Christsein als Weg

Heilig, heiliger…

Was bringt Christen weiter auf dem Weg, Jesus ähnlich und «heiliger» zu werden? Mit eindrücklicher Regelmässigkeit – oft ohne dass wir’s bemerken – schleicht sich Selbstgerechtigkeit ein. Und wir kreisen um uns selbst. Was tun?
Heilig
Golf

Die christliche Szene der USA scheint Europäern derzeit weniger zu bieten als in den letzten Jahrzehnten. Doch werden im Land mit der weltweit grössten christlichen Szene unablässig Grundfragen von Glauben und Leben debattiert, oft auf hohem Niveau. Mark Galli macht sich bei «Christianity Today» (CT) Gedanken über das ernsthafte Christsein, das Heiliger-Werden. Der Leiter der CT-Redaktion bespricht ein neues Buch von Kevin DeYoung. Er rät, es zu lesen, zu verdauen – und dann rasch zu vergessen.

Vollkommener Vater

Galli erläutert auch warum. Bekanntlich ist Gott, wie er sich in der Bibel zeigt, heilig. So lässt sich alles, was Gott an Hilfen fürs Leben gibt, in der kurzen Anweisung zusammenfassen: «Ihr sollt heilig sein, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig» (3. Buch Mose, Kapitel 19,2). Ähnlich einfach sagt es Jesus. In der Bergpredigt spitzt er die Auslegung von Gottes Geboten und den Aufruf, Feinde zu lieben, zum Satz zu: «Ihr sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist» (Matthäus Kapitel 5, Vers 48).

Frömmler und Zöllner

Jesus hat es im 1. Jahrhundert mit Pharisäern zu tun, die mit minutiöser Einhaltung von Gesetzen auftrumpfen und dabei von Selbstgerechtigkeit strotzen. Auf sie münzt er die Geschichte vom Pharisäer und vom (ganz unfromm lebenden) Zolleinnehmer. Beide kommen in den Tempel, um zu beten. Der Pharisäer dankt Gott, dass er nicht so ist wie die andern, und verweist im Gebet darauf, dass er die Gebote erfüllt. Der Zöllner schlägt sich an die Brust und sagt: «Gott, sei mir Sünder gnädig» (Lukas Kapitel 18,13). Laut Jesus geht der Zöllner befreit nach Hause. «Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.»

Minen meiden

Ist der Stolperstein, an dem damals Pharisäer zu Fall kamen, heute aus dem Weg? Mark Galli verneint und spricht von zahlreichen Minen, die es zu meiden gilt. Wenn Christen meinen, dass sie Gott für seine Liebe gute Taten schulden, geraten sie in ein Leistungsdenken. Mit DeYoung unterstreicht Galli auch, dass Heiligkeit den Menschen gegeben ist durch den Tod und die Auferstehung von Jesus Christus. «‘Heilig‘ ist nicht etwas, das wir werden, sondern vielmehr eine Wirklichkeit, in die hinein wir leben.»

Frommes Kreisen um sich selbst

DeYoung gibt den Rat, dass Christen sich selbst prüfen sollten, ohne «jeden Tag die geistliche Temperatur zu messen». Für Galli steckt hier die Gefahr der «geistlichen Selbstverliebtheit» (spiritual narcissism), die schwer zu überschätzen sei. Er selbst, so seine persönliche Erfahrung, könne nicht nach Kräften ein heiliges Leben anstreben, ohne sich mit seinem Frömmigkeits-Fortschritt (oder dessen Ausbleiben) stark zu beschäftigen und so um sich zu kreisen.

Streben und Stolz

Das Christsein schliesst nach der Bibel ein Ablegen von Sünden und eine Umprägung des Charakters ein. Mit zunehmendem Alter, schreibt Galli, sei er weniger beeindruckt von seinem geistlichen Fortschritt. Er erkenne, wie vielschichtig und subtil seine Sünde sei, und dies bewege ihn, fortwährend umzukehren. Die Freunde, die ihn als liebevollen Ehemann erlebten, wüssten nicht, wie es in seinem Herzen aussehe…

Die Bibel ruft zum heiligen Leben auf, und dies geschieht nicht automatisch, sondern ist zu üben, schreibt Galli. Doch glaubt er, «dass ein bewusstes und zielgerichtetes Streben nach Heiligkeit» das dümmste Vorgehen sein könnte. Niemand, den er kenne, habe es getan, ohne in geistlichen Stolz zu verfallen.

Was es beim Abschlag braucht

Der Amerikaner vergleicht das Leben des Christen mit dem Golfspiel. Der Spieler, der auf jedes Detail der Bewegung und der Körperhaltung achte, werde gerade deswegen den Ball eher verziehen. Zwar müssten die Elemente geübt werden, doch fürs Spiel seien nicht die angelernten Elemente, sondern der Schwung wesentlich. «Was Sie vor allem üben, ist die einzelnen Teile der Bewegung zu vergessen, nicht sich selbst ständig zu beobachten und vor allem nicht immer verbissener zu schlagen. Sie streben eine anmutige und rhythmische Bewegung an.»

Wenn dies gelingt, so Galli, klappt der Rest von allein. Christen sollten, statt auf der Suche nach Heiligkeit um sich zu kreisen, Ausschau halten nach dem Mitmenschen und «im Rhythmus der Gnade» auf ihn zugehen.

Datum: 04.12.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet

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