Transformation

Veränderung braucht Zeit

Ist Afrika noch zu helfen? Was ändern die Entwicklungshilfe-Millionen tatsächlich? Die Frage wird in jüngster Zeit wieder kontrovers diskutiert. Der Arzt Stefan Strahm, der im westafrikanischen Guinea ein Gesundheitsprojekt der Schweizer Allianzmission SAM leitet, zeigt am Beispiel eines jungen Mannes auf, was echter Wandel einschliesst.
Das Ziel im Blick: Mori will Lehrer für sein Volk werden.
Im Schatten der Minarette: Marktgasse in einer Stadt
Hoffnungslos? Landstrasse in Guinea.
Stromschnellen
Die Welt mit afrikanischen Augen sehen: Stefan und Rahel Strahm arbeiten seit 8 Jahren in Guinea.

Mori* ist ein junger Muslim aus dem Nordosten Guineas. Er betet regelmässig in der Moschee. Die Schule hat er nach wenigen Jahren abgebrochen. Seither lernt er in der Koranschule den arabischen Koran lesen – allerdings ohne etwas zu verstehen. Eines Tages hat er auf dem Weg zum Freitagsgebet unvermittelt einen starken Eindruck: „Ich muss nicht mehr in die Moschee gehen.“ Er kehrt um und geht nach Hause. Sein Fernbleiben bleibt in der Folge nicht unbemerkt. Seine Verwandten beginnen Fragen zu stellen.

Verstossen

Mori hat einmal etwas von Jesus Christus gehört. Er macht sich auf den Weg in die Kirche im Nachbarort. Sein Interesse am christlichen Glauben wächst. Er knüpft Kontakt mit Daniel*, einem Christen, der in der Rehabilitation ehemaliger Leprapatienten arbeitet. Daniel ermutigt und begleitet ihn in den ersten Schritten im Glauben. Moris Verwandte jedoch können seine Veränderung nicht verstehen. Er wird von zu Hause verstossen, übernachtet zeitweise unter leeren Marktständen und landet wegen seines Glaubens vorübergehend im Gefängnis.

In einer Grossstadt kommt Mori bei Christen unter. Inzwischen über 20, drückt er mit Sechstklässlern wieder die Schulbank. Seine Freude an dem Gott, der ihn liebt, und an der Bibel ist durch nichts zu erschüttern. Der Vers aus Epheser 4,11 (Christus schenkt der Gemeinde Apostel, Propheten, Lehrer…) ist seine Motivation. Er will ein Lehrer für seine Volksgruppe werden.

Mori erlebt Transformation

Im Leben von Mori hat eine Transformation stattgefunden. Veränderungen gehören zu unserem Leben und zur globalisierten Gesellschaft. Im Sinne der Bibel geht Transformation einen Schritt weiter: Gott will von allen Menschen, dass sie eine grundlegende Transformation erleben, wie sie Mori erlebt hat. Und wer an sich eine Transformation erlebt hat, soll wie Daniel anderen dabei helfen, als „agent of change“.

Existiert das richtige Weltbild?

Voraussetzung für eine wirkliche, tief greifende Transformation ist eine Änderung des Weltbildes. Es bestimmt weitgehend, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen, wie wir Ereignisse beurteilen und wie unser Wertsystem aussieht. Das westeuropäische Weltbild ist von der Aufklärung geprägt: Realität ist, was sichtbar ist und sich wissenschaftlich beweisen lässt. „Machbarkeit“ ist ein zentraler Begriff im säkularen Weltbild; Probleme lassen sich erklären und lösen.

Afrikaner sind von einem anderen Weltbild geprägt. Bei ihnen steht die unsichtbare Welt im Zentrum. Krankheit, Familienprobleme, aber auch Erfolg in Schule oder Beruf haben ihre Wurzeln in der unsichtbaren Welt. Verunfallt ein Taxi, weil es schlecht gewartet und überladen ist, liegt die Ursache nicht beim Bremsversagen, sondern in der unsichtbaren Welt. „C’est Dieu qui l’a voulu“ (Gott hat es so gewollt), heisst es dann.

Bei der Umkehr zu Gott wird unser Weltbild nicht automatisch transformiert. Wie stark das säkulare bzw. das animistische Weltbild auch die Kirche bestimmt, merken wir weniger in der eigenen als in einer fremden Kultur. Die Machbarkeit des säkularen Weltbildes schlägt sich z. B. in den Programmen nieder, die uns lehren, wie man betet, Gemeinde leitet, Verletzungen heilt oder Erweckung bewirkt. Alles ist machbar. Das in Afrika vorherrschende animistische Weltbild führt dazu, dass kaum jemand Verantwortung übernimmt. Das Gebet ist das einzige Heilmittel. Gott muss es machen. Der Mensch ist auch nicht für Sünde selbst verantwortlich, die Schuld liegt bei Satan.

Wie sieht nun die dritte Variante, das biblische Weltbild, aus?

Sowohl die sichtbare als auch die unsichtbare Welt sind Realitäten, doch es gibt eine weitere Realität, die mächtiger ist als alles: Gott und sein Reich. Wenn wir Gott und sein Reich zum Zentrum unseres Weltbildes machen, erleben wir Transformation. Paulus schreibt in diesem Zusammenhang von einer „Verwandlung durch die Erneuerung des Sinnes“ (Brief an die Römer 12,2). Kommen wir aus einem säkularen Hintergrund, so lernen wir, konkret mit Gottes Eingreifen zu rechnen. Es hängt nicht mehr alles davon ab, was für uns erklär- und machbar ist. Bei Gott ist viel mehr möglich. Christen aus einem animistischen Hintergrund übernehmen Verantwortung, treffen gute Entscheidungen. Sie sind nicht mehr der unsichtbaren Welt machtlos ausgeliefert, weil sie wissen, dass Gott stärker ist als die Geisterwelt.

Veränderung braucht Zeit

Transformation geschieht nicht von einem Tag auf den anderen. Sie braucht Zeit. Mori wird noch einen langen Weg zu gehen haben. Auch ich persönlich erlebe, dass ich immer wieder neu lernen muss, die Dinge aus Gottes Perspektive zu sehen und mit seinen Möglichkeiten zu rechnen. Mitzuerleben, wie Gott Veränderung schenkt und Transformation möglich wird – bei mir selbst und anderen – gehört zu den faszinierendsten Erlebnissen des Missionarslebens.

* Namen geändert

Dr. Stefan Strahm ist Leiter des Gesundheits- und Entwicklungsprojektes Pro Espoir der Schweizer Allianz Mission SAM.

Datum: 28.12.2006

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