Gemeinsames Leiten der Kirchgemeinde

Den „Herr Pfarrer“ gibt es nicht mehr

Herr Pfarrer

Jahrhundertelang war der Herr Pfarrer „wie der Herr Lehrer und der Herr Doktor eine unantastbare Autorität im Dorf. Eine Art Gott in Schwarz.“ Im Zürcher Tages-Anzeiger stellt Erwin Haas fest, dass dem nicht mehr so ist. Immer öfter redeten Kirchenpflegen ihren Pfarrern drein. „Und wenn diese sich wehren, gibt’s Streit.“ Dies hat damit zu tun, dass die geltende Zürcher reformierte Kirchenordnung Pfarrer und Kirchenpflege zum gemeinsamen Leiten der Kirchgemeinde verpflichtet, ohne Kompetenzen klar abzugrenzen.

In Hombrechtikon am Zürichsee traten 2001 alle acht Kirchenpfleger zurück, «um nicht die Glaubwürdigkeit zu verlieren». Der Grund: viele kleine «Differenzen» mit der Pfarrwahlkommission und dem Pfarrer, die sich zu einem unlösbaren Konflikt verdichteten. Der Artikel erwähnt zwei weitere Zerwürfnisse zwischen Kirchenpflege und Pfarrer, zu denen beide Seiten beitrugen.

Daneben gibt es klare Fälle wie den, dass ein Pfarrer Konfirmandinnen zu nahe trat. In Zumikon gehörte die Pfarrerin „einem Klub von Frauen an, die ganz gezielt Männer um den Finger wickelten, um sie finanziell auszunehmen“.

Erwin Haas erwähnt weiter den Pfarrer, der „sich auf seine Bibelauslegung besann und keine Kinder mehr taufen wollte, sondern nur noch Erwachsene. Er wurde schliesslich abgewählt. Ein anderer weigerte sich, geschiedene Leute, die wieder heiraten wollten, nochmals zu trauen“. Dies kann ein Pfarrer mit Berufung auf sein Gewissen gemäss Kirchenordnung tatsächlich verweigern; es erregt gleichwohl Anstoss, gibt zu reden. Haas meint, die Konfliktgründe lägen „meist im Graubereich normaler zwischenmenschlicher Meinungsverschiedenheiten, wie sie überall auftreten“.

Bei Problemen, die gemeindeintern nicht zu lösen sind, bietet sich die Bezirkskirchenpflege als Schlichtungsinstanz an. Meist bleibt die Lösungssuche schliesslich am Kirchenrat hängen, der die Pfarrer ordiniert hat und in schweren Fällen auch abberufen kann. Laut Kirchenratsschreiber Alfred Frühauf wurden die Konflikte früher weniger öffentlich ausgetragen. Die Zahl der Krisen sei indes klein, findet Frühauf laut dem Tages-Anzeiger; er kann sich nur an zwei Abberufungen und zwei Nichtwiederwahlen in den letzten 15 Jahren erinnern.

Das neue Kirchengesetz ist im November gescheitert, da das Paket mit dem Anerkennungsgesetz überladen war (eine GfS-Auswertung der Abstimmungsresultate will der Kirchenrat in den nächsten Wochen präsentieren). Die Revision der 40 Jahre alten Kirchenordnung will der Kirchenrat aber soweit möglich vorantreiben. Die Führung der Kirchgemeinden im Zusammenwirken von Pflegen und Geistlichen soll präziser geregelt werden. Anderseits, so Nicolas Mori vom Kirchlichen Informationsdienst, müssen die Pfarrer ihre Autorität in der Kooperation zum Ausdruck bringen: «Die Kirche braucht Teamplayer.»

Datum: 21.01.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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