Einfluss statt Grösse

Kirchen beginnen umzudenken

Überall auf der Welt beginnen sich Christen zu fragen, ob Kirche von Gott nicht völlig anders gedacht war, als das, was sie als Kirche bislang kannten. "Es geht nicht länger um Erfolg, Grösse oder die Zahl der Hauskreise: Neu geht es darum, ob die Kirche einen segensreichen, wichtigen und nachhaltigen Einfluss auf die Menschen um sie herum hat und auf die Gesellschaft und Städte, in denen sie leben.
Eric Swanson

Das schreibt Eric Swanson (Boulder, USA), Mitarbeiter der Vordenkergruppe "Leader-ship Network". Swanson beschreibt einen inneren Ruck, der durch die Kirchenlandschaft geht, angeführt von Leitern, die sich im Wandel der Zeit und dem Auf und Ab der derzeitigen kirchlichen Veränderungen zu Hause fühlen, und legt nun Punkte vor, die diesen Weg näher beschreiben.

Statt Mauern Brücken bauen

Wenn die Christen "Salz der Erde" sind, wie soll die Kirche handeln? Stehen die Kirche ausserhalb der Gesellschaft oder laden siedie Leute ein und gehen so in die Gesellschaft hin um sie zu verändern? Robert Lewis beispielsweise, Pastor der Fellowship Bible Church (FBC) in Little Rock war zufrieden mit seiner "erfolgreichen, wachsenden Megakirche," bis er merkte, wie wenig die Gemeinde eigentlich in der Stadt bewirkte. Er fragte den Bürgermeister: "Wie können wir Ihnen helfen?". Der wiederum gab ihm eine Liste der Herausforderungen, vor denen die Stadt stand. Die Gemeinde fragte sich selbst: "Was können wir tun, das die Leute zum Staunen bringt und sagen lässt: 'Niemand kann diese Dinge tun, es sei denn Gott mit ihm'". Und so kam es dazu, dass inzwischen mehr als 100 Gemeinden und 5.000 Freiwillige ihrer Stadt sehr handfest dienen, statt Programme für Christen zu machen. Dies hat das Verhältnis der Christenheit zur Stadt revolutioniert.

Einfluss statt Zahlen

Eine hilfreiche Frage dazu ist: "Würde die Stadt weinen, wenn es eure Kirche nicht mehr gäbe? Würde es irgend jemand bemerken, wenn ihr wegziehen würdet?" Den grössten Einfluss für die Realität von Jesus Christus werden in dieser Zeit nicht Worte, sondern Taten haben. Effektiver christlicher Dienst war stets ganzheitlich und verbindet gute Taten mit guten Nachrichten.

Tillie Burgin etwa gründete "Mission Arlington", um Menschen in ihrer Stadt zu erreichen, die nicht in die Kirche gehen. Eine Kirche, die zu den Menschen geht, nicht anders herum. Heute ist Mission Arlington eine Hauskirchenbewegung von nahezu 250 Quartiers-Hauskirchen, zu denen sich etwa 4.000 Menschen zählen, die wiederum etwa 10.000 Menschen pro Woche ganz praktisch helfen und ihr Leben verändern. "Die Frage ist also nicht mehr: "Wie gross ist deine Kirche", sondern: "Wie gross ist der Einfluss, den ihr in eurer Region habt?"

Ermutigung zum Dienst, nicht zum Gottesdienst

Gott hat Dienste eingesetzt, nicht zum Sitzen in Kirchenbänken. Oft wird Dienst fälschlicherweise rein kirchenintern verstanden. Die Aufgaben, die Christen dort angeboten werden, sind: Kinderhüte, Hauskreisleitung, Chor, Sonntagsschule oder ein Sitz im Vorstand. Kein Wunder beklagen sich Pastoren darüber, dass nur 20 Prozent der Mitglieder aktiv sind. Kann es sein, dass die Möglichkeiten innerhalb der Kirchen ganz einfach zu begrenzt sind und dass alle Christen einen Dienst haben - ausserhalb der Kirche, etwa an den Armen und Benachteiligten der Region?

Der Welt dienen - nicht der Kirche

"Der Menschensohn kam nicht, um sich dienen zu lassen, sondern zu dienen und sich selbst zu geben." Als die Kommunisten 1917 Russland übernahmen, verbot Lenin die Kirche nicht: Er verbot ihr in diabolischer Absicht nur, gute Werke zu tun. Kernelemente christlichen Dienstes wie Diakonie, Erziehung, Waisenhäuser und Krankenpflege waren für die Kirche tabu.

70 Jahre später war die Kirche völlig irrelevant. Viele Kirchen - ganz ohne Lenin - tun heute dasselbe und konzentrieren sich nur aufs Predigen. Das Resultat ist identisch. Nimm den Dienst der Kirche weg, und sie wird irrelevant und kraftlos.

Mary Francis Boley, Leiterin der Frauenarbeit der First Baptist Church in Peachtree City, Georgia, rief die Frauen innerhalb der Gemeinde auf, nach Frauen ausserhalb der Gemeinde Ausschau zu halten, die niemand erreicht: Kassiererinnen, Kioskangestellte, Friseusen, alleinerziehende Mütter, obdachlose Frauen, Stripperinnen, Prostituierte. Mary Francis will ganz einfach die Frauen in Atlanta retten - und sie ist überzeugt, dass dies bei den Frauen in den Kirchenbänken anfangen muss, denn auch die brauchen "Rettung": "Menschen können nicht reif als Christen werden, wenn sie sich nicht selbst im Dienst an andere verschenken!" Steve Sjogren von der Vineyard Community Church of Cincinnati hat eine Steinplatte über dem Eingang der Kirche anbringen lassen: "Kleine Dinge, in grosser Liebe getan, werden die Welt verändern."

Partnerschaft statt Duplizierung sozialer Dienste

Fast alle Städte und Kommunen haben soziale Dienstleister und Gruppen, die moralisch positiv und spirituell neutral sind und die ihr Bestes tun, um sich um die Bedürftigen und Benachteiligten der Region zu kümmern, etwa durch Obdachlosenasyle oder Frauenhäuser. Dazu kommen kirchliche Dienste, die sich bereits auf bestimmte Zielgruppen konzentrieren wie Studenten, Jugendliche, Geschäftsleute. Statt dass nun jede Kirche und Gemeinde ihren eigenen Dienst mühsam entwickelt, warum nicht Partnerschaften mit bereits bestehenden Dienstleistern eingehen und so Ressourcen sparen und Synergien schaffen?

Hier in Boulder, so Swanson, hat die Gruppe "Big Brothers Big Sisters of America" etwa 200 Jungen auf einer Warteliste, die auf einen älteren Mentor warten. Das ist eine grossartige Möglichkeit zur Partnerschaft für Christen. Wie wäre es, wenn im kirchlichen Mitteilungsblatt nicht nur die Bibelstundenzeiten, sondern 20 oder 30 solcher Partnerdienste aufgeführt würden? Viele solcher sozial tätigen Gruppen brauchen, was Kirchen haben: hilfsbereite Freiwillige, finanzielle Unterstützung und Räumlichkeiten. So entstünden Partnerschaften nicht um Theologie herum, sondern um die gemeinsame Sorge und Liebe für die Stadt oder Region, und Christen könnten "ihre Nachbarn lieben" und dabei Gefässe und Organisationen nutzen, die bereits existieren. Dadurch würden wir alle sehr schnell zu dem "Brief, der von allen gelesen wird".

Datum: 07.08.2004

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