Politik

Herr, wo ist unser Platz?

Marianne Streif (44), Politikerin und Mutter, Vineyard Bern
Deko

Mein Startschuss als Politikerin war etwas ungewöhnlich. Es war mein Mann, der sich politisch interessierte, während mich die Politik eher kalt liess. So wurde auch mein Mann angefragt, ob er bereit sei, für das Parlament in unserer Gemeinde zu kandidieren. Selbstsicher sagte Jürg, dass er, wenn er kandidiere, auch gewählt werden will. Um ein solches Amt aber auch gewissenhaft auszuüben, habe er im Moment noch zu wenig Zeit. Jürg schlug vor, dass ich an seiner Stelle kandidieren soll. Und es kam dann, wie es kommen musste: Ich wurde auf den ersten Ersatzplatz gewählt, kam so 1991 ins Parlament und hatte ein Amt, das ich eigentlich nicht wollte. Ich war unglücklich, dass ich diese Arbeit machen musste und Jürg war sauer, dass nicht er diesen Job hatte. Nach einiger Zeit lebte ich mich aber gut ein und bekam auch immer mehr Interesse an meiner Tätigkeit.

Im Laufe der nächsten Jahre war bei uns vieles im Wandel. So änderte sich auch unsere Beziehung zu Jesus stark und wir begannen immer häufiger zu fragen: "Herr, wo ist unser Platz? Wo willst du uns haben?"
Die Frage, ob mein Platz wirklich in der Politik ist, stellten wir auch 1998 ganz konkret und wir baten Gott um ein klares Zeichen. Und Gott gab Antwort: Zum ersten Mal überhaupt erhielt die EVP (Evangelische Volkspartei) in unserem Amt Bern-Land einen zweiten Sitz im Grossrat - ich habe nun ein Mandat, zu welchem ich voll und ganz Ja sagen kann, weil ich sicher bin, dass dies meine Aufgabe ist. Auch Jürg hat ein klares Ja dazu. Er hat seinen Traum, in der Politik tätig zu sein, aufgegeben und setzt sich dafür ganz als Kirchenkreispräsident, als Mitglied des Synodalrates und des Kirchengemeinderates in der Landeskirche ein.

Die Arbeit in einer kleinen Partei wird zwar von der Öffentlichkeit, das heisst von den Medien, nicht gross wahrgenommen, aber dennoch können wir im Kleinen Wesentliches bewirken. So hat der Erziehungsdirektor des Kantons Bern auf meine Anfrage hin offiziell erklärt, dass Homosexuellenorganisationen ihr Sensibilisierungsprojekt ‚LesBiSchwule Infos für die Schule' nicht mehr länger ohne die Anwesenheit der Lehrerschaft durchführen dürfen. Eine weitere Anfrage bewirkte, dass die schlecht funktionierende Kantonale Lehrstellenbörse überdenkt werden soll und dank einer Motion von mir können die Gymnasiasten die Maturprüfungen wieder vor den Sommerferien abschliessen.

Gerade in politischen Diskussionen, sei es im Rat oder in Kommissionen, ist es wichtig, den Menschen im Mittelpunkt zu sehen und glaubhaft aufzutreten, für Gerechtigkeit zu kämpfen und ethische Grundwerte zu vertreten. Dies sind bedeutende Aufgaben für uns Christen in der Politik. Ich bin aber nicht nur Politikerin, sondern auch dankbar für meine Arbeit und Aufgabe als Lehrerin und nehme ausserdem von Herzen gern meinen Platz als Mutter und Ehefrau ein.

Wenn Jürg und ich nicht die Gewissheit von Gott hätten, dass ich von ihm selbst an diesen Platz gestellt worden bin, könnten wir den Druck und Stress, den meine Arbeit mit sich bringt, wohl kaum standhalten.

Fünf mal zwei Wochen Session pro Jahr, dazwischen viele ganztägige Kommissionssitzungen wie zum Beispiel der Justizkommission, riesige Berge von Post, die gelesen werden muss, das alles ohne Rücksicht auf den Wäschetag, das Einkaufen und den Haushalt - das wäre gar nicht zu bewältigen, wenn Jürg nicht mit anpacken würde. Es gibt bei uns nicht mehr ‚meine Arbeit und deine Arbeit'. Wir helfen uns einfach gegenseitig, so gut wir können. Dies ist aber nur möglich, wenn wir die verschiedenen Arbeiten nicht als ‚wertvoll' oder ‚nicht wertvoll' beurteilen, sondern sie als gleichwertig anschauen, egal ob es Arbeiten im Rathaus oder in der Waschküche sind. Gott stellt uns für eine gewisse Zeit an einen Platz, wenn wir den einnehmen, leisten wir nur hochwertige Arbeit!

Datum: 21.11.2002
Autor: Marianne Streif
Quelle: equipped

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