Stefan Peter von Interserve:

«Wir verlieren Werte - und damit auch den Segen»

Stefan Peter

Interserve Schweiz hilft den Menschen in Asien und der arabischen Welt mit Know-how von Berufsfachleuten. Dies hat Stefan Peter gelehrt, dass das tägliche Brot alles andere als selbstverständlich ist. Auch bei uns sei es nicht auf ewig garantiert.

Livenet: Stefan Peter, was liegt für Sie in der Bitte ums tägliche Brot?
Stefan Peter: In der Begegnung mit Armen ist mir neu aufgegangen, was wir beten. Hier kaufen wir ja das Brot in der Bäckerei oder im Supermarkt. Wir können es einfach holen. Und erliegen dem Trugschluss, dass wir selbst unser Brot erwerben können. Die Armen zeigen uns: Es ist nicht so. Gott ist es, der versorgt, der uns das tägliche Brot gibt. Man spricht vom Broterwerb. Darum bitten wir mit dieser Bitte auch um Arbeit. Sie ist für uns selbstverständlich, an anderen Orten mangelt sie. Bei Interserve reden wir von der Theologie der Arbeit. Arbeit als Bau von Gottes Reich. Keine Arbeit ist ohne Sinn. Den Schweizer Banken – um eine Branche zu nennen – tun Christen Not, die mit ihren Überzeugungen und Werten an die Arbeit gehen.

Das sagen Sie als ehemaliger Banker?
Ja, ganz bewusst. Wir haben Werte verloren. Wir verlieren den Segen. Der grosse Wohlstand, den wir geniessen, kommt aus dem, was seit der Reformation geschaffen wurde. Wir profitieren vom Segen, für den unsere Vorväter gearbeitet haben. Gott schenkt uns Brot, weil unsere Mütter und Väter einen guten Weg gingen.

Steht uns der Wohlstand im Weg?
Er ist ein grosses Hindernis. Doch wir können Gottes Hilfe in jedem Bereich des Lebens erfahren, wenn wir Schwächen eingestehen. Jeder hat Schwächen, kennt Erfolglosigkeit und Dürre. Anders als bei Armen stehen sie bei uns nicht direkt im Vordergrund. Wenn wir aber Scheitern, Krise und Bedürftigkeit zulassen, finden wir die Haltung, um Gottes grosse Gaben zu empfangen.

Unsere Versorgung scheint auf Jahre hinaus gesichert.
Die Zukunft kennen wir nicht. Die Lage kann sich blitzschnell ändern. Und wir brauchen Brot jeden Tag. Ich bete täglich, dass Gott mich ernährt. Auch dass ich die Worte aus seinem Mund empfange (Matthäus-Evangelium, Kapitel 4, Vers 4). Seine Gnade ist jeden Morgen neu – ich bin darauf angewiesen. Bei Interserve solidarisieren wir uns mit den Mitarbeitenden im globalen Süden, indem ein Teil unseres Lohns aus Spenden kommt. Zu erleben, wie Gott mich versorgt, ist wunderbar. Letztes Jahr sagte mir ein Freund, er könne mich nicht weiter unterstützen, wegen der Ausbildungskosten seiner Kinder. Zwei Wochen später rief mich ein anderer Freund an, der davon nichts wusste, und sagte eben diesen Betrag zu. Gott versorgt. Er stärkt mein Vertrauen.

Interserve will Menschen auf das wahre Brot des Lebens hinweisen. Wie können wir die Bitte globaler auffassen?
Interserve stellt Fachleute zur Verfügung, die Menschen in Asien und der arabischen Welt ganzheitlich Wege aus ihren Nöten zeigen. Doch wir schaffen das nicht allein; Gott muss es tun! Wenn die Leute verstehen, dass Arbeit mit unserem Gott zu tun hat, verändert das ihre Motivation. Evangelisation und Entwicklungsarbeit gehen zusammen wie zwei Schuhe. Mit einem Schuh kann man nicht gehen. Verkündigung braucht den Tatbeweis; Diakonie ohne Evangelium verändert nicht nachhaltig. Unsere Leute reden von ihren Werten, ihrer Motivation. Sie teilen das Evangelium mit denen, die wissen wollen, was sie zu diesem Schaffen bewegt.

Zum Autor

Stefan Peter (53) leitet seit 2009 den Schweizer Zweig der Hilfsorganisation Interserve mit Sitz in Biel.

Datum: 19.07.2014
Autor: Peter Schmid
Quelle: Wort + Wärch

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