Referat

ICF Chur

Dieses Referat wurde am Gemeindegründerag von Markus und Sybille Bächler gehalten. Markus:
Markus Bächler

Habt ihr schon mal einen schwangeren Mann gesehen? Ich werde den Moment nie vergessen, als ich das erste Mal mit einer kleinen Gruppe zusammen sass und sagte: «Leute, ich bin schwanger! Wir werden ein Baby gebären. Ich weiss zwar nicht, wie es aussehen wird, aber wir werden ein Baby gebären.» Ich denke, Gemeindebau und Schwangerschaft haben sehr viel gemeinsam. Zuerst braucht es den Samen - die Vision - bald darauf folgt die Schwangerschaft. Das Baby wächst. Einerseits freust du dich darauf - andererseits sorgst du dich, ob wohl alles gut gehen wird. Dann aber merkst du, dass der Moment der Geburt da ist. Du siehst, wie das Baby lebt und sich bewegt. Du freust dich! Danach kommen die stinkigen Windeln, das Geschrei, und das Kind wächst. So ungefähr kann man eine natürliche Geburt mit einer Gemeindegeburt vergleichen.

Bei uns hat es mit einem Umzug begonnen: Meine Frau Sybille und ich zogen vor 3 1/2 Jahren ins Bündnerland, wo wir zusammen mit einem anderen Ehepaar dieselbe Vision teilten: Wir wollen das «Graue Bünden» zu einem «Hellen Bünden» machen. Unser Traum war es, die Generation X mit dem Evangelium zu erreichen. Zu viert haben wir begonnen. Schon am ersten Tag im Bündnerland hat mir einer klipp und klar gesagt, wie es hier läuft: «Du bist im Bünderland, der Boden ist hart, denke ja nicht, die Leute warten auf dich, du wirst es schon noch merken!» Das war ja direkt ermutigend... Letzten Sonntag feierten wir übrigens mit über 200 Personen Gottesdienst, was gewaltig ist bei uns im Bündnerland... Die meisten unserer Leute sind um die zwanzig Jahre alt. Viele davon sind Christen, die nirgends so richtig dabei waren. Sie haben sich irgendwo, irgendwann für Jesus entschieden, aber alles verflatterte irgendwie. Bevor wir ins Bünderland kamen, war es mir, als sage Gott: «Markus, in Chur und Umgebung gibt es sehr viele begabte Menschen. Sie warten, bis sie gesammelt werden, und dann geht's ab mit Jesus.» Genau das erlebten wir. Gemeinden in der Umgebung haben Vorarbeit geleistet. Es musste nur jemand kommen und sammeln und eine Linie vorgeben. So - und weil wir in Chur ein Team sind, gebe ich jetzt meiner Frau das Wort.

Sybille:
Zwei Punkte sind mir in den letzten Jahren wichtig geworden. Erstens: «Glaube an deinen Mann.» Es ist nicht nur seine Berufung, es ist unsere Berufung. Wir dürfen zusammen in diesem Dienst stehen. Und ich bin herausgefordert, dass ich an meinen Mann «glaube». Er steht noch mehr an der Front als ich, und ich bin herausgefordert, ihm Rückendeckung zu geben, ihn zu unterstützen, für ihn zu beten. Das ist Kraft und Motivation für ihn. So kann er vorangehen. Ich bin immer noch am Lernen, dass ich nicht dastehen und sagen kann: «Wow, habe ich das gut gemacht.» Eben nicht. Gott gibt ja die Impulse. Dadurch - ich wollte manchmal in eine andere Richtung gehen, wollte etwas anderes machen - hat mir Gott gezeigt, wie wichtig es ist, meinem Mann zu vertrauen und mit ihm voranzugehen.

Der zweite Punkt, der mir wichtig geworden ist: «Stell dich auf Veränderungen ein.» Uns Frauen - oder zumindest mir - geht es oft so, dass wir manchmal Mühe mit Veränderungen haben. Ich mag es, wenn etwas fest ist. Das gibt mir Boden und Sicherheit. In diesem Punkt hat mich Gott herausgefordert, immer wieder für Veränderungen bereit zu sein. Gerade in einer jungen Gemeinde gibt es sehr viele Veränderungen. Gott hat mir dazu wie ein Bild gezeigt: Wenn du festhältst an alten Dingen, ist das, wie wenn du eine Faust machst. Da bist du wie zu, und Gott kann dich nicht beschenken. Wenn du dich öffnest, die alten Dinge loslässt, dann kann Gott dich beschenken. Ein Beispiel: Wir starteten mit vier Personen und feierten in unserem Wohnzimmer Gottesdienst. Mit 15 Personen war das dann so richtig schön, gemütlich wie in einem Hauskreis, schöne Atmosphäre, man kannte sich. Aber es ist weitergegangen. Inzwischen mussten wir vier Mal die Räumlichkeiten wechseln, und immer wieder heisst es loslassen und offen sein für die neuen Menschen, die dazustossen. Ein anderes Beispiel: Am Anfang machten alle alles. Man war gastfreundlich, öffnete seine Wohnung für den Gottesdienst. Manchmal leitete ich den Gottesdienst, dann war ich im Musikteam tätig, dann war ich für Theateraufführungen zuständig. Zudem konnte man zu allen eine Beziehung pflegen. Doch je mehr Menschen kommen, desto weniger ist das möglich. Das ist gut so. Gott hat uns neue und viel begabtere Menschen für all diese Aufgaben geschenkt. Wir konnten vieles aufteilen, und das ist ein grosser Segen. Für mich bedeutet das immer wieder loszulassen, mich neu zu orientieren.

Markus:
Ich möchte noch weitergeben, was mir im Bezug auf Gemeindegründung wichtig geworden ist. Zu Beginn wussten wir noch nicht, dass es eine ICF geben wird. Wir wussten lediglich, dass eine Gemeinde wachsen wird. Eine ICF Gemeinde sind wir erst seit dem 1. April.

1. «Wenn der Herr nicht das Haus baut, arbeiten die Arbeiter umsonst.»

Psalm 127. Was braucht es für die Geburt? Samen. Der Mensch ist nicht fähig, Samen zu produzieren. Der Same kommt immer von Gott. Und genauso ist es bei einer Gemeinde. Der Same ist da, und Gott sucht empfängliche Männer und Frauen. So einfach ist das. Wenn der Herr das Haus nicht baut, dann arbeiten umsonst, die daran bauen. Umsonst. Wisst ihr, was umsonst ist? Einfach umsonst, für nichts! Das sollte uns wirklich bewusst sein.

2. hinein, die ich erreichen will?

Wenn du irgendwo eine Gemeinde gründen willst, dann stelle dir die Frage: Passe ich dort hinein? Wir haben z.B. bemerkt, dass wir sehr gut ins Bündnerland passen, weil wir beide weder grosse Städte noch den «Dörfligeist» mögen. Chur ist da gerade richtig. Wir kannten auch ein Bündner Ehepaar, das mit der Gegend und der Mentalität bestens vertraut war. Das war eine wichtige und wertvolle Hilfe für unseren Start. Wir kannten einige liebe einheimische Christen, was sehr entscheidend war, um diese Gemeinde überhaupt starten zu können.

3. Eine klare Vision

Ich stelle fest, dass die Kluft zwischen den klassischen christlichen Gemeinden und der Gesellschaft immer grösser wurde und wird. Man kann zwar spüren, wie sich die Christen anstrengen, etwas dagegen zu unternehmen, aber irgendwie greifen diese Bemühungen nicht. Warum gehen Menschen in eine solche Gemeinde? Ich denke, es hat vor allem zwei Gründe:

1. Weil sie sich irgendwann mal für Jesus entschieden haben und mit ihm leben wollen.

2. Weil sie in der Gemeinde ihr Beziehungsnetz haben.

Aber sie brennen nicht mehr für Jesus. Es gibt auch viele junge Christen, die nur noch Mitläufer sind. Und da stellt sich die Frage: Wenn sie jetzt schon nicht für Jesus brennen, wann dann? Wenn sie jetzt «im Saft ihres Lebens» nicht für Jesus brennen, wann dann? Die Jungen von heute sind doch die Ältesten von morgen. Das kann es doch nicht sein! Diese Gedanken haben mich sehr beschäftigt, und ich wurde mehr und mehr schwanger mit unserer Vision. Mir war klar: Ich muss meine Generation wieder erreichen! Ich muss! Alle, die schon mal in Amerika waren, wissen, dass man teilweise über sogenannte Translators gehen muss, um nach Europa zu telefonieren. Mein Englisch war sehr schlecht, aber ich musste dringend in die Schweiz telefonieren. Sybille sagte: «Vergiss es! Die werden dich nicht verstehen.» Ich wollte es aber versuchen und war überzeugt, dass meine paar Brocken Englisch ausreichen. Ich wählte die Nummer, der Translator meldete sich und legte los wie eine Kanone. Ich konnte nur noch «Please speak slowly» sagen. Dann versuchte ich, ihm mein Problem zu schildern, und eigentlich hätte er mich verstehen sollen; aber er hat wie eine Granate geredet. Ich dachte: Das kann es doch nicht sein! Es ist sein Job, mich zu verbinden. Auch wenn ich nicht so gut Englisch spreche, müsste er sich doch auf mein Niveau begeben. Er machte es nicht. Ich habe den Hörer aufgelegt, und mir war, wie wenn Gott zu mir gesprochen hätte: «Markus, genau so macht ihr Christen es mit den nicht erreichten Menschen. Sie sagen: 'Bitte ein wenig langsamer, bitte ein wenig einfacher', doch wir kommen bumm, bumm... Heute bin ich überzeugt, dass viele Menschen gar nichts gegen Jesus haben, aber sie haben ein Problem mit uns Christen. Dort liegt der Haken. Gegen Jesus kann man gar nichts haben. Aber unsere Verpackung ist oft sehr katastrophal. Deshalb wollen wir eine weltnahe Gemeinde sein, ohne weltlich zu sein.

4. Gemeinde sein.

Generation X steht ja für beziehungslos oder beziehungsarm. Wenn mir jemand sagt, «Christsein ist nicht mehr in», dann hat diese Person die Schlacht verloren. Es stimmt ja überhaupt nicht. Christsein ist aktuell. Es ist der grösste «Markt», den es gibt: Beziehungen. Die Menschen wollen heute Beziehungen. Wir haben uns dazu entschlossen, in erster Linie eine beziehungs- und nicht eine programmorientierte Gemeinde zu sein. Wenn ein Gemeindeleiter dir stolz sagt: «80% der Gemeindeglieder arbeiten mit», dann frage zurück: «Und wieviele dieser 80% sind in Beziehungen integriert?»

5. Bereit sein, einen hohen Preis zu bezahlen.

Viele Menschen wollen eine Vision umsetzen, aber sie sind nicht bereit, den Preis zu bezahlen, ihr sicheres Ufer zu verlassen und auf das Wasser zu stehen. Nach meinem Umzug nach Chur war ich nicht mehr Pastor, sondern Arbeiter in einem Supermarkt. Das war nicht einfach für mich. Wir hatten leider nicht mal eine Gemeinde, die uns sendete. So haben wir begonnen. Ich hatte den Eindruck, dass Gott hinter uns steht. Am Anfang habe ich 120% in diesem Supermarkt gearbeitet und zusätzlich noch den ganzen Gemeindeaufbau vorangetrieben. Manchmal bin ich erst nach Mitternacht schlafen gegangen, und um 4.50 Uhr hat der Wecker schon wieder geklingelt. Das war nicht so schön, aber gut. Gute Eltern zahlen auch einen hohen Preis. Und wenn das Baby wächst, wow, dann ist das wunderbar. Schwierigkeiten gibt es allerdings immer wieder, das ist klar. Man sagt, Gemeindearbeit sei wie eine Geburtsklinik und wie ein Beerdigungsinstitut gleichzeitig. Es wechselt sich immer wieder ab. Solange es sich abwechselt, ist es okay...

Focusuisse Report

Dieses Referat wurde am Gemeindegründertag 2000 gehalten und sind im Focusuisse Report erschienen. Weiterverwendung nur nach Anfrage bei Focusuisse, siehe Link unten. Nächster Gemeindegründertag findet am 9. November 2001 in Biel statt. Der Focusuisse Report erscheint 5x pro Jahr und kann abonniert werden. Inhaltliche Schwerpunkte: Durchdringung einer Region mit lebendigen Zellen, Gemeindestrukturen: Erfahrungen und Entwicklungen, strategisches Gebet, Trends und Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft, Qualität der Leiterschaft.

Datum: 19.11.2002
Quelle: Focusuisse

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