solche Teams integrieren. Denn Förderung von zukünftigen Leitern ist eine zentrale Aufgabe. Wer nicht als Leiter rechtzeitig anfängt, neue Leiter heranzubilden (mit kleinen Schritten), der holzt den Wald ab, ohne neue Bäume zu pflanzen. Um der nächsten Generation willen sollte man unbedingt den Nachwuchs fördern.

4. Dienen statt herrschen. Die Alternative Jesu ernst nehmen heisst, sich selbst regelmässig prüfen, ob ich eine dienende Einstellung habe, ob es mir nicht um Ansehen, Recht behalten, Selbstverwirklichung usw. geht. Nur wer regelmässig als Leiter vor Gott um ein reines und demütiges Herz ringt, ist geschützt vor den Versuchungen und Nebenwirkungen der Macht.Nur wer dienen statt herrschen will, kann ein guter Leiter sein.

Quelle: www.coachnet.de
Autor: Michael Hummel, Studienleiter an der Bibelschule Kirchberg /Jagst.

Datum: 05.10.2004

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